5:0 im Kabel-Streit für ARD/ZDF

„Über die Zukunft können wir gerne mit dem Kabelnetzbetreibern reden.“

Prof. Dr. Karola Wille
mdr-Intendantin Prof. Dr. Karola Wille

Was: Interview zum juristischen Streit von Kabel Deutschland (KDG) mit ARD/ZDF über die Kündigung der Kabeleinspeiseentgelte
Wer: Prof. Dr. Karola Wille, mdr-Intendantin; federführende Intendantin aller ARD-Anstalten, bei den Gesprächen mit den Kabelnetzbetreibern
Wann: rec.: 08.05.2013, 12:24 Uhr; gesendet: 12.05.2013, radioeins-Medienmagazin im Inforadio, rbb (Auszüge)
Wo: Leipzig

Vgl.:
* Verträge über Kabeleinspeisegebühren gekündigt, 25.06.2012
* Kabel Deutschland wehrt sich gegen Vertragskündigung durch ARD und ZDF, 04.08.2012


(00:00)

Jörg Wagner: Das leidige Thema der Kabeleinspeisung von ARD und ZDF bekommt durch jüngste gerichtliche Entscheidungen eine Tendenz. Wie beurteilen Sie die?

(00:09)

Prof. Dr. Karola Wille: Aus unserer Sicht natürlich ausgesprochen positiv. Es gibt fünf Entscheidungen. Und in allen fünf Fällen hat das Gericht die Anträge der KDG voll umfänglich abgewiesen, wie das in der Juristensprache heißt. Die Hoffnung, dass man uns verpflichtet, einen Einspeisungsvertrag abzuschließen und wieder weiterhin Entgelte zu zahlen, die ist, zumindest was diese Gerichtsentscheidungen anbelangt, erst einmal gestorben. Wir freuen uns sehr, dass unsere Argumente aufgegriffen wurden, also dass wir beispielsweise den Kabelnetzbetreibern, sprich der KDG, werthaltige Programme zur Verfügung stellen, die es der KDG ermöglicht, ein Geschäftsmodell zu machen, wo sie beim Endkunden dann damit Geld verdienen kann. Und das ist genau unsere Argumentation. Relikt der Vergangenheit. Das ist nicht wettbewerbsorientiert und deswegen freuen wir uns, dass die Gerichte die Auffassung teilen.

(00:50)

Jörg Wagner: Dennoch gibt es nach wie vor eine, zumindest aus meiner Sicht, juristisch haltbare Entscheidung, nämlich besondere Angebote wieder herauszunehmen, also die sogenannten regionalen Einspeisungen. Diejenigen, die in Berlin zum Beispiel die „Abendschau“ sehen wollen, werden nach wie vor die „Abendschau“ sehen dürfen, aber nicht unbedingt „Brandenburg aktuell“. Und umgekehrt in Brandenburg, jetzt für den rbb gesprochen, wird es die „Abendschau“ im digitalen Paket nicht geben. Das ist schon teilweise passiert. Sehen Sie da auch Möglichkeiten, das wieder rückgängig zu machen oder muss man sich damit abfinden, dass ein solcher Schritt, dass ARD und ZDF nicht mehr zahlen, dann auch zu solchen Konsequenzen führt?

(01:28)

Prof. Dr. Karola Wille: Also, wir bedauern das sehr, dass die KDG jetzt hier eindeutig zulasten ihrer Kunden handelt, wenn man es so will. Sie haben diese Möglichkeiten. Diese Gestaltungsspielräume gibt ihnen der Gesetzgeber. Aber, ich sage mal so, man befindet sich im Wettbewerb und da sollte man schon dafür sorgen, dass seine Kunden die Programme bekommen, die sie sich wünschen. Und sie hätten die Möglichkeit. Wir stellen die Signale zur Verfügung. Sie haben all die Voraussetzungen. Sie können diese Programme weiter einspeisen. Sie haben sich leider gegen Kundenwünsche entschieden für ihr kommerzielles Geschäftsmodell. Schade, das es so ist.

(01:59)

Jörg Wagner: Die Bandbreite ist auch reduziert worden. Technisch ist das Bild messbar schlechter geworden. Gibt es da aus ihrer Sicht eine Möglichkeit, das wieder rückgängig zu machen?

(02:08)

Prof. Dr. Karola Wille: Also, aus KDG-Sicht bietet man uns jetzt einen so genannten Plattform-Standard an, heißt übersetzt, die Qualität ist schlechter geworden. Das spürt man auch beim Kunden. Rückgängig zu machen ist aus Sicht der KDG nur mit Geld möglich, also, dass wir weiterhin Einspeiseentgelte zahlen. Und im übrigen haben sie schon begonnen, diese Ressourcen für Shopping- und sonstige Kanäle zu verwerten. Ich geh mal davon aus, dass es da sowieso keinen Verhandlungsspielraum mehr gibt. Die Masse ist einfach weg. Ich bleibe trotzdem dabei, über die Zukunft können wir gerne mit dem Kabelnetzbetreibern reden. Dann reden wir aber über einen Analog-Digital-Umstieg und nicht mehr über diese alte analoge Welt. Und da sind wir gern dabei. Wir haben das beim Satelliten gezeigt. Funktioniert prima. Man müsste sich nur dem Thema richtig öffnen.

(wörtliches Transkript)

(© Foto: mdr/Martin Jehnichen)


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3 thoughts on “5:0 im Kabel-Streit für ARD/ZDF

  1. Ja, Internet und Telefon bekommt man auch ohne TV und Radio. Dann kommt halt das berühmte NIF-Filter rein, das noch unterhalb des UKW-Bandes 60 dB dämpft und erst oberhalb 500 MHz wieder für die Downlinkfrequenzen des Kabelmodems öffnet.

    http://www.brauntelecom.de/uploads/media/btc_Kat_S45-48.pdf

    Da oben liegt ansonsten nur noch der Pay-Kram, der ohne Abo sowieso wertlos ist:
    http://helpdesk.kdgforum.de/sendb/belegung-11.html

    Inwieweit man sich TV-Angebote über seinen KDG-Internetanschluss ziehen kann, weiß ich nicht. Im Interesse von KDG dürfte es jedenfalls nicht liegen, da sähe man die Leute gewiß lieber bezahlen für klassisches DVB-C mit Produktnamen wie „Kabelanschluss HD“ (mit gerade mal 3 öffentlich-rechtlichen HDTV-Programmen, die anderen sind eh verschlüsselt und Schrott), „Privat HD“, „Kabel Premium HD“ oder – achtung, der Kracher – „Premium Extra Erweiterung zu Kabel Premium HD“. Würde mich also nicht wundern, wenn irgendwann die Netzneutralität da plötzlich auch weg wäre.

    Andererseits ist TV-technisch ja nix mehr zu holen, vor allem – welch Ironie – auf modernen großen Fernsehern. Die Ergebnisse der Signalkastration (Angleichung auf „Plattformstandard“) bei den Öffis kann ich bei meinem Nachbarn auf 60″ bestaunen. Ich will da größeren Abstand halten, als das Q3A-Wohnzimmer lang ist.

    http://helpdesk.kdgforum.de/wiki/Streit_mit_ARD_und_ZDF

    Und radiotechnisch sieht es so aus: Livestream (128 kbps) im Internet – recodiertes 192er MP2 bei kabel Deutschland – UKW – 320 kbps Originaldatenrate bei allen anderen KNB und via Satellit. Auch da ist man mit KDG im Haus auf jeden Fall am unteren Ende des Möglichen. Das mag bei Schrottprogrammen noch gehen, nicht aber bei Kulturprogrammen.

    Unterm Strich ist und bleibt es sehr frustrierend, wenn man Kabel-Zwangskunde ist. Sogar für „nur Radio“.

  2. Den IP-Zugang von Kabel Deutschland bekommt man auch ganz ohne deren Rundfunkkram. Ob man den dann noch braucht, ist zu hinterfragen, denn bei den da gebotenen Leistungsmerkmalen sollte eine Nutzung von Videoangeboten, auch in HD, überhaupt kein Problem sein. Das ist nicht die Telekom, die gerade versucht, das zu erdrosseln.

    Es gibt Leute, die meinen, das sei das eigentliche künftige Kerngeschäft der KDG und Rundfunktechnologie dort auf dem Weg, zum Abfallprodukt zu werden. Kann ich nicht beurteilen, habe auch keinen Überblick darüber, was es über IP schon so alles an bunten Bildern gibt. Ich sehe aber schon die Möglichkeit, daß die Akteure aus der Rundfunkwelt sich bald der Frage zu stellen haben, wie sie in der IP-Welt Aufmerksamkeit finden können.

    Der aktuelle Fall 90elf scheint mir da durchaus exemplarisch zu sein: Da wurde der Hörfunk-Platzhirsch von einem Rivalen fortgejagt, den klassische Hörfunktechnologien erst garnicht interessieren.

  3. Frau Wille irrt: es besteht meist kein Wettbewerb. Für fast jeden, der in einer Mietwohnung oder einer Eigentumswohnung in Eigentümergemeinschaftsanlage wohnt, besteht die Wahl zwischen „gar nichts oder eventuell eine Notversorgung in matschigem DVB-T“ oder „Zwangskabel“. In manchen Mietwohnungen ist der Kabelanschluß gleich in der Miete drin und muß bezahlt werden. In Jena (dort allerdings weitgehend TeleColumbus, die immer lausig und unverschämt waren, aber nun durch die KDG-Signalkastration qualitativ eindeutig die Nase vorn haben und sogar etwas mehr öffentlich-rechtliches HDTV bieten) wird z.B. vom größten Wohnungseigentüber der Stadt ausdrücklich die Aufstellung von Satellitenantennen untersagt:

    http://www.jenawohnen.de/haeufige-fragen/sonstiges/darf-ich-eine-parabolantenne-anbringen.html

    Aus meiner Sicht ist das ein Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Informationsfreiheit: Die frei empfangbaren Programme werden den Mietern mutwillig vorenthalten, damit ein Kabelnetzbetreiber daran verdienen kann (ob für die Gestattung der Bewirtschaftung der Anschlüsse Geld zurückfließt zur Wohnungsgesellschaft, weiß ich nicht).

    Im Falle einer in Jena lebenden Bekannten (Dr. med.) bestand Unwille, 15 EUR monatlich zusätzlich für UKW-Radio (!) auszugeben, einen TV besitzt die Frau gar nicht. Folglich ist ihr Kabelanschluß natürlich tot und mit der Wurfantenne bekommt sie nur MDR Info, D-Kultur, DLF und Figaro in mono, der Wohnlage sei Dank. Die anderen UKW-Ausdünstungen, die sie empfangen könnte, sind allesamt gesundheitsschädlicher Sondermüll. Das sind Zustände, wegen denen in den 80er Jahren DDR-Bürger Ausreiseanträge gestellt haben – heute ist das alles ganz normal und wird auch noch vom Staat gedeckt. Der Empfang von Bayern 2 wäre 1985 einfacher gewesen als heute. Soviel zum Thema „Freiheit“.

    Mein Patenonkel wohnt in Berlin in Sichtweite des Fernsehturms am Alexanderplatz. Eine Satschüssel kann er nicht montieren, alle Fenster seiner Wohnung zeigen nach Nordosten. Kabel Deutschland liegt an, aber er will nicht noch zusätzlich zur GEZ diese Kabelnetz-Wegelagerergebühr zahlen, zumal noch für qualitativ mutwillig ruinierte Programme. Offenbar gehts (eingedenk des umfangreichen DVB-T-Angebotes in Berlin und der Tatsache, daß im Block fast nur Senioren wohnen) vielen so, letztens soll ein Aushang im Haus gebettelt haben, doch bitte endlich die tolle hochwertige KDG-Multimediawelt zu buchen. Im Radio-Bereich wäre mein Onkel höchstens am RBB-Kulturradio interessiert, das kommt aber vom für Ostberlin ungünstig gelegenen Scholzplatz und jeder UKW-Tuner verschluckt sich nahe des Alexanderplatzes durch die brutalen Feldstärken. Folglich RBB Kulturradio nur mit Rauschen und Zwitschern an der Zimmerantenne. Mein Onkel nutzt also Internetradio – und wenn er schonmal dabei ist, dann natürlich gleich Programme, die ihn mehr interessieren, vor allem Klassiksender aus den USA, die ganze Werke spielen. Schon hat die ARD einen weiteren Nutzer verloren.

    Ich habe 5 Jahre berufsbedingt wie ein Asylant gehaust, winziges Zimmer statt anständiger Wohnung. Ich habe nicht eingesehen, mich u.a. bei der Frage nach meiner Rundfunkversorgung femdbestimmen zu lassen und auf einen Komplettumzug nach Jena also verzichtet. Dieser Verzicht ist letztlich oft die einzige Wahl, die man hat. Insofern sitzt Kabel Deutschland, unterstützt durch eine Wohnungswirtschaft, denen ihre Mieter meist völlig egal sind (vor allen in solchen überreizten Ghettos wie Jena, wo Hinterhofbuden für 12 Euro kalt gehandelt werden) leider nicht an dem kurzen Hebel, den sich die ARD da einredet, sondern allzuoft an einem sehr langen.

    Nur vor 2 Wochen wars mal umgekehrt: da habe ich den neuen Kabel-Deutschland-Vertrag einer Nachbarin meiner Eltern stornieren lassen. Die Dame wußte schlichtweg nicht, daß der seit den frühen 80er Jahren vorhandene Anschluß der ex-Gemeinschaftsantenne alle öffentlich-rechtlichen Sat-Transponder abgebildet hat, auch die in HDTV, inklusive Vorbereitung für die beiden weiteren Transponder ab 2014. Dazu auch alle Privaten in SD frei und der übliche Pay-Kram ist ebenfalls dabei. Volles Programm in Originalqualität – für 5.89 EUR im Monat. Noch Fragen? Vor allem dahingehend, wozu Kabel Deutschland diese „Einspeisevergütung“ so dringend braucht? Na klar: zum Gewinnabführen. Andere Netze können mehr und besser zum Drittel des Preises.

    Die Mieter sollten ihren Wohnungseigentümern gehörig Druck machen, daß solche Vereine wie Kabel Deutschland endlich aus den Liegenschaften vertrieben werden. Leider kommt allzuoft so und nur so Internet in die Häuser – ein weiterer Hebel, den Kabel Deutschland hat.

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