Michael Müller und die Medien

„Wie könnte ich denn Medien bestrafen?“

Michael Müller im Gespräch mit Tilo Jung
Michael Müller im Gespräch mit Tilo Jung

Seit März 2013 konfrontiert Tilo Jung mit seinem Duz-Format „Jung&naiv“ auch Politiker. Für die Abgeordnetenhaus-Wahl am 18.09.2016 in Berlin interviewte Tilo Jung fünf Spitzenkandidaten. Aus dem 1 Stunde 28 währenden Videointerview mit dem SPD-Spitzenkandidaten Michael Müller wird hier (mit freundlicher Genehmigung) im Audio und Transkript dokumentiert, welche Mediennutzungsgewohnheiten der Regierende Bürgermeister hat.


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Wer:
* Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, SPD
* Tilo Jung, Freier Journalist
Was: Interview zur Abgeordnetenhauswahl 2016
Wann: rec.: 29.08.2016; veröffentlicht am 10.09.2016, 18:50 Uhr im radioeins-Medienmagazin und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio vom 11.09.2016, 10:44/15:24 Uhr


Tilo Jung: Was sind deine Lieblingsmedien?

Michael Müller: Ich lese ja noch gerne richtig Zeitung.

Tilo Jung: Welche?

Michael Müller: Unterschiedlich. Ich lese sehr gerne am Wochenende, wo ja ein bisschen mehr Zeit ist, die ZEIT oder die FAZ. Auch so in der Woche eigentlich alles. Ich lese ja fünf, sechs Zeitungen am Tag, aber ich les‘ gerne noch die Papierzeitung in der Hand und eben nicht so gerne übers iPhone oder sonst wie.

Tilo Jung: Jetzt hast du keine Berliner Medien genannt.

Michael Müller: Nee, die muss ich… Die lese ich ja sowieso alle. Die lese ich ja alle.

Tilo Jung: Alle?

Michael Müller: Naja, wenn ich morgens die Tür aufmache, liegen vor der Türe sechs oder sieben Zeitungen. So. Und die muss ich ja auch im Laufe des Tages lesen. Und da gibt es auch keinen Liebling, sondern die gehören ja mit dazu. Das ist ja für mich ja auch ein Arbeitsmittel. So. Das ist ja eine andere Frage, wenn ich Sonntagnachmittag mal Zeit habe, bei einer Tasse Kaffee, was lese ich gerne mal aus Spaß und so. Da hat man ja ein bisschen mehr Luft.

Tilo Jung: Welche Blogs liest du? Unsere Jungen Menschen interessiert ja, was du so online machst.

Michael Müller: Ich glaube, gar nicht. Ich bin mitunter im Netz unterwegs, guck‘ mir was an, guck‘ mir andere Facebook-Auftritte an, gucke mir an gerne auch die Nachrichten, natürlich guck‘ ich mir RBB, gucke ich mir an, was die anbieten, habe Tagesschau, Spiegel, glaube ich, N24, immer so präsent, wenn da die Nachrichten kommen. Aber das ist sehr unregelmäßig, wie ich Zeit habe, wie ich Lust habe.

Tilo Jung: Podcasts hörst du auch nicht?

Michael Müller: Nee.

Tilo Jung: Gibt es Medien, die du nicht magst?

Michael Müller: Nö. Also da … ich habe da… Warum? Was …?

Tilo Jung: Naja kann ja sein, dass du sagst, ich rede nicht gern mit dem Radio oder mit dem Sender oder der Zeitung.

Michael Müller: Nee, das ist … nee .. das ist nicht so… Naja, gut bei den Zeitungen. Da ist es aber auch gar nicht so sehr … da geht es nicht um die Zeitung, sondern man hat über die vielen Jahren in der Politik ja Journalisten, die man auch lange kennt. Und da gibt es ein paar Journalisten, da weiß man, man kann immer mal drei Sätze reden und der macht daraus eine ganz seriöse Geschichte. Und es gibt Journalisten, da weiß man: Oh vorsichtig, jedes halbe Wort, jeder Halbsatz wird bewusst falsch verstanden. Aber das hat nichts mit einer Zeitung oder einem Sender zu tun und … Radio zum Beispiel mache ich sehr gern.

Tilo Jung: Gibt es Medien, die du schonmal bestraft hast?

Michael Müller: Bestraft? Wie könnte ich denn Medien bestrafen?

Tilo Jung: Indem du sagst, ich gebe euch keine Interviews mehr …

Michael Müller: Ja!

Tilo Jung: … oder wir schalten da keine Anzeige mehr.

Michael Müller: Nee, keine Anzeigen mehr ist Quatsch. Das geht so gar nicht und das wäre ja auch nicht klug. Sondern da guckt man ja immer genau, was will man mit einer Anzeige erreichen und wen will man erreichen. Wer soll Zielgruppe sein? Und da muss man entscheiden, das ist mal die Zeitung und mal die Zeitung, weil die Leser lesen ja nicht alle Zeitungen. Sondern da lesen eben die eher linken Leser die Zeitungen, die eher rechten Leser die Zeitung und so. Und deswegen muss man das entscheiden, wo man welche Anzeige schaltet. Aber …

Tilo Jung: Du willst auch rechte Wähler erreichen?

Michael Müller: Naja, wir müssen doch zum Beispiel auch mal gucken, wie wir auf CDU-Wähler zugehen. So. Ich würde auch dafür kämpfen, dass die SPD ein gutes Ergebnis bekommt. Und dann kann ich doch nicht sagen, mir reichen nur die SPD-Wähler. Also, muss ich doch mal gucken, habe ich eine Chance auch von anderen Parteien Wähler zu gewinnen? Und welche Zeitungen lesen auch die Leute, die eher CDU wählen? Und da muss man da auch mal eine Anzeige schalten.

Tilo Jung: Welche ist das?

Michael Müller: Ob ich das jetzt verraten soll und verraten will, weiß ich gar nicht.

Tilo Jung: Interessiert mich wirklich!

Michael Müller: Ich sags mal so: Es gibt immer noch einen medialen Unterschied in Berlin zwischen Ost und West. Es gibt zum Beispiel eine größere Akzeptanz, eine größere Verbreitung für Berliner Zeitung und Kurier im Osten und für Morgenpost und BZ im Westen und Tagesspiegel auch eher im Westen. Und allein daran kann man ja schon mal eine Unterscheidung treffen, ob man eher den Ostwähler, den Westwähler erreichen will, wen man erreichen will. Es gibt sicherlich eher ein bürgerliches Leserspektrum bei Morgenpost und Tagesspiegel. Daran kann man auch Entscheidungen festmachen, was Anzeigen anbelangt.

Tilo Jung: Du hast gerade bei „keine Interviews“ hast du „ja“ gesagt. Wem gibst du keine Interviews?

Michael Müller: Tagesspiegel.

Tilo Jung: Warum?

Michael Müller: Weil da eben einiges auch gelaufen ist in der Vergangenheit – und damit meine ich nicht Artikel oder Kommentare zu meiner Politik – das muss ein Politiker aushalten – sondern es gab eben bis ins Private hinein Artikel, die – wie ich fand – inakzeptabel waren. Und dann muss man eben auch sagen, wenn das nicht aufhört und wenn da kein Gespräch gewollt ist, muss man eben auch sagen, da kann man eben nicht zusammenarbeiten.

Tilo Jung: Aber es ist ja kein zusammenarbeiten. Wir arbeiten ja jetzt auch nicht zusammen.

Michael Müller: Naja, Interviews geben ist ja eine Form von Zusammenarbeit, ist ja auch eine Form von Vertrauen. Dass man der Meinung ist, man hat einen Partner, von dem man auch ausgehen kann, dass er einen seriös behandelt, und dass man die Chance hat, auch entsprechend zu kommunizieren. So, das ist ja auch ein Vertrauensverhältnis in dem Moment. Und nochmal: Ich bin seit 35 Jahren in der SPD. Ich bin auch alles nicht zufällig geworden. Ich kann schon umgehen mit Kritik. Aber die Grenze ist da erreicht, wo es persönlich/ privat wird. Meine Familie, meine privaten Lebensumstände haben nichts mit meiner Politik zu tun. Meine Kinder, meine Frau können sich nicht wehren gegen Artikel – so wie ich es kann. Und wenn so ein Bereich berührt ist, dann ist da bei mir auch eine Grenze erreicht.

Tilo Jung: Mit denen willst du jetzt nie wieder reden?

Michael Müller: Naaa da ist ja … bin ich Rumpelstilzchen? Aber es hat ja keinen Sinn, wenn man Gespräche sucht und man merkt, man kommt nicht zusammen, dann muss man es auch irgendwann akzeptieren. Ich habe jetzt auch nicht den Eindruck, dass der Tagesspiegel verzweifelt ist.

(Auszug, wörtliches Transkript)

Vgl.:
* Warum Michael Müller nicht mit dem Tagesspiegel spricht, tagesspiegel.de, 09.09.2016
* „Bin ich Rumpelstilzchen?“, tagesspiegel.de, 12.09.2016

(Foto: © Jung&naiv)


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