Donald Trump und der Journalismus

Dr. Jeffrey Gedmin | Foto: © Jörg Wagner
Dr. Jeffrey Gedmin | Foto: © Jörg Wagner


Die staatliche Unterstützung für den öffentlichen Rundfunk (npr) und die Gelder für die US-Auslandssender (Voice of America/VoA, Radio Free Europe/Radio Liberty u. a.) sind auf der Streichliste von US-Präsident Donald Trump. Während der öffentliche Sender npr inzwischen auf Spenden-Kurs geht, in Berlin seine Frequenz zurück gegeben hat, ist die Zukunft der US-Auslandssender ungewiss.

Was: Interview 100 Tage US-Präsident Donald Trump und dessen Verhältnis zum Journalismus
Wer: Dr. Jeffrey Gedmin, US-Politologe, Atlantic Council Washington, Georgetown University, von 2007-2011 Präsident RFE/RL in Prag
Wann: rec.: 27.04.2017, 19:00 Uhr, veröffentlicht in einer 7:35-Fassung im radioeins-Medienmagazin vom 29.04.2017, 18:24 Uhr bzw.
in einer 3:33-Fassung im rbb-Inforadio, 30.04.2017, 10:44/15:24 Uhr
Wo: Berlin


(wörtliches Transkript)

[0:00]
Jörg Wagner: Ich würd’ Sie zunächst erstmal bitten, sich vorzustellen. Wer sind Sie? Was machen Sie heute? Und was war 2007 bis 2011?

[0:10]
Dr. Jeff Gedmin: Okay. Jeffrey Gedmin. Jeff Gedmin. Heute bei der Atlantic Council in Washington, bei Georgetown University. 2007 bis 2011 war ich Präsident, Leiter von Radio Free Europe/Radio Liberty in Prag.

[0:25]
Jörg Wagner: Daher bringen Sie auch eine gewisse Kompetenz mit, was die Unterstützung der amerikanischen Regierung, des Kongresses beim Auslandsrundfunk anbelangt, aber Sie werden sicherlich auch Einblick darüber haben, wie Donald Trump, der jetzige Präsident, der 100 Tage im Amt ist, generell zum Thema Journalismus steht. Was haben Sie denn in den letzten 100 Tagen beobachten können? Ist das generell ein gespaltenes Verhältnis zum Thema ‘Journalismus’ oder favorisiert er bestimmte Medien nicht?

[0:53]
Dr. Jeff Gedmin: Also ich habe meine Befürchtungen und ich sag’s hier ganz ehrlich, ich mag’s auch nicht übertreiben, hält er eigentlich etwas vom Journalismus? Da bin ich ja nicht überzeugt. Also, bis bis zum heutigen Tag … (stöhnt) gut, also ja, es hört sich nicht höflich an, aber er greift eine Freie Presse bei uns in den USA an. Er bezeichnet die Presse als Feind. Das ist ja für mich als Amerikaner also nicht nur etwas ganz Neues, nicht nur etwas Peinliches, ich halte es für etwas Gefährliches. Also, das ist ja in unserer Geschichte etwas ganz Neues. Also, meint er das im Ernst? Würde er irgendwann solche Schritte unternehmen, die Presse zu unterdrücken? Das weiß man alles nicht, aber wie er die Presse anspricht, wie er über die Presse denkt, nimmt man an, das halte ich für sehr problematisch.

[2:01]
Jörg Wagner: Man muss dazu sagen, dass Sie, aus meiner Beobachtung – Sie können mich gerne korrigieren – eher dem Republikaner-Lager zugeneigt sind, als den Demokraten. Ist das richtig, meine Beobachtung?

[2:10]
Dr. Jeff Gedmin: Das ist richtig. Ja. Das ist generell richtig. Ja.

[2:12]
Jörg Wagner: Also, in dem Fall sind Sie … distanzieren Sie sich geradezu von Ihrem Präsidenten, was das Thema Medien betrifft.

[2:19]
Dr. Jeff Gedmin: Ja, ich denke das stimmt. Also, die (lacht) meisten in beiden Parteien … also erstmal: der Mann ist ja ganz neu in der Politik. Also, Ronald Reagan war Gouverneur von Kalifornien. Ein großer Bundesstadt. Also, er ist ja ganz neu in der Politik und wie er von Medien, wie er von der Presse spricht, ich denke, das ist ja eigentlich für viele in beiden Parteien problematisch. Und ich kann es auch leicht verstehen.

[2:49]
Jörg Wagner: Kommen wir mal zu dem Thema der Unterstützung der Regierung von regierungsnahen Sendern, also die finanziert werden wie die Voice of America, wie Radio Liberty/Radio Free Europe und das Thema der Unterstützung des National Public Radios, also ein … man kann das vielleicht vergleichen mit dem öffentlich-rechtlichen System in Deutschland, bloß eben nicht durch Beiträge …

Dr. Jeff Gedmin: Ja. Ja.

Jörg Wagner: … finanziert, sondern durch Spenden …

Dr. Jeff Gedmin: Ja.

Jörg Wagner: … und durch Regierungsgelder.

Dr. Jeff Gedmin: Das ist richtig.

Jörg Wagner: Da hat er angekündigt, dass er da rigoros streicht. Wie ist das vorangekommen? Ist das nur erstmal so ein Schreckschuss gewesen und er muss sich dann an Gesetze halten? Oder wird das konsequent umgesetzt?

[3:27]
Dr. Jeff Gedmin: Also, das ist ja auch eine sehr gute Frage. Das ist ja new territory. Also, eine völlig neue Welt für uns. Was er eigentlich in vielen Fällen vorhat, weiß man nicht. Also, ich bin fest davon überzeugt, dass es bei Donald Trump um Schock geht. Und noch dazu nicht gerade um eine Ideologie geht, sondern um seine Persönlichkeit. Also, er sagt ja am Montag etwas … nimmt er es selbst überhaupt ernst? Denn am Dienstag oder in zwei Tagen später kommt der auf eine ganz neue Idee. Public broadcasting, Radio Free Europe, Voice of America. Hat er sich wirklich überlegt, wozu denn diese Instrumente? Brauchen wir die überhaupt? Spielen die überhaupt eine Rolle in der Außenpolitik der USA? Ich habe gar keine Ahnung. Also wirklich gar keine Ahnung, was er im Ernst meint und vorhat.

[4:25]
Jörg Wagner: Aber hat er keine Berater, die ihm vielleicht das erklären? Also, das ist ja so, dass man ja nicht nur eingewiesen wird, in das diplomatische Umgehen, dass da der rote Teppich ist, dass man da irgendwie so eine Ehrenformation abschreitet, dass man irgendwie vielleicht Angela Merkel zumindest die Hand gibt, wenn Sie einen besucht. Also, das wird doch alles einem sicherlich erklärt werden.

[4:45]
Dr. Jeff Gedmin: Ja, also Berater hat er. Und zwar … also denken wir an zwei Kreise. Auf der einen Seite gibt’s ja, ganz professionelle Berater wie: der Sicherheitsberater H. R. McMaster. Der Verteidigungsminister. Es gibt ja Leute, sie kennen sich aus super. Dann gibt’s ja einen zweiten Kreis: Stephen Bannon, Stephen Miller, Kellyanne Conway, die Tochter Ivanka Trump, der Mann von Ivanka: Jared Kushner. Die kennen sich überhaupt nicht in der Politik aus, überhaupt nicht in der Außenpolitik aus. Also, vielleicht sind sie sogar begabt und intelligent. Also sie haben wirklich keine Erfahrung. Punkt.

[5:27]
Jörg Wagner: Was passiert denn jetzt? Was befürchten Sie? Also, wenn der Geldhahn zugedreht wird, 600 Mitarbeiter von Radio Free Europe/Radio Liberty in Prag und überall in der Welt verteilt, stehen vor dem Aus? Oder wie muss man sich das vorstellen?

[5:39]
Dr. Jeff Gedmin: Ja, das ist die eine Seite. Das würde ich ja sehr bedauerlich finden und unfair und überhaupt nicht produktiv. Also, es gibt ja für mich eine moralische Frage. Und zweitens es gibt ja auch ein Publikum. Also, ob Fernsehen oder Radio oder websites, ob in Russland oder in dem Iran oder was weiß ich, also in Usbekistan, es gibt ja in der Tat Menschen und die rechnen damit. Es gibt ja Sendungen. Es gibt ja Berichte von einer gewissen Qualität. Übrigens warum brauchen wir das eigentlich? CNN und das alles – fein oder nicht fein ist egal, das ist ja alles Englisch. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Also es ist ja nicht … für mich nicht leicht vorstellbar, dass man das alles abschafft, aber ausschließen darf man das nicht in den nächsten paar Jahren.

[6:37]
Jörg Wagner: Nun haben Sie aber den besonderen Umstand, dass ein Gesetz noch unter Obama verabschiedet wurde, wo der Direktor des Aufsichtsgremiums, aber nur dem Präsidenten unterstellt ist. Jetzt ist ein Republikaner an der Macht, der unberechenbar ist. Rächt sich jetzt nicht sozusagen ein Gesetz, was die Demokraten verabschiedet haben?

Dr. Jeff Gedmin: Ja, das war ein Fehler (lacht), auf jeden Fall ein Fehler und man kann ja schon davon ausgehen, die haben damit gerechnet, Hillary Clinton als Präsident gar nicht schlecht, unbegrenzte Möglichkeiten für uns. Erster Punkt. I like checks and balances. Das ist ja immer eine sehr gute Idee. Also, dass der Präsident und ein CEO für das alles verantwortlich sind … für meine Begriffe das ist ja schon ein Fehler. Und jetzt in dem Fall: Donald Trump – weil der Mensch da ja nichts vom Journalismus hält, also es klingt übertrieben, aber ich glaube das einfach, ist es gefährlich. Also, was passieren wird, was geschehen wird, wissen wir nicht, aber ich halte es für gefährlich.

[7:45]
Jörg Wagner: Kann es sein, dass der Direktor die Anweisung bekommt zu einer Art Selbstauflösung?

[7:49]
Dr. Jeff Gedmin: Ja absolut. Absolut. Nix kann man ausschließen. Das ist ja unverstellbar. Aber stellen wir uns vor, Voice of America, Radio Free Europe usw. usf. … gibt es das alles in den nächsten zwei, drei Jahren? Wissen wir nicht. Oder wird es alles zur Propaganda? Wissen wir einfach nicht oder wird es alles von Donald Trump ignoriert? Wissen wir einfach nicht. Und die Berater, der Verteidigungsminister und Sicherheitsberater, das ist ja nicht gerade also das Gebiet für die und der zweite Kreis: Ivanka, Steve Bannon, Stephen Miller? Gar keine Ahnung. Befürchtungen kann man schon haben. Aber eine Ahnung, wo die das steuern werden? Wirklich keine Ahnung.

[8:40]
Jörg Wagner: Über welches Budget reden wir jetzt, wenn wir also auch noch npr mit einbeziehen? Wieviel Geld gibt der Kongress für Radio aus z. B. und Fernsehen?

Dr. Jeff Gedmin: Also, nicht viel eigentlich. Also in dem … in the case from Radio Free Europe in einem Jahr etwa 90 Millionen Dollar. Hört sich vielleicht viel an, aber in 28 Sprachen, in 23 Ländern. Also wir würden in Englisch sagen: child’s play. Das ist ja nicht viel für eine Supermacht. Und … also, wenn man denkt, ja wir können ja ein bisschen Geld sparen, ja okay, also schauen wir uns das Pentagon an (lacht). Ich habe ja immer gesagt, Radio Free Europe das kostet … das ist ja ähnlich wie vier oder fünf Hubschrauber. Es ist nichts. Im Prinzip nichts. Aber ja, da so … es gibt die Hoffnung, meine Hoffnung, dass sie das alles in den nächsten paar Jahren einfach ignorieren. Das wäre nicht schlecht.

[9:46]
Jörg Wagner: Oder man weiß, dass die US-Amerikaner ein Land von gern Spenden gebenden Menschen sind. Besteht die Hoffnung, dass z. B. auch npr sich, wenn vielleicht auch reduziert, aber dennoch mit Spenden tragen kann?

[10:02]
Dr. Jeff Gedmin: Das halte ich für durchaus möglich. Das ist ein sehr guter Vorschlag und durchaus möglich. Es gibt ja wirklich eine Menge solcher Möglichkeiten in den USA, also bei uns und das könnte eine Lösung sein für beides: npr, Radio Free Europe.








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