Joyce, Mary C.

Mary C. Joyce | Foto: © Jörg Wagner
Mary C. Joyce | Foto: © Jörg Wagner


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Wer:
* Mary C. Joyce, New Media Operations Managerin des Wahlkampfteams von Präsident Obama und Mitbegründerin der Internetorganisation digiactive.org
* Eleni Klotsikas, Freie Medien-Journalistin
Was: Interview über die Online-Kampagne im Obama-Wahlkampf 2008
Wann: 02.04.2009, ca. 16:40 Uhr
Wo: Johannisstraße, 10117 Berlin

Eleni Klotsikas: Mary C. Joyce, Sie waren Beauftragte für Neue Medien in der Obama-Kampagne. Diese Kampagne hat ja ganz neue Maßstäbe für Wahlkämpfe gesetzt. Ein besonderer Aspekt war der Einsatz Neuer Medien. War das von Anfang an Teil der Strategie oder entwickelte sich das erst im Laufe der Kampagne?

Mary C. Joyce: Es war von Anfang an zentraler Bestandteil der Kampagne. Der zweite Mann in unserem New-Media-Department war Chris Hughes, einer der Mitbegründer von Facebook, die größte weltweit Social-Networking-Seite der Welt. Wir waren auch ein sehr großes Department. Unser größter Coup war, glaube ich, die Verkündung des Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden via SMS über Mobilfunkhandys, was es vorher so noch nie gegeben hat. Denn früher wurden solche Informationen zuerst an Journalisten vergeben. Und wir haben gesagt, wir wollen diese Infos direkt an unsere Wähler bringen. Das war sehr mutig und die Kampagnenmanager fanden diese Idee auch sehr gut.

Eleni Klotsikas: Sie haben ja viele verschiedene Kommunikationsmittel eingesetzt, von Direkt-Mails, YouTube-Videos, SMS, Soziale Netzwerk-Seiten. Was war denn Ihrer Meinung nach davon am erfolgreichsten?

Mary C. Joyce: Ich glaube, am erfolgreichsten waren die eMails. Social Networks und Videos, das funktionierte nur bei ganz bestimmten Zielgruppen, meist bei jungen Leuten. Aber zumindest in den USA hat fast jeder, ob jung oder alt, ein eMail-Account. Somit konnten wir viel mehr Leute als in den Social Networks erreichen und außerdem konnten wir diese zielgenauer ansprechen. So konnten wir unsere Message zum Beispiel auf eine ganz spezielle Spendengruppe hin abstimmen oder nur Leute eines bestimmten Bundesstaates ansprechen. Unsere eMails waren immer sehr persönlich und direkt. Ich glaube, das war der erfolgreichste Teil unserer Arbeit auch wenn eMails nicht das neueste und innovativste unserer Kampagne waren.

Eleni Klotsikas: Wieviel Menschen haben auf der Seite my.barackobama.com miteinander kommuniziert und welche Weise?

Mary C. Joyce: Ich glaube, es waren zwei Millionen, die auf der Seite angemeldet waren. Man konnte auf my.barackobama.com verschiedene Sachen machen. Zum Beispiel konnte man damit eine Veranstaltung organisieren und Leute dazu einladen und es gab eine Karte auf unserer Webseite, die anzeigte, wie Leute zu Deinem Haus kommen können. Man konnte sich auch einer Gruppe anschließen oder selbst eine gründen und sich mit diesen Leuten treffen. Man konnte direkt auf my.barackobama.com sein eigenes Blog schreiben und auch seine eigene Spendenseite einrichten, auf der Freunde für die Kampagne spenden konnten. Das funktionierte sehr gut, denn über diese privaten Spendenseiten der Unterstützer haben wir, glaube ich, 30 Millionen Dollar einsammeln können.

Eleni Klotsikas: Gab es da nicht auch Skepsis? Denn Blogger wollen sich doch normalerweise ganz neutral verhalten und reagieren eher argwöhnisch auf jegliche Manipulationsversuche und wollen sich eher nicht von einer Kampagne vereinnahmen lassen?

Mary C. Joyce: Die Leute, die auf my.barackobama.com gebloggt haben, waren nicht die typischen Blogger. Die meisten haben auch vorher kein Blog geschrieben. Das waren Leute, die Barack Obama mochten und irgendwann damit angefangen haben, ihre Gedanken aufzuschreiben. Es gibt viele politische Blogger in den USA, aber die haben nicht für unsere Kampagne gebloggt. Die haben zwar auch mal gut oder schlecht über uns geschrieben. Aber ich glaube, wir haben keine dieser Blogger dazu gebracht, auf unserer Seite mitzumachen. Es war mehr so, dass wir normale Amerikaner dazu bewegt haben, zu Bloggern zu werden, die das erste Mal damit anfingen.

Eleni Klotsikas: Wie sind Sie damit umgegangen, wenn jemand etwas Kritisches auf Ihren Seiten veröffentlicht hat? Haben Sie alles kontrolliert?

Mary C. Joyce: Nein. Alles durfte dort hochgeladen werden. Nur wenn wir etwas entdeckten, das obszön war, dann haben wir es entfernt. Aber wenn Leute beispielsweise Baracks Politik kritisieren wollten, dann durften sie das. Ein Wert des user generated content ist, dass Leute sagen dürfen, was sie wollen. Leute hatten die Freiheit ihre Kommentare zu allem loszuwerden. Sie können sich natürlich vorstellen, dass ich jetzt sagen werde, bei Obama gab es keine Spindoktoren, also gab es auch kein Problem. Wir haben unseren Unterstützern erlaubt, ihre eigenen unabhängigen Kampagnen-Events zu organisieren. Es gab sicherlich diese Grundsatzfrage an einem bestimmten Punkt, wie viel Gestaltungsspielraum man den Freiwilligen einräumt und ich glaube die Antwort lautete: soviel Freiheit wie nur möglich! Es funktionierte. Die Leute waren motiviert und fanden es toll, dass sie dazu eingeladen wurden, ein Teil der Kampagne zu werden, daran teilzunehmen und nicht nur einfach zur Wahl zu gehen, sondern mehr zu tun.

Eleni Klotsikas: Wenn Sie eine Kampagne für einen anderen Kandidaten planen müssten, glauben Sie, dass diese Online-Strategie auch auf andere Kandidaten sich übertragen lässt?

Mary C. Joyce: Ich glaube nicht, dass das Internet Obama zum Sieger gemacht hat. Er selbst ist der Grund für seinen Erfolg. Aber wenn sich jemand durch ihn inspiriert gefühlt hat, dann hat das Internet die Möglichkeit geliefert, dass sich diese Person auch für ihn engagieren kann. Wenn man vor 20 Jahren einen Kandidaten im Fernsehen gesehen hat und ihn überzeugend gefunden hat, dann konnte man nicht viel mehr machen, als zur Wahl gehen, wenn es zum Beispiel kein Wahlkampfbüro in der Nähe gab. Aber da wir so ein große Präsenz im Internet hatten, konnte jeder, der Obama toll fand nach ihm googeln und er fand dort eine Webseite, ein Event, eine Gruppe, der er sich anschließen konnte. Es gab viele Möglichkeiten für Obama aktiv zu werden. Also, wenn es wieder mal so einen inspirierenden Kandidaten gibt, den die Leute unterstützen wollen, dann würde das Internet ebenfalls dafür nützlich sein.

Eleni Klotsikas: Wie hat er eigentlich Sie und Ihr Team inspiriert?

Mary C. Joyce: Wir haben ihn eigentlich kaum gesehen, denn er war immer im ganzen Land unterwegs. Aber wir haben alle an seine Botschaft geglaubt, dass er das Land wirklich verändern will und das war das allgemeine Gefühl in unserer Kampagne, dass dies nicht nur ein Slogan war. Das hat uns inspiriert und wir wollten Amerika verändern. Deswegen haben wir so hart dafür gearbeitet. Es gab Kollegen, die haben während der Vorwahlen gleich im Büro übernachtet, denn es gab so viel zu tun.

(wörtliches Transkript)








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