Dr. Schulte-Kellinghaus: Das wichtigste ist Relevanz.

Jan Schulte-Kellinghaus | Foto: © Jörg Wagner
Jan Schulte-Kellinghaus | Foto: © Jörg Wagner

Was: Interview zum 15. Geburtstag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb)
Wer: Dr. Jan Schulte-Kellinghaus, rbb-Programmdirektor
Wo: Haus des Rundfunks, Masurenallee, Berlin
Wann: rec.: 20.04.2018, 09:00 Uhr; veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin vom 28.04.2018, 18:18 Uhr und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio vom 29.04.2018, 10:44/15:24 Uhr

Vgl.: Interview mit Patricia Schlesinger


[00:00:00] Jan Schulte-Kellinghaus: Mein Name ist Jan Schulte-Kellinghaus. Ich bin Programmdirektor des rbb. Und das bin ich seit dem 15. März letzten Jahres, also jetzt knapp ein Jahr im Amt.

[00:00:10] Jörg Wagner: Der rbb wird 15 Jahre alt am 1. Mai. Sie kommen sozusagen frisch rein. Damit haben Sie auch, sagen wir mal, nicht die Bürde der historischen Last, sondern können nach vorne blicken. Und das möchte ich ganz gern mit Ihnen machen, weil man bekommt so schon mit, im Fernsehen tut sich was. Es ist auch frischer im Marketingauftritt. Aber wenn Sie jetzt programmlich doch vielleicht die letzten Wochen zurückblicken, hat das, was Sie schon angeschoben haben, irgendeinen Effekt? Kann man das messen, zum Beispiel in Reichweite, in Zuschauerakzeptanz, Zuhörerakzeptanz? Es gab vor kurzem auch die Media-Analyse.

[00:00:46] Jan Schulte-Kellinghaus: Ja, klar kann man das messen. Aber einmal vorab. Normalerweise wird uns ja immer vorgeworfen, dass wir immer nur auf die Quote gucken. Und das erstaunt mich so. Immer, wenn mich jemand nach der Bilanz des letzten Jahres fragt, kommt immer sofort: Kann man es messen? Wie war die Quote? Also, obwohl wir ja eigentlich nicht so auf die Quote gucken sollen, ja man kann das Messen und das Programm wird erfolgreicher. Also, von im Jahresschnitt 5,6 Prozent sind wir jetzt fast auf 6 gesprungen, was ein deutlicher Schritt ist. Und jetzt im April sind wir mit dem Fernsehen sogar bei 6,4 Prozent, also erfolgreicher als der WDR in seinem Sendegebiet oder der SWR oder der hr. Aber das ist natürlich auch jetzt im April erst mal nur eine Momentaufnahme. Aber man sieht in den langfristigen Trends, dass die Veränderungen, die wir angestoßen haben, dass die auch bei den Zuschauern ankommen und dass die gut finden.

[00:01:35] Jörg Wagner: Vielleicht noch ein Wort zum Radio?

[00:01:37] Jan Schulte-Kellinghaus: Also, die Radios stehen ja stabil da und es hat ja auch Gewinne gegeben bei radioBerlin [88,8] und bei Fritz. Und Antenne [Brandenburg] ist nach wie vor Marktführer in Berlin und Brandenburg. Also, das ist eine tolle starke Position der Radios des rbb. Gleichwohl finde ich, dass wir auch da, wie wir es schon im Fernsehen begonnen haben, uns Gedanken machen müssen, was man anders machen kann und sollte.

[00:02:01] Jörg Wagner: Weil Sie meine Frage ganz kurz kritisch gestreift sind, aber was gibt’s denn noch für Möglichkeiten, Erfolg zu messen als Programmmacher? Außer, dass man dann tatsächlich guckt, wie lässt sich das mathematisch vielleicht eingrenzen in Zielgruppen, in Zuschauer-Akzeptanz gemessen in tatsächlich dann Quoten? Was gibt es da noch?

[00:02:22] Jan Schulte-Kellinghaus: Naja, das ist ja das, was eigentlich unsere Hauptaufgabe ist, um die wir immer ringen: Das ist die Programmqualität. Die lässt sich natürlich nicht schematisch in irgendwelchen Checklisten abfragen. Aber natürlich kann man mit Programm-Erfahrung sagen: Das ist ein gutes Programm gewesen oder das ist ein weniger gutes Programm gewesen. Und wir machen natürlich – und das ist für mich das Eigentliche – wir haben jetzt begonnen, hier Workshops zu machen, regelmäßige Workshops mit externen und internen Kritikern, die sich mit den Redaktionen auseinandersetzen und ihre Sicht der Dinge auf ihr Programm geben. Und wie das immer so ist im Leben, da werden Finger in Wunden gelegt, die man selber eigentlich schon kennt, die man ein bisschen ignoriert hat. Und jetzt heißt es: Kommt bewegt euch! Da könnt ihr auch noch besser werden. Und auf dem Weg sind wir.

[00:03:08] Jörg Wagner: Jetzt bin ich ja neugierig geworden. Welche Finger legen Sie in welche Wunden?

[00:03:11] Jan Schulte-Kellinghaus: Na, nicht ich persönlich, sondern ich … mir ist wichtig, dass sich die Programme immer wieder neu erfinden und sich immer wieder fragen: Ist das wirklich das Beste, was wir hier liefern konnten? Das gilt auch für radioeins. Auch mit radioeins werden wir solche Workshops machen, wo wir Kollegen auch einladen werden, die Radiomacher sind, aber nicht vom rbb kommen und sich … keine Ahnung … das Frühprogramm von radioeins anhören und sagen: Hätte ich jetzt vielleicht anders gemacht an der und an jener Stelle. Und das ist ein total produktiver Dialog. Und da gibt’s keine Schulnoten für Programmqualität, aber da kann man sehen, an welchen Stellen man arbeiten kann und muss. Und setzt sich auch auseinander mit Kollegen über das, was man tut. Und das ist total wichtig.

[00:03:54] Jörg Wagner: Dann splitten wir mal kurz Radio und Fernsehen. Bleiben wir ganz kurz beim Radio. Die Mediaanalyse, Sie sagten selber jetzt, wenn man es mathematisch misst, da wird ja das Erinnerungsvermögen der Bevölkerung abgefragt und gar nicht so sehr die Qualität, ob man’s gut findet. Aber dennoch gibt es ja die erfreuliche Tendenz, dass radioBerlin [88,8] und Fritz gewonnen haben. Aber genau diese beiden Programme, wenn ich das richtig bemerkt habe, wollen Sie tatsächlich verändern: Fritz ausbauen zu ’ner Multimedia-Plattform und radioBerlin [88,8] jünger machen in der Akzeptanz. Warum haben Sie sich genau diese beiden Programme jetzt vorgenommen?

[00:04:29] Jan Schulte-Kellinghaus: Weil die beiden erstens einen guten Job gemacht haben. Das sieht man ja an den MA-Ergebnissen, dass die in dem Segment, in dem sie arbeiten, erfolgreicher sind, ich aber finde oder wir gemeinsam beschlossen haben, dass wir die Aufgabenstellung dieser beiden Wellen verändern sollten. Und … weil wir gesehen haben – und das haben wir natürlich auch untersucht – wir haben 1.800 Berliner und Brandenburger gefragt nach ihren Radio-Vorlieben und vor allem nach ihren Musikvorlieben und haben denen unterschiedliche Musikstile vorgespielt. Und ein wesentlicher Teil der Menschen in Berlin und Brandenburg, die unter 50 sind, haben gesagt, sie finden in dem Radioangebot des rbb keine Musik, die sie wirklich begeistert. Und das war für uns der Punkt zu sagen, da müssen wir was ändern. Und wir wollen jetzt nicht irgendwie ein Radio neu erfinden, aber wir haben ja erfolgreiche Radios. Und haben gesagt, lasst uns die Aufgabenstellung für radioBerlin [88,8] so ändern, dass wir sagen, ihr müsst euch auch attraktiv machen für die 40jährigen in Berlin und Brandenburg. Und Fritz muss sich nochmal neu erfinden, weil der alternative Mix, den die bieten, der ist ein sehr spezielles Segment. Und da ist die Frage, kann man nicht, wenn man Fritz als Digital-Marke neu denkt, die Vielfalt in der digitalen Welt erhalten und sich dann gesondert Gedanken machen, wie ein lineares Radioprogrammen dazu aussehen könnte?

[00:05:58] Jörg Wagner: Das heißt möglicherweise, dass Sie auch daran denken, dass man Fritz dann gar nicht mehr terrestrisch verbreitet?

[00:06:04] Jan Schulte-Kellinghaus: Doch unbedingt. Wir fanden es nur nicht mehr modern in Zeiten, in denen immer davon gesprochen wird, dass die jungen Leute vor allem Streamingdienste benutzen und immer weniger UKW hören, jetzt singulär darüber nachzudenken, wie man eine UKW-Welle modernisiert, sondern wir fanden es zeitgemäß, zu sagen, lasst uns mal von dem Gedanken „Wofür steht die Marke Fritz“ ausgehen und was kann man publizistisch bieten in der digitalen Welt und zusätzlich in dem linearen Ausspielweg Radio? Das ist ein anderer Denkansatz.

[00:06:38] Jörg Wagner: … der dann sich konkret wie anhört? Also, ist das dann tatsächlich mehr Radio on demand? Wird der Live-Anteil zurückgehen oder heißt das Dekonstruktion des eigentlichen linearen Programms in viel stärkere Häppchen, die man dann irgendwie, was weiß ich, ausgespielt, atomisiert irgendwo findet?

[00:06:55] Jan Schulte-Kellinghaus: Also, wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich das noch nicht beantworten, weil wir auch gesagt haben, wir wollen als rbb nicht immer nur fertige Beschlüsse kommunizieren, sondern wir sagen auch, dass wir auf dem Weg sind. Und wir haben jetzt gesagt, wir begeben uns auf den Weg und mit der Redaktion zusammen und die Redaktion selber unterstützt durch Studien und Beratung, aber die Redaktion selber soll da eine Idee entwickeln, deshalb will ich der nicht irgendwie vorgreifen. Wenn Sie mich jetzt persönlich fragen, würd‘ ich sagen, dass für mich die Marke Fritz im Moment für Musik-Kompetenz steht, für Kommunikation steht, für Events steht. Und wenn man das so sagt, fallen einem viele digitale Möglichkeiten ein, das umzusetzen. Also, das könnte zum Beispiel sein, dass man sagt, wir haben sehr viele unterschiedliche Live-Streams in ganz unterschiedlichen Musikrichtungen, die man möglicherweise kombinieren kann mit den Nachrichten von Fritz und sich sein eigenes Radio zusammenstellen kann. Das ist jetzt mal nur so eine Idee. Aber in diese Richtung wollen wir gehen, dass man also im Digitalen sehr viel mehr Möglichkeiten hat mit dieser Vielfalt der Fritz-Welt umzugehen und dass wir trotzdem noch eine lineare Ausspiel-Welle haben, die populär auf das hinweist, was wir alles machen.

[00:08:10] Jörg Wagner: Blieben jetzt noch in einer zumindest Bouquet-Wahrnehmung: Kulturradio, radio eins und Inforadio. Sind das Marken, wo Sie sagen, da muss man gar nicht so viel schrauben oder haben Sie nur noch nicht die Zeit gehabt, darüber nachzudenken?

[00:08:24] Jan Schulte-Kellinghaus: Nein, das sind Marken, von denen ich sagen würde, die sind sehr gut positioniert und die haben ihren Fan-Kreis und darum muss man da nicht grundsätzlich was dran verändern. Sondern jeder muss sich natürlich immer fragen, wie kann ich irgendwie interessanter werden und wie kann ich dem „Bloß nicht langweilen“-Motto des rbb irgendwie entsprechen und wie kann ich dafür sorgen, dass ich nicht immer wieder das Gleiche mache? Aber radioeins ist eine tolle Marke. Und das Kulturradio auch und Inforadio sowieso als die große Informationsmarke in Berlin und Brandenburg.

[00:09:07] Jörg Wagner: Dann jetzt nochmal tatsächlich einen kurzen Blick auf das Fernsehprogramm. Sie haben sehr viel vorgelegt, das Abendprogramm erneuert, also die Konzentration auf 20:15 [Uhr]. Es gibt natürlich viel geschmäcklerisches, Stichwort „Abendshow“. Aber wenn Sie jetzt Visionäres vielleicht formulieren könnten am Geburtstag des rbb, 15 Jahre nun nicht voraus geblickt, aber doch für einen längeren Zeitraum: Wohin entwickelt sich das Fernsehprogramm, gerade in einer Welt, die Sie eben auch angesprochen haben, dass man möglicherweise auch jüngere Leute gewinnen möchte, die andere Medienrezeptionsbedingungen vorfinden? Also auch Stichwort wieder mehr für „Mediatheken“ arbeiten zum Beispiel als Stichwort. Ist das der Trend?

[00:09:50] Jan Schulte-Kellinghaus: Naja, das Wichtigste für uns ist, relevant werden und relevant bleiben für die Menschen in Berlin und Brandenburg und natürlich nicht nur für die über 60-Jährigen, sondern für die Gesamtbevölkerung. So und deshalb müssen wir ein vielfältiges Angebot machen. Und das tun wir auch schon. Uns gelingt es nur nicht so, das an Mann und Frau zu bringen, dass die Leute wissen, dass wir ein Hörspiel zu „Unter Leuten“ produzieren mit dem Kulturradio, dass wir für „Babylon Berlin“ ein Hörspiel machen. Wir fangen jetzt mit einer Podcast-Serie für Fritz an. Also, Ziel ist für die unterschiedlichen Lebenswelten der Berliner und Brandenburger was zu produzieren, was sie sowohl im Linearen, im Fernsehen und im Radio finden, als auch dann in den Media- oder Audiotheken, damit jeder selber entscheiden kann in der Situation, in der er ist, wann er das hören oder sehen will, was wir ihm da anbieten.

[00:10:47] Jörg Wagner: Mein Lieblingsspruch ist: Das Leben ist ein Pendel. Ausgehend von der Tatsache, dass man mitunter, auch im eigenen Leben, feststellt, dass man sich auf bestimmte Sachen konzentriert und dafür andere Sachen vernachlässigen muss. Jetzt ist Ihnen auch deutlich geworden mit bestimmten gesellschaftspolitischen Entwicklungen, dass man wieder viel mehr, stärker vor Ort sein muss. Das ist ursprünglich in der Erfindung des Rundfunks und Fernsehens drin gewesen. Weil man weniger Aufzeichnen konnte, war man naturgemäß viel stärker live vor Ort. Gibt es da irgendwie neue Konzepte? Erfinden Sie da möglicherweise den Publikumskontakt neu? Gibt’s da Ideen?

[00:11:24] Jan Schulte-Kellinghaus: Naja, es ist nicht die Neuerfindung des Fernsehens, aber wir merken natürlich – und das haben wir neulich gemerkt, als wir mit so einer … eigentlich einem ganz klassischen Vor-Ort-Format in Cottbus waren und über Thema Migration, Integration, Flüchtlinge gesprochen haben – und da so eine Aufmerksamkeit hatten, aber dann auch so ein positives Feedback von allen Seiten, die sagten, es ist zumindest mal wieder eine Kommunikationsplattform geschaffen worden, dass wir gesagt haben: Ja, klar, das müssen wir eigentlich viel mehr machen. Daraus erwächst jetzt nicht, dass wir jetzt jede Woche überall hinfahren und fragen: Wer hat jetzt noch ein Problem? Aber dass wir schon in regelmäßigen Abständen zu unterschiedlichen Themen, von denen wir sagen, das bewegt die Leute jetzt wirklich, vor Ort sind und solche Gesprächsformate anbieten.

(wörtliches Transkript)








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3 thoughts on “Dr. Schulte-Kellinghaus: Das wichtigste ist Relevanz.

  1. Neu ist das alles nicht. Nach seinem Sendestart hatte das ORB-Fernsehen in Südbrandenburg umgehend den Ruf weg, ein Potsdam-Sender zu sein, dessen Macher überhaupt keine Ahnung vom Rest ihres Sendegebiets haben. (Und von Radio Brandenburg reden wir in diesem Zusammenhang lieber gleich garnicht, oder wäre es zu verkraften, wenn große Schatten auf das Bild fallen?)

    Eine der Konsequenzen war eine regelmäßige, eventuell sogar tatsächlich wöchentliche, Diskussionssendung als Außenübertragung. Nämlich genau: „Vor Ort“. Die in Berlin konnten ja ihr B1 schauen. Es brauchte also nicht weiter zu stören, wenn es in der Hauptstadt niemanden interessierte, was da über den Kanal 27 lief. Geht so leider nicht mehr.

    Es mag vielleicht überraschen, wer da „in loser Folge“ in dieser Form, also als öffentliche Veranstaltung, tatsächlich noch mehr macht. Nämlich Radio Eins. Das weiß nur in Berlin und erst recht im Rest des Landes niemand, weil diese Sendungen nur über UKW Calau laufen. Da das eine Kooperation mit der Zeitung ist, dürfte es sich nicht völlig unbeachtet versenden.

    Und was Fritz angeht, sind auch das schon recht alte Hüte (was für ein Wortspiel…). Aktuell haben dort 67 Prozent der Hörer ihren 30. Geburtstag hinter sich und 37 Prozent fallen unter die Rubrik „40 ist das neue 30“. Von Teenagern ganz zu schweigen: Von der Stundenreichweite Mo-Fr von 97.000, wie sie bei der letzten Ziehung der Gewinnzahlen ermittelt wurde, entfallen 5.000 und damit, polemisch gesagt, nur noch statistisches Rauschen auf diese Alterskohorte. Da überrascht es nicht, wenn die Frage aufkommt, was man mit dem linearen Hörfunkprogramm überhaupt noch anfangen will. Dafür, ein nachwachsendes Publikum an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu binden, nützt es offensichtlich nichts mehr, so bitter diese Erkenntnis für ausgewiesene Radiofans auch sein mag.

  2. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit einzelne Aussagen von Jan Schulte-Kellinghaus herauszugreifen sinnvoll ist.
    Ich muss gestehen, auch nach nochmaligem Hören und unter dem Eindruck des ausführlichen Interviews im Medienmagazin Anfang 2018, dass mich Schulte-Kellinghaus überhaupt nicht überzeugt bzw. irgendwie so gar nicht erreicht. Hart formuliert ist es für mich Marketing-Geschwätz bzw. Phrasendrescherei, mehr Schein als Sein, dem nicht nur jede Seele und Verbindung zu journalistischen Tugenden und Werten zu fehlen scheint, sondern auch eine wie auch immer ausgeprägte Bindung an das (gesamte) Sendegebiet des RBB. Mir kommt es vor, dass Schulte-Kellinghaus hauptsächlich den „urbanen Bobo-Hipster“ in all seiner Oberflächlichkeit und Egozentrik im Visier hat, aber eben mit weiten Teilen des Sendegebietes und damit der Gebührenzahler nun so überhaupt nichts anfangen zu weiß. Hierzu passt diese etwas gequälte Einstellung, „man müsse wohl wieder stärker Vor-Ort-Formate senden, aber freilich natürlich nicht jedes Problemchen thematisieren“, die an der Realität gespiegelt eigentlich nur ärmlich wirkt. Wenn er, wie auch Intendatin P. Schlesinger, von Vor-Ort-Formaten in der Mehrzahl spricht, scheint er entweder das eigene Programm nicht richtig zu kennen oder aber unaufrichtig zu sein: es gab, wohl auf erheblichen Druck hin, anlässlich der Ereignisse in Cottbus eine einmalige (!) Ausgabe von „Vor-Ort“ im RBB-Fernsehen, 45 min am Do-Abend, viel zu knapp, aber wenn schon das hippe „Quiz“ weichen muss, dann unter keinen Umständen „Bobo-Hipsters“-Abendshow (https://www.rbb-online.de/abendshow/), wo man i.d.R. „unter sich“ sich nicht mit diesen ulkigen Ossis rumplagen muss. Dieses „Vor Ort“ kam im Übrigen viel zu spät bzw. hätte dringend einer Fortsetzung bedurft, weil man in der knappen Sendezeit durchaus merkte, wie sich dort – längst wieder überfällig – bestimmte Ventile lösten und es viel mehr dieser Plattformen braucht. Das viele in den so genannten Randgebieten (aus Südbrandenburg bzw. Lausitz liegen mir durchaus belastbare Aussagen vor) den RBB mittlerweile als „Feindsender“ (im Sinne von „Die da machen eh was sie wollen, denen sind wir komplett egal“) betrachten, scheint Schulte-Kellinghaus nun so völlig kalt zu lassen. Ich würde mir wünschen, hier eines Besseren belehrt zu werden, glaube aber daran, ehrlich gesagt, nicht.

  3. Interessante Aussagen zu Fritz, einem Programm, dass ich gewiss seit ca. 8 Jahren nicht mehr gehört habe, weil ich inzwischen eigentlich komplett aus „Popfunk“ und „Unterhaltungsfunk“ raus bin und mir meist nur noch gezielt spezielle Einschaltsendungen (Features, …) anhöre, meist auf Bayern 2, aber auch auf SWR 2, WDR 3, BR Klassik – und nur sehr selten beim RBB.

    Das

    „Und Fritz muss sich nochmal neu erfinden, weil der alternative Mix, den die bieten, der ist ein sehr spezielles Segment. Und da ist die Frage, kann man nicht, wenn man Fritz als Digital-Marke neu denkt, die Vielfalt in der digitalen Welt erhalten und sich dann gesondert Gedanken machen, wie ein lineares Radioprogrammen dazu aussehen könnte?“

    heißt für mich: Energy-kompatibles Volldudel-Format auf UKW und alles, was nicht massenkompatibel ist bei den 14- bis 20-jährigen, wird auf öde, eine Woche lang rotierende und schlimmstenfalls unmoderierte Streams abgeschoben.

    Dazu kann ich dann nur feststellen: im Internet gibt es wohl für fast jede noch so ausgefallene Geschmackrichtung Streaming-Angebote, und zwar international und teils auch mit Kompetenz und Leidenschaft. Da sollte der RBB bitte nicht versuchen, seine eigenen Spar-Versionen davon auch noch dort anzubieten, während der das lineare Live-Radio veröden lässt, wie es N-Joy, Sputnik, YouFM und Konsorten längst schon tun.

    Aber wie gesagt: mich betrifft das eigentlich alles nicht mehr. Ich fänds dennoch schade um eine eventuell vertane Chance, auch im Hauptverbreitungsweg Akzente zu setzen.

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