Plog, Jobst

Jobst Plog | Foto: © NDR/Kristina Jentzsch
Jobst Plog | Foto: © NDR/Kristina Jentzsch

„Zur Wehr setzen“


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Was: Telefoninterview zur bevorstehenden mdr-IntendantInnen-Wahl
Wer: Prof. Jobst Plog, Rechtsanwalt, ehemaliger NDR-Intendant
Wann: veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin vom 17.09.2011 und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio am 18.09.2011


(wörtliches Transkript, Auszug, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[0:00]
Jörg Wagner: radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg mit dem Medienmagazin. Während auch in dieser Woche die Recherchen im Fall des ehemaligen Unterhaltungschefs des MDR, Udo Foht und seinem sehr eigenen Finanzierungskonzept weitergingen und zu bundesweiten Razzien führten, sucht man zeitgleich im Mitteldeutschen Rundfunk nach einem Nachfolger für Intendant Udo Reiter, der sich nach 20 Jahren vor Ablauf seines Vertrages aus dem Amt verabschieden möchte. Diesem Wunsch hat der Verwaltungsrat bereits zugestimmt und auch schon einen Kandidaten ausgewählt. Nach Presseberichten und einem Brief des MDR-Personalrates an den Rundfunkrat mit Datum vom Freitag zufolge nicht ganz frei von staatlichem Einfluss.

Dies möchte ich jetzt besprechen mit einem Mann, der

1. unabhängig ist, da er nicht mehr für die ARD tätig ist.
2. kompetent ist, da er 17 Jahre Intendant einer Landesrundfunkanstalt war
3. zu dem einer Mehrländeranstalt angehörte, die
4. man sagte die Blaupause für den Mitteldeutschen Rundfunk war. Was meint, dass wesentliche Teile 1:1 übernommen wurden. Nämlich vom Norddeutschen Rundfunk. Und damit ist klar, wer am Telefon ist. Prof. Jobst Plog. Ich grüße Sie.

Jobst Plog: Ja, guten Tag.

Jörg Wagner: Vielleicht zu Beginn kurz zurück zum Fall Udo Foht. Auch der Norddeutsche Rundfunk hatte ja mit Doris Heinze einen ungewöhnlichen Fall einer persönlichen, an Dienstvorschriften vorbei agierenden Fernsehspiel-Chefin. Gibt es vielleicht doch strukturelle Probleme in einer Mehrländeranstalt, die Norddeutscher Rundfunk und die Kopie MDR gemeinsam haben?

Jobst Plog: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube zunächst nicht, dass die beiden Fälle vergleichbar sind. In der Tat ist der Fall Doris Heinze ein Einzelfall gewesen, der vielleicht zusammenhing mit einer doch Machtfülle, die die Fernsehspiel-Chefin hatte, auch durch die Vertretung in vielen Filmförderungsorganisationen. Irgendwie scheint da ein Stück Allmachtsfantasie entstanden zu sein. Die Dimension des Schadens ist unvergleichlich viel geringer gewesen. Im Mitteldeutschen Rundfunk gibt es offenbar mehrere Fälle. Und die Fälle haben eine viel größere Dimension und da fällt es schwer, daran zu glauben, dass dieses nun systembedingt ist. Vielleicht ist es auch durch mangelnde Aufsicht im einzelnen zu erklären oder durch was auch immer. Ich bin mit der Aufarbeitung dieser Fälle nicht wirklich befasst. Den Fall Heinze kenne ich aus der Nähe. Darum weiß ich, dass es wirklich keine Vergleichbarkeit gibt.

[2:22]
Jörg Wagner: Dann direkt zum Mitteldeutschen Rundfunk, zur Wahl der neuen Intendantin oder des Intendanten, vorgesehen für den 26. September. Der Verwaltungsrat hat ja in einem mehrgängigen Abstimmungsprozess zunächst die Juristische Direktorin Karola Wille im Stimmenverhältnis 4:3 ausgemacht, was rechnerisch allerdings nicht ausreichte, da eine ⅔-Mehrheit notwendig ist. Letztlich, ich kürze mal ab, gab es einen Meinungswechsel zum jetzigen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Bernd Hilder. Er ist der einzige Kandidat. Die Presse spekuliert nun und sieht Bernd Hilder als Wunschkandidaten der Sächsischen Staatskanzlei. Halten Sie das aus Ihrer langjährigen Erfahrung als ARD-Intendant für möglich, dass hier eine Staatskanzlei einen Meinungsumschwung herbeiführen kann im Verwaltungsrat, der ja eigentlich unabhängig ist?

Jobst Plog: Für möglich halte ich es. Es gab viele Beispiele, wo staatlicher Einfluss die Grenzen, die zulässig sind nach der Rechtsordnung überschritt. Hier fällt auf, dass sich eigentlich gegen den Vorwurf, die Kandidatenkür sei gesteuert aus der Sächsischen Staatskanzlei, so richtig niemand wehrt. Es scheint weder die Staatskanzlei zu beschweren, jedenfalls ein großes Dementi habe ich nicht lesen können, noch scheint es den Kandidaten zu beschweren, dass er gehandelt wird als Kandidat der Staatskanzlei. Das ist gerade im Osten Deutschlands, wo es mit dem Staatsrundfunk ja schmerzhafte Erfahrungen gab, besonders unangenehm. Ich glaube, man kann feststellen, dass diese Tendenz, dass der Staat es wieder versucht, weil ihm nicht richtig auf die Finger geklopft wird, öffentlich und von den Rundfunkanstalten, dass diese Tendenz wieder zunimmt.

Ja, um das also noch einmal zusammenzufassen: der Rundfunkrat ist frei, einer solchen Empfehlung zu folgen oder nicht. Wenn er den Eindruck hat, dass es hier auf staatlichen Druck eine Empfehlung gibt, dann glaube ich, muss er sich dagegen zur Wehr setzen. Gerade im Osten Deutschlands, wo es ja mit Staatsrundfunk einschlägige Erfahrungen gibt und wo die Leute nicht zufällig auch in Leipzig demonstriert haben gegen staatlichen Einfluss auf ihre freie Meinungsbildung.

[4:31]
Jörg Wagner: Halten Sie diese Konstruktion, dass der Verwaltungsrat jemanden aussucht und nur einen einzigen Kandidaten im Rundfunkrat präsentiert für ein wirklich taugliches, demokratisches Mittel? Gab es das im Norddeutschen Rundfunk auch?

Jobst Plog: Ja, der Rundfunkrat war jedenfalls in den ersten Wahlgängen auch gebunden an einen Vorschlag aus dem Verwaltungsrat. Wenn der Verwaltungsrat seine Pflicht macht und wiederum wählt ja der Rundfunkrat den Verwaltungsrat und er sollte eben auch unabhängige Personen wählen, dann ist es o.k., dass ein kleineres Gremium aussucht und dann einen Vorschlag macht. Wenn der Verwaltungsrat wirklich sich politisch steuern lässt, in welchem Umfang auch immer, dann hat der Rundfunkrat die Möglichkeit einen solchen Vorschlag abzulehnen und es gibt Fälle, wo im Vorfeld einer solchen Situation, wenn der Verwaltungsrat befürchten musste, der Rundfunkrat wird nicht folgen, Entscheidungen auch korrigiert worden sind. Also, das muss man abwarten, wie selbstbewusst der Rundfunkrat ist.

Im rbb gab es mal die Situation, dass offenbar die Ministerpräsidenten sich im Vorfeld schon verständigt hatten, ehe es den Rundfunkrat überhaupt gab und dann hat der neugewählte Rundfunkrat sehr schnell klargemacht, dass er einem so zu Stande gekommenen Vorschlag nicht folgen würde und dann ist es die Kollegin Reim geworden.

[5:57]
Jörg Wagner: Nun gibt es zur Zeit die zwei öffentlichen Meinungen, dass jemand aus dem Osten innerhalb des MDR möglicherweise besser geeignet sei, die Strukturen neu zu justieren, aufzuräumen, weil nach dem alten Sprichwort: neue Besen kehren gut, aber die alten wissen, wo der Dreck ist. Aber dann gibt es wieder die andere Meinung: dass nur jemand aus dem Westen von außen hier frischen Wind reinbringen könnte. Glauben Sie, dass eine solche öffentliche Meinung den Rundfunkrat zu einer Entscheidung sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung beeinflussen kann oder dass da andere Kriterien letzten Endes entscheidend sind?

Jobst Plog: Also, ich glaube, man sollte sich von solchen Dingen wirklich lösen. Ich kann die Kandidaten nur teilweise beurteilen, aber ich kenne die Kollegin Wille aus gemeinsamer Arbeit, denn ich habe sie über Jahre beobachtet. Was ich verblüffend finde ist, dass nach so langer Zeit, nach so erfolgreicher Amtszeit jemand eigentlich auch wegen seiner Ostbiografie dann letztlich scheitern könnte. Das finde ich kein Kriterium, ehrlich gesagt. Wenn Leute sich heute als Kandidat der Staatskanzlei handeln lassen, dann muss man sagen, dort gibt es offenbar eine politische Abhängigkeit. Wenn jemand in der DDR in einer Dissertation einen Schlenker hatte, der aus heutiger Sicht völlig unakzeptabel ist, dann ist diese Situation eine andere. Also, ich glaube, man sollte Frau Wille allein messen an ihrer Arbeitsleistung. Und sie hat wirklich Management-Erfahrung und sollte nicht an einer Ost-Biografie scheitern, schon gar nicht im Mitteldeutschen Rundfunk, der in so vielfacher Weise ja auch an positive Teile von Ostgeschichte anknüpft.

Also, ich halte dieses Argument, wir brauchen jemanden aus dem Westen, der aufräumt, weil es im Osten passiert ist, halte ich nicht für tauglich und umgekehrt auch nicht. Es muss an der Qualifikation festgemacht werden. Frau Karola Wille muss nicht deswegen gewählt werden, weil sie aus dem MDR ist oder weil sie aus dem Osten ist. Das ist kein taugliches Kriterium.

[8:09]
Jörg Wagner: Bleiben wir doch mal kurz bei dem tatsächlichen Kriterium. Man beobachtet in letzter Zeit, dass Menschen mit betriebswirtschaftlicher Erfahrung wie Peter Boudgoust und Lutz Marmor Intendanten wurden …

Jobst Plog: Sie haben vollkommen recht, die Tendenz sozusagen unter den Betriebswirten zu suchen, also eher ein Managementprofil zu finden, ist sicherlich erkennbar. Und das ist ja auch verständlich auf der einen Seite. Denn wissen Sie, wenn Sie sich mal das Zeitungsgeschäft ansehen, es kommt ja eigentlich niemand auf den Gedanken, einen Chefredakteur zum Geschäftsführer eines Verlages zu wählen. Das ist mir nicht bekannt, dass es diesen Fall überhaupt gegeben hätte, weil es einen Wechsel aus einer journalistischen in eine Managementlaufbahn wäre. Also, das ist sicherlich ein ungewöhnlicher Fall.

Auf der anderen Seite, es reicht nicht Intendant zu sein, wenn man ein guter Betriebswirt ist. Es ist ein Kulturinstitut, jedenfalls nach meinem Verständnis und das braucht schon auch ein Profil, dass dort ein Manager ist mit einer Affinität zur Kultur, zu Kreativen, zu journalistischer Arbeit. Das auch. Es muss die Mischung sein. Sie können jedenfalls nicht einen Journalisten, der keine Managementerfahrung hat auf einen solchen Stuhl hieven. Sie können schon, aber dann sehen Sie, was dabei herauskommt.

Jörg Wagner: … meint Jobst Plog. Er ist der ehemalige NDR-Intendant und jetzt anwaltlich noch tätig, sowie in weiteren ehrenamtlichen Funktionen. Ich bedanke mich für diese Einschätzung außerhalb Deutschlands. Ich grüße Sie nach Frankreich und wünsche Ihnen noch einen guten Tag.

Jobst Plog: Ja, vielen Dank

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