„Politik und Theater – Darstellungskunst auf der politischen Bühne“

Eklat im Bundesrat inszenierte Empörung - "Ohne Theater keine Nachricht."
Eklat im Bundesrat inszenierte Empörung – „Ohne Theater keine Nachricht.“

Was: Collage Eklat im Bundesrat
Wer:
* Klaus Wowereit, Bundesratspräsident
* Roland Koch, Ministerpräsident Hessen
* Peter Müller, Ministerpräsident Saarland
Wo:
* Bundesrat, Berlin
* Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
Wann: 22.03.2002/24.03.2002

Peter Müller
Peter Müller

Was: Vortrag: „Politik und Theater – Darstellungskunst auf der politischen Bühne“
Wer: Peter Müller, Ministerpräsident Saarland
Wo: Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken
Wann: 24.03.2002

Vgl.: Interview mit Prof. Christian Schicha, #r1MM 21.11.2015

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[00:00]
Wenn ein Politiker eingeladen wird über dieses Thema nachzudenken, hier im Theater nachzudenken, dann geht es ja wohl nicht um das Thema, wie die Politik im Theater dargestellt wird. Das wäre für einen Politiker auch ein wenig ersprießliches Thema. Wir haben ja ein Beispiel eben gehört. Die Darstellung, die wechselt vom blutrünstigen Tyrannen über den hinterhältigen Intriganten bis zum phrasendreschenden Volltrottel. Nach dem Grundsatz: zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen (Heiterkeit, Beifall).

[00:45]
Darüber zu räsonieren, sollte anderen überlassen bleiben. Es geht dann wohl eher um das Thema der Theatralisierung der Politik als einer möglicherweise zwingenden Konsequenz unserer Medien- und Inszenierungsgesellschaft, in der wir gemeinsam leben. Es geht um die Frage: degeneriert die Politik nicht zur Inszenierung? Und lieber Intendant, in Anknüpfung an das, was sie zum Eingang sagen, möchte ich sagen, wenn natürlich schon vor Monaten an mich die Anfrage gerichtet wurde, ob ich ausgerechnet heute zu diesem Thema rede, dann dokumentiert dies vor dem Hintergrund der Ereignisse von am Freitag im Deutschen Bundesrat ein erhebliches Maß an prophetischer Gabe (Heiterkeit). Das ist der ideale Tag für dieses Thema (Beifall).

[01:51]
Politik als Staatsschauspiel – war das nicht am Freitag so? Naja. Der Freitag hat vielleicht auch Unterschiede gezeigt zwischen dem Theater und der Politik. Am Freitag gab es mindestens zwei Drehbücher. Nicht eines. Und vielleicht besteht Politik manchmal auch in der Auseinandersetzung darüber, welches Drehbuch sich am Ende dann durchsetzt und nach welchem Drehbuch verfahren wird. Und es gibt ein zweites. Am Ende der Vorstellung im Theater steht der Denkanstoß, steht die Reflexion, steht die Emotion. Am Ende der Vorstellungen in der Politik steht ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, eine Entscheidung: mehr Geld oder weniger Geld für die Kultur, für die Bildung, für die Polizei, für den Bergbau. Also, die Unmittelbarkeit der Veränderung der Wirklichkeit ist möglicherweise in der Politik etwas höher als im Theater, möglicherweise manchmal dann auch weniger nachhaltig.

[03:07]
Politik – das ist also doch schon etwas anderes als Theater, aber trotzdem erhebt sich die Frage, wird in der Politik nicht Theater gespielt, oft Theater gespielt, viel Theater gespielt? Dominiert die Inszenierung nicht den Inhalt? Geht es nicht um vorgetäuschte Wirklichkeit, statt Realität, da die Realität häufig nicht medien- und damit auch nicht wählerwirksam ist? Stimmt das, was Carl Hegemann in dem Schlingensief-Projekt „Die Theatralisierung der Politik oder die Chance des Scheiterns“ gesagt hat? Ich zitiere: „Kunst und Politik sind beides Produktionen von Illusionen, an die man glaubt.“ Deshalb will ich ein paar Sätze sagen, bevor wir in den Dialog kommen zu der Frage: sind Politiker Schauspieler und zu der Frage ist Politik Theater, gilt auch für die Politik der Grundsatz „All business is showbusiness“?

Ich gehe dabei aus, von einer Grundthese. Diese Grundthese heißt: Politik steht vor einer doppelten Herausforderung. Politik steht vor der Herausforderung auf der einen Seite, die Wirklichkeit nach den eigenen Überzeugungen zu gestalten, die Wirklichkeit nachdem zu gestalten, was man selbst subjektiv als die Wahrheit, als das Richtige zu erkennen glaubt. Politik steht aber auch vor der Herausforderung: um diese Gestaltung durchführen zu können, Mehrheiten im demokratischen Prozess zu erringen oder zu erhalten. Und beide Herausforderungen sind nicht zwingend korrelierend, sie können auch einander widersprechen. Es kann ein Spannungsverhältnis entstehen, verkürzt gesagt: ein Spannungsverhältnis zwischen Wahrheit und Mehrheit.

[05:11]
Politik hat deshalb, wenn sie es positiv formulieren wollen, das Ziel der Versöhnung von Wahrheit, mit dem, was man subjektiv als Wahrheit erachtet, und Mehrheit. Politik hat das Ziel, die Mehrheit von der subjektiven Wahrheit zu überzeugen. Um dieses zu erreichen, braucht sie Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit wird auch durch theatralische Darstellung erreicht. Sie können es auch negativ ausdrücken: Politik steht möglicherweise manchmal vor der Herausforderung, auf die Dokumentation von Wahrheit zu verzichten, um Mehrheit nicht zu gefährden. Und die Frage ist, ob und inwieweit ist dabei die Inszenierung von Politik, das Theater in der Politik, legitimes Mittel? Also, erste Frage: sind Politiker Schauspieler? Antwort: ja. Natürlich sind Politiker Schauspieler und diese Feststellung beinhaltet kein Werturteil, denn die Tatsache, dass Politiker Schauspieler sind, sie kann positiv und negativ zugleich sein. Sie ist so lange positiv, wie es dem Politiker wie einem Schauspieler darum geht, Kontakt aufzunehmen zu seinem Publikum, den Wählerinnen und Wählern, um die Wünsche des Publikums zu erkennen und sich mit ihnen auseinander zusetzen. Politik hat die Aufgabe, wie Martin Luther es gesagt hat, dem Volk aufs Maul zu schauen.

[06:50]
Negativ wird diese Fähigkeit oder diese Forderung, sich auf das Publikum einzulassen eigentlich erst in dem Moment, in dem der Politiker schauspielerische Elemente einsetzt, um von seinen Inhalten, um von seinen Überzeugungen abzulenken. Negativ wird die schauspielerische Tätigkeit des Politikers dann, wenn er jedem zum Gefallen sein will, ohne deutlich zu machen, wofür er wirklich einsteht. So richtig der Satz ist, dass Politik die Aufgabe hat, dem Volk aufs Maul zu schauen, so schlimm wäre es, wenn der Politiker seine Rolle darin sehen würde, dem Volk immer und überall nach dem Munde zu reden. Und es gibt natürlich auch da entscheidende Unterschiede zwischen Schauspielern und Politikern. Schauspieler spielen ihre Rolle. Politiker leben ihre Rolle. Wenn der Schauspieler von der Bühne abtritt, ist die Rolle zu Ende. Dann kann sich der Bösewicht in den liebenden Familienvater zurück verwandeln. Rollendistanz ist für den Schauspieler zwingend erforderlich. [Ein] Politiker tritt nicht von der Bühne ab. Die Vorstellung endet nicht. Er kann sich das gleiche Maß an Rollendistanz nicht leisten.

[08:31]
Ich glaube, dass Politiker dem, was die Soziologie den Basistyp nennt, nahe bleiben muss, wenn er dauerhaft glaubwürdig bleiben will. Der Basistyp, der authentische Mensch in seinen typischen Merkmalen, in seinem typischen Kern, der darf nicht verloren gehen, sonst geht Glaubwürdigkeit verloren. Gleichzeitig muss der Politiker aber auch in seinem Markt bestehen. Das ist der Wählermarkt, in dem er bestrebt ist, seine Marktanteile zu halten und auszubauen. Und damit bewegt der Politiker sich auf einem schmalen Grat, auf dem Grat auf der einen Seite sich selber treu zu bleiben und auf der anderen Seite, andere von sich zu überzeugen. Und natürlich kennt der Politiker, wenn er sich zu seinem Publikum begibt die Erwartungshaltung des Publikums. Und natürlich weiß er, dass die Chance auf eine positive Resonanz zu dem, was er sagt dann am höchsten ist, wenn er das sagt, was die Menschen, die vor ihm stehen, sitzen und ihm zu hören, wenn er das sagt, was diese Menschen hören wollen. Und deshalb ist die Versuchung mit Blick auf die Erweiterung der Marktanteile relativ hoch, das zu sagen, wovon man weiß, das es gehört werden will. Das ist unterschiedlich.

[10:05]
Es macht halt einen Unterschied, ob sie vor der Arbeitsloseninitiative oder vor dem Lions Club sprechen. Es macht einen Unterschied, ob sie vor den Arbeitgebern oder ob sie vor den Arbeitnehmern sprechen. Es macht einen Unterschied, ob sie vor der Bauernschaft oder dem Naturschutzbund reden. Also: Jedem das Seine? Das wäre reines Schauspiel, wenn Politiker so verfahren. Wenn sie nicht so verfahren, haben sie das Risiko, dass sie alle enttäuschen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das mich ganz persönlich betrifft. Wenn sie als Politiker das sagen, was sie denken, kann es Ihnen passieren, dass sie von allen ausgepfiffen werden. Beispiel: wir haben die Debatte um die Zukunft des Bergbaus in unserem Land. Da gibt es die Bergleute, die sagen Bergbau war und ist und soll immer bleiben und das ist verständlich, denn es ist ihre Existenzgrundlage und damit ernähren sie ihre Familien. Und dann haben sie die Bergbau-Betroffenen, die sagen der Bergbau führt dazu, dass mein mühsam erworbenes Eigentum bedroht wird, dass mein Haus schwere Schäden hinnimmt, möglicherweise zusammenkracht. Das muss morgen enden! Wenn Sie dann sagen, wir wollen die Veranstaltung beenden, aber sozialverträglich, ohne betriebsbedingte Kündigungen, ohne Menschen ihre Arbeit wegzunehmen, wenn es keine andere Beschäftigungsmöglichkeit gibt, dann passiert Ihnen, dass was mir passiert. Wenn ich mit dieser Aussage zu den Barbarafeiern fahre, werde ich ausgepfiffen, weil mir wurde die Bergleute sagen: du hast kein Herz für die Bergleute. Und wenn ich mit der gleichen Aussage zur Lichterdemonstration auf der Brücke in Nalbach fahre, werde ich auch ausgepfiffen, weil mir dort die Bergbau-Betroffenen sagen: du hast kein Herz für uns, die wir vom Bergbau in besonders schwieriger und harter Weise betroffen werden, wenn du diese Veranstaltung noch fortführen willst.

[12:12]
Es gibt eine Lösung. Das ist relativ einfach. Je abstrakter sie ihre Antwort formulieren, umso höher ist die Möglichkeit, dass jeder sich in dieser Antwort wieder finden kann (Heiterkeit). Die Formulierung von der „Sozialverträglichkeit der Lösung im Interesse aller Betroffener“ ist völlig unproblematisch und ermöglicht ihnen auf beiden Seiten Beifall zu erreichen. Aber irgendwann kommt der Praxistest, kommt der Tauglichkeitstest und dann wird sich zeigen, dass die Antwort, die man gegeben hat, niemanden befriedigt, in der Sache kein Problem gelöst und dann ist wieder mal ein Beitrag zur Politikverdrossenheit geleistet. Ich glaube, dass der Verzicht auf die Markierung dessen, was man als wahr erkannt zu haben glaubt im Interesse der Erhaltung bestehender oder vermeintlicher Mehrheiten ein wesentlicher Quell für den Glaubwürdigkeitsverlust der Politik und für die Entstehung von Politikerverdrossenheit ist. Und vielleicht unterscheidet sich ja gute und schlechte Politik an der Frage, wie stark jemand in der Lage ist, auch im politischen Handeln sich zu seinem eigenen Basistyp zu bekennen. Vielleicht unterscheidet sich gute und schlechte Politik an der Frage der Authentizität.

[13:43]
Sie müssen zwei Dinge vermeiden. Auf der einen Seite dürfen sie nicht zum selbstgerechten, unnahbaren Politiker werden, der arrogant glaubt im Besitz der Wahrheit zu sein und nicht diskursfähig ist. Auf der anderen Seite müssen sie aber auch die Tendenz zum zynischen Populismus unterdrücken, die sehr schnell entstehen kann und die möglicherweise kurzfristig sogar zu Wahlerfolgen führt. Deshalb glaube ich, dass es nicht generell negativ ist, wenn Politik auch wie gutes Schauspiel sich auf das Publikum einlässt, sich mit dem Publikum auseinandersetzt. Nur wenn das Schauspiel zum Selbstzweck und zum Ablenkungsmanöver wird, ist der schauspielernde Politiker ein Beitrag zum Niedergang der politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland.

[11:44]
Und damit komme ich zur zweiten Frage: Ist Politik Theater? Antwort: ja. Politik ist Theater. Aber auch da sage ich – und das ist weder gut noch schlecht – das ist gut, solange das politische Theater ein Beitrag dazu ist, Aufmerksamkeit zu erreichen für die vertretenen Inhalte und die vertretenen Konzepte. Es ist schlecht, wenn dadurch von den vertretenen Inhalten und den Konzepten abgelenkt werden soll. Ohne Theater werden Sie keine erfolgreiche Politik in dieser Gesellschaft gestalten können. Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft. Und diese Kommunikationsgesellschaft folgt klaren Kategorien. Ich will sie zitieren, so wie sie der Kommunikationsphilosoph Vilém Flusser formuliert hat. Erster Kategorie. Erster Hauptsatz: „Wer nicht kommuniziert wird, ist nicht, und je mehr es kommuniziert wird, desto mehr ist es.“

[eigentlich: „Was nicht kommuniziert wird, ist nicht, und je mehr es kommuniziert wird, desto mehr ist es.“[1]]

Zweiter Hauptsatz: „Alles, was kommuniziert wird, ist etwas wert, und je mehr es kommuniziert wird, desto wertvoller ist es.“

[eigentlich: „Alles, was kommuniziert wird, ist etwas wert, und je mehr es kommuniziert wird, desto wertvoller wird es.“[2]]

Und Dritter Hauptsatz, problematisch: „Wer kommunizieren will, darf wenig informieren.“

Klaus Wowreit, Regierender Bürgermeister Berlin, Bundesratspräsident
Klaus Wowreit, Regierender Bürgermeister Berlin, Bundesratspräsident

[16:33]
Wenn das so ist, wenn es richtig ist, dass sie in dieser Gesellschaft – und das ist so – auf Kommunikation angewiesen sind, dann müssen sie natürlich auf Mittel zurückgreifen, die zu Kommunikation führen. Dann müssen sie Nachrichten produzieren. Und ohne Theater keine Nachricht. Und je mehr Theater, umso größer die Chance, dass eine Nachricht entsteht. Dazu kommt der Lehrsatz, den man beurteilen kann wie man will: „Only bad news are good news“ – je negativer das Theater ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass es öffentliche Aufmerksamkeit erfährt. Das müssen Sie wissen. Und damit müssen sie umgehen. Und deshalb ist das klar, dass Politik auch Inszenierung entwickelt: Deshalb ist es klar, dass sie mit Blick auf Ereignisse Drehbücher schreiben. Also um auf den Freitag im Bundesrat zurückzukommen, natürlich haben wir – wir sind in dem Fall die meiner Partei angehörigen Ministerpräsidenten – in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zusammengesessen. Und natürlich haben wir über die Frage geredet, was passiert morgen? Und eben nicht nur über die Frage geredet, was passiert morgen in der Sache, welche sachlichen Veränderungen können wir möglicherweise noch beim Zuwanderungsgesetz erreichen. Wir haben auch über die Frage geredet, was passiert bei der Abstimmung? Wie ist die Abstimmung zu werten? Was passiert, wenn bei einem bestimmten Abstimmungsverhalten eine bestimmte Reaktion des Bundespräsidenten … Bundestagspräsidenten eintritt [gemeint ist der Bundesratspräsident –JW].

Roland Koch, MP Hessen
Roland Koch, MP Hessen

[18:33]
Und sie wissen ja, es gab da … naja leichte Auseinandersetzungen, als vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Stimmabgabe eines einzelnen Bundeslandes, da sagte einer Ja und ein anderer Nein, dann der Bundestagspräsident nach mehrfachem Nachfragen erklärt hat, die Stimmen seien gültig als Ja zu werden und zwar alle und es gab dann, also in der Zeitung stand „Tumult“. Also, wenn das schon Tumult war, weiß ich nun auch wieder nicht. Also, von Tumult habe ich irgendwie andere Vorstellungen (Heiterkeit). Aber richtig ist, es gab ein Maß an Aufgeregtheit, das dem ehrwürdigen Gremium des Bundesrates, das ja bei seiner normalen Tätigkeit eher an die Muppet-Show erinnert, durchaus ungewöhnlich und unangemessen war.

Roland Koch, MP Hessen
Roland Koch, MP Hessen

[19:24]
Das war kein Zufall. Die dort geäußerte Empörung hinsichtlich der Feststellung des Bundestagspräsidenten entstand nicht spontan (Lachen). Die Empörung haben wir verabredet (Lachen, Beifall). Und ich sage: das war Theater, aber es war legitimes Theater. Warum war es legitim? Weil die dort zum Ausdruck gebrachte Empörung einen ehrlichen Hintergrund hatte. Als wir hörten, allerdings in der Nacht vorher, dass die Absicht besteht, eine Entscheidung für gültig zu erklären, obwohl derjenige, der dieses zu tun hat, damit eindeutig gegen den Wortlaut der Verfassung verstößt, obwohl er selbst zwei Tage vorher noch erklärte, ich werde die Stimmen als ungültig bewerten, obwohl seine eigene Verwaltung ihm in einem Rechtsgutachten eindeutig dargelegt hatte, dass die Stimmen ungültig sind, als wir hörten, dass er trotzdem aus Gründen, die Sie kennen, die Stimmen als gültige Stimmen werten will, gab es Empörung. Da war ehrliche Empörung. Diese Empörung muss mitgeteilt werden. Die war in einem kleinen Zimmerchen in einer großen Parteizentrale. Da war kein Journalist dabei. Also müssen sie diese Empörung dokumentieren. Das haben wir dann gemacht (Lachen).

[21:15]
Da kann man natürlich sagen, das ist Theater. Ja das ist Theater. Aber es ist ein Theater, das in einer Kommunikationsgesellschaft unverzichtbar ist, um auf Sachverhalte hinzuweisen und die notwendige Aufmerksamkeit für diese Sachverhalte zu gestalten. Deshalb wird Politik auch in Zukunft etwas mit Theater zu tun haben. Und ich denke, solange dies getragen ist durch die dahinter stehenden Inhalte ist dies auch nicht zu beanstanden. Zu beanstanden ist es dann, wenn dies zur Ablenkungsmaschinerie wird. Wenn Inszenierungen durchgeführt werden, um von anderen oder vielleicht sogar von fehlenden Inhalten, von fehlenden Konzepten abzulenken. Da ist dann notwendig, dass kritische Rückbindung erfolgt, heißt da notwendig, dass zurück gefragt wird, ob hier nicht der Versuch der Manipulation gemacht wird. Und möglicherweise kann diese Rückfrage die Politik selber nicht leisten. Da sind dann möglicherweise andere Institutionen anderer Einrichtungen gefordert, dieses zu tun: gesellschaftliche Gruppierungen, Medien und am Ende die wichtigsten Rezipienten der Politik nämlich die Wählerinnen und Wähler. Das mag nicht immer und das mag nicht optimal funktionieren, aber ich bin an der Stelle einigermaßen optimistisch, selbst optimal inszeniertes politisches Theater wird auf die Dauer vernünftige Inhalte nicht ersetzen können. Dessen sollte sich die Politik bewusst sein. Auch in der Politik gilt und daran sollte man denken, wenn die Politik Theater veranstaltet – und damit möchte ich schließen – auf Dauer können sie sogar in der Politik eine Schlaftablette nicht als Vitamin-Tablette verkaufen. Vielen Dank!

(Beifall)

[1] Flusser, Vilém, Die Revolution der Bilder. Flusser-Reader zu Kommunikation, Medien und Design, Mannheim, 1995, S. 8
[2] ebenda

(Screenshots: DasErste, ARD | Das Foto zeigt Peter Müller 2006. © Alexander Kowalski – http://www.photo-universe.net CC BY-SA 2.5)








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