Vom Lobbyisten zum Kontrolleur: Dr. Tobias Schmid

Tobias Schmid | Foto: © Jörg Wagner

Wer: Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL Deutschland, Vizepräsident bei der RTL Group, Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) und zukünftiger Direktor der Landesanstalt für Medien, NRW
Was: Telefoninterview zur Direktorenwahl am 24.06.2016
Wann: 25.06.2016, 18:20 Uhr im radioeins-Medienmagazin und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio 26.06.2016, 10:44/15:24 Uhr



(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[0:04]

Jörg Wagner: radioeins mit dem Medienmagazin. LfM heißt nicht nur laufender Meter, sondern auch Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen. Sie kontrolliert – wie in unserem Sendegebiet die Medienanstalt Berlin-Brandenburg den Privaten Rundfunk. Während man hier in Berlin-Brandenburg den Direktor Hans Hege offiziell in den Ruhestand schickte und ihn danach noch über ein Jahr im Amt beließ, weil es keine Einigkeit über eine Nachfolgerin oder Nachfolger gab, ist man in Nordrhein-Westfalen relativ zügig und offenbar ohne Widerspruch für den scheidenden Direktor Dr. Jürgen Brautmeier auf den Nachfolger gestoßen. Das wäre möglicherweise für das Medienmagazin einer Landesrundfunkanstalt in Berlin-Brandenburg nur eine Erwähnung wert. Weil auch die Neue der MABB, Anja Zimmer, sie stammt aus NRW, sie war dort u. a. Referentin an der LfM – gibt es also so eine kleine Verbindung zwischen Berlin und Düsseldorf. Aber die Nachfolge für den LfM-Direktor hat es auch über NRW hinaus verdient, mehr als nur Erwähnung zu finden. Denn der neue Direktor, gewählt gestern Nachmittag ist der uns aus diversen Interviews und Diskussionsausschnitten bekannte Chef des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e.V. und Jurist und Medienpolitker bei RTL: Dr. Tobias Schmid. Ich grüße Sie!

Dr. Tobias Schmid: Ich grüße Sie! Guten Abend!

[1:22]

Jörg Wagner: Ja, nun ist es ja so … Herzlich Glückwunsch erst einmal auch von dieser Seite: Willkommen im Klub der Menschen, die aus Rundfunkbeitragsmittel finanziert werden!

Dr. Tobias Schmid: Jede Entscheidung hat auch ihre skurrilen Elemente, ja.

[1:33]

Jörg Wagner: Als Sie den Wunsch verwarfen, Feuerwehrmann zu werden oder Pilot, an welcher Stelle war da noch “Direktor der LfM” werden zu wollen?

[1:41]

Dr. Tobias Schmid: Ja, das ist eine schöne Frage. Also, den aktiven Wunsch Direktor der Landesmedienanstalt zu werden, hatte ich gar nicht aus mir selbst heraus, sondern man hat mich freundlicherweise vor geraumer Zeit mal gefragt, ob mich das interessieren würde. Und das fiel wahrscheinlich deswegen auf fruchtbaren Boden und hat sich dann so langsam durch mich hindurch geknabbert, weil ich … weil ich die Frage, wie man Medienregulierung konstruktiv und zukunftsorientiert ausrichten kann, sowieso schon von Berufs wegen interessant finde und weil ich, dadurch dass ich in relativ vielen europäischen Ländern den Job mache, den ich mache für RTL und verschiedene Regulierungssysteme auch kennenlerne, vor allem eines sehr schätzen gelernt habe und das ist das System in Großbritannien. Die dortige Regulierungsbehörde, die hat den schönen Namen OfCom. Das ist die Abkürzung für Office of Communication. Die Ofcom gilt als eine der Medienaufsichtsbehörden in Europa mit besonders hoher Reputation. Und da ist es ganz interessant … und da bin ich zum ersten Mal darauf gestoßen: die Ofcom rekrutiert ihr Personal auch in leitender Funktion durchaus auch aus den anderen Systemteilen. D.h., in Großbritannien ist es durchaus üblich, dass man zwischen kommerziellem Rundfunk, öffentlich-rechtlichem Rundfunk und der Medienaufsicht hin und her wechselt. Und das führt zu einem sehr, wie soll ich sagen, einem sehr sachorientierten Stil untereinander. Und da hatte ich, das ist schon Jahre her, da habe ich zum ersten Mal gedacht, das ist doch eigentlich gar keine so schlechte Idee. Und hatte das dann verworfen. Das erschien mir auch für die Bundesrepublik bis auf weiteres unwahrscheinlich. Und als ich jetzt vor ein paar Monaten angesprochen worden bin, da .. da muss das irgendwo auf diesen fruchtbaren Quadratmillimeter gefallen sein in meinem Gehirn. Und dann hat sich das so ein bisschen bei mir festgesetzt. Und am Ende dachte ich dann, naja, das ist doch vielleicht eine ganz spannende Aufgabe.

[3:31]

Jörg Wagner: Gibt es eigentlich im Englischen so einen Spruch „den Bock zum Gärtner machen“?

Dr. Tobias Schmid: (lacht) Nicht, dass ich wüsste.

[3:39]

Jörg Wagner: Aber, im Deutschen gibt es das. Und dieser Vorwurf kam natürlich prompt, als man von dieser Kandidatur hörte zumindest. Wie bekommen Sie denn Ihre rechte und linke Gehirnhälfte nun zukünftig unter Kontrolle? Also, sprich: wie kontrollieren Sie ihre mögliche Sympathie für RTL und Co. bei der rationalen, strengen und schonungslosen Kontrolle des Privatfunks?

[4:01]

Dr. Tobias Schmid: Also, wie Sie ja eingangs erwähnt haben, durfte ich ja jetzt vier Jahre lang einem Verband vorstehen mit 150 Mitgliedsunternehmen, deren Interessen traditionell extrem divergierend sind. Insofern konnte ich mein Gehirn schon ein bisschen darauf trainieren, dass ich mich um mehr als eine Perspektive kümmern muss. Für die Frage, die Sie haben, gibt es für mich zwei Antworten, eine ganz praktische, nämlich wie macht man das ganz einfach? Natürlich muss ich das so machen, dass ich vor allem in der Anfangszeit diesen Konflikt nicht annehme. Und das geht auch. Die Landesmedienanstalten, von denen es ja ziemlich viele gibt, fällen zum Beispiel Entscheidungen über Beanstandungen im Bereich Werbung oder Jugendschutz, also in den klassischen Aufsichtsfällen, nicht alleine, sondern immer als Gremien-Entscheidung. D.h., es gibt Fachausschüsse, in denen sitzen mehrere Direktoren und die fällen dann die Entscheidung, dass der Sender A oder der Sender B einen Verstoß begangen hat. So dass die Vorstellung, dass die in Berlin ansässige Anstalt, also die MABB dann auch tatsächlich die Berliner Sender allein beaufsichtigt, nicht mehr ganz die Realität abbildet. Das hat man längst in solche Kollektivorgane gesetzt. Insofern ist die Durchgriffsmöglichkeit geringer. Und – und davon werde ich dann sicherlich auch Gebrauch machen, wenn es zu Fällen kommt, die zum Beispiel den Sender RTL betreffen – man kann sich in diesen Fachausschüssen auch vertreten lassen. Und da würde ich vermutlich in der ersten Zeit dann ein bisschen darauf achten. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass es einen glücklichen Zufall gibt. Nämlich der Hauptsender unserer Gruppe, die RTL Television GmbH selbst ist gar nicht in Nordrhein-Westfalen lizenziert, wie man glauben könnte, sondern in Niedersachsen. Insofern bin ich für den Sender im ordinären gar nicht zuständig. Das ist sozusagen die praktische …

[5:39]

Jörg Wagner: Aber ich darf Sie kurz korrigieren oder ergänzen. Vox, super RTL, toggo plus usw., das sind natürlich schon RTL-Derivate, die auch in Düsseldorf kontrolliert werden.

[5:48]

Dr. Tobias Schmid: Genau. In Düsseldorf sind die Lizenzen für die drei Sender: toggo plus, super RTL – das ist der Kindersender, der allerdings keine hundertprozentige Mediengruppen-RTL-Firma ist – und Vox als größter Sender. Ja. Und in diesen Fällen gilt das, was ich eben gesagt habe. Also, ich finde, das gebietet dann schon auch der Anstand und der Stil, dass man sagt, in diesen Fällen lässt man sich in der Übergangszeit vertreten. In diesen Fällen lässt man auch innerhalb der Behörde möglicherweise jemand anderen drauf gucken als man selbst. Es gibt eine stellvertretende Direktoren und Justiziarin, die diese Dinge schon seit Jahren bearbeitet und ich glaube, da ist das dann besser aufgehoben. Ich selbst habe auch kein Interesse an so einem Konfliktszenario.

[6:25]

Jörg Wagner: Das hat man schon gespürt am 09.04.2011, als Sie … da war die Supper Nanny so ein bisschen unter starkem Verdacht, Gewalt ungefiltert über den Bildschirm zu lassen. Sie erinnern sich an diese Diskussion oder auch bei den Nachmittagstalkshows … und da sagten Sie uns damals:

[6:44]

O-Ton:

“Wenn es wirklich um die Sache geht, hat sich immer bewährt, dass man versucht auf einem etwas weniger emotionalen Grund sich untereinander auszutauschen und zu gucken, ob man dort dann einen common sense, einen gemeinsamen Weg findet.”

[6:56]

Jörg Wagner: Ja, also auch schon damals so … sind Sie harmoniesüchtig?

Dr. Tobias Schmid: Nö, ich bin nicht harmoniesüchtig, aber ich bin, ich bin … ich bringe anderen Meinungen grundsätzlich den Respekt entgegen, dass es einen guten Grund dafür geben wird, diese Meinung zu haben. Und ich glaube, wenn man sich die Gründe aus den unterschiedlichen Perspektiven anhört und wenn man sich dann gemeinschaftlich überlegt, was trennt und was eint einen in der Perspektive, dass sich dann die meisten Probleme konstruktiv lösen lassen. Gerade in der Ordnungspolitik ist das doch klassischer Weise so, es stellt doch gar niemand infrage, dass Jugendschutz, Schutz der Menschenwürde, Schutz der Vielfalt, Schutz der Verbraucher wesentliche Güter sind. Und ich finde, das ist … wenn man darüber einen Grundkonsens hat, dann lassen sich in aller Regel die Frage, wie erreicht man das am sinnvollsten, lassen sich gemeinsam lösen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man im Dialogischen auch sehr viele der Fälle im Vorhinein lösen kann und dass es somit gar nicht erst zum Konflikt kommt. Also jetzt …

[7:49]

Jörg Wagner: Es gibt ja jetzt das schöne neue Medienschiedsgericht in Leipzig. Da könnte man so etwas hin delegieren. Aber vielleicht noch einmal ganz kurz die Frage, Sie haben ja jetzt die Macht ab Oktober … kann das sein? Ja? Ab Oktober?

Dr. Tobias Schmid: Ja, ich fange erst ab Jahreswechsel an. Theoretisch wäre das ab Oktober.

[8:03]

Jörg Wagner: Genau, also gibt es eine kleine Karenzzeit. Sie haben aber jetzt die Macht zu gestalten, die Ihnen aus der Oppostionsrolle als Cheflobbyist von RTL und VPRT versagt geblieben ist. Wie nutzen Sie nun Ihre neue Macht? Vielleicht in 30 Sekunden.

[8:18]

Dr. Tobias Schmid: Das Hauptziel ist, glaube ich, dass wir als Medienaufsicht uns konstruktiv und sozusagen mit Fernlicht an der Diskussion beteiligen. Ich hatte das gestern bei der Vorstellung gesagt, ich glaube, wir müssen ein bisschen vom Abblendlicht aufs Fernlicht umstellen, ein bisschen die Perspektive erweitern und mein Hauptpunkt wird sein, wie können wir eine konvergente Medienrealität durch eine konvergente Regulierung abbilden? Also, ich glaube, wir müssen uns bei der Medienaufsicht an den Inhalten und an den daraus resultierenden Gefahren für Jugend, für Menschenwürde, für Vielfalt orientieren und nicht daran, von welcher Art Unternehmen das kommt. Für mich macht das keinen Unterschied, ob das ein Fernsehsender oder ein Online-Anbieter ist. Wenn wir das gesamtheitlich betrachten, dann glaube ich, kommen wir auch wieder zu einer ausbalancierten und einigermaßen realitätsnahen Regulierung. Das wäre jedenfalls mein Ziel.

[9:05]

Jörg Wagner: … meint zumindest Dr. Tobias Schmid, er ist der neue Direktor der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen. Dann wünsche ich Ihnen ein glückliches Händchen. Vielen Dank.

Dr. Tobias Schmid: Dankeschön.

Jörg Wagner: Tschüss.

Dr. Tobias Schmid: Vielen Dank. Schönen Abend.








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