Johannes Beermann: 3sat, Deutsche Welle auf den Prüfstand – ohne Denkverbote offen diskutieren

Johannes Beermann | Foto: © Daniel Fiene

Wer:
* Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Studiogespräch zur Rundfunkbeitragsdiskussion
Wo: Potsdam-Babelsberg, Medienstadt, Sendestudio radioeins
Wann: 30.10.2010, ca. 18:10 Uhr, radioeins-Medienmagazin und in einer gekürzten Fassung am 31.10.2010 im rbb Inforadio ab 08:44 Uhr im rbb Inforadio alle 5h

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

(…)

Jörg Wagner: Aber jetzt kommen genau Sie ins Spiel, in dem Sie nämlich sagen, wir in Sachsen, wir haben eine Arbeitsgruppe, wir gucken einmal ganz genau hin, ob tatsächlich der Beitrag stabil bleibt, dass hier für alle Bürger garantiert ist, dass die 17,98 Euro, die es jetzt ja kostet, nicht überschritten werden. Und Sie haben einen Zwischenbericht abgeliefert beim Ministerpräsidententreffen. Was haben Sie dort reingeschrieben?

Dr. Johannes Beermann: Wir haben mit dem Zwischenbericht mal den Diskussionsstand der Arbeitsgruppe dargestellt. Das heißt, was haben wir mal so insgesamt gemacht? Und haben gesagt, was wir uns angeschaut haben. Das war zum einen mal der Auftragsbegriff vom Paragraph 11 des Rundfunkstaatsvertrages. Etwas ganz trockenes. Haben geguckt, ob wir also im Vergleich mit anderen Ländern auch für den Bereich Telemedien so das Richtige beschlossen haben.

Wir haben mal geguckt, wie insgesamt wir im europäischen Vergleich liegen. Also, ich darf an Großbritannien erinnern, wo in diesen Tagen die BBC die Auflage bekommen hat bis 2016 – die Gebühr bei 160 € liegt die etwa – stabil zu halten. Wir haben uns mal angesehen, wie Umfang und Auswahl der beauftragten Fernsehprogramme, die es im Moment gibt, wie die also da sind, ob man die möglicherweise alle braucht, ob man darüber nicht diskutieren kann.

Wir haben ganz technische Ansätze gemacht, wenn ich das noch sagen darf, das heißt also, die Frage, wie man Simulcast-Phasen, Mehrfachabdeckungen reduziert. Ob wir die technischen Details, die in den Rundfunkstaatsverträgen beauftragt werden, also das, was an Qualität da ist, HDTV zum Beispiel, ob das also alles erforderlich ist.

Und haben festgestellt, dass wir sehr, sehr viel Gesprächsbedarf haben. Und deswegen haben die Ministerpräsidenten gesagt, okay wir geben euch Zeit bis 2014. Und im Jahr 2014 legt ihr einen Bericht vor und wir, die Ministerpräsidenten, wir Länder verpflichten uns auf der Grundlage dieses Berichtes den Aufgabenbestand der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dann mal neu zu verhandeln und festzulegen.

(…)

Jörg Wagner: ‚3sat ist überflüssig, jetzt, wo das ZDF einen eigenen Kulturkanal hat, wo die ARD einsfestival hat! Wozu brauchen wir dann noch 3sat?‘ – Ist das so eine Überlegung, die zum Beispiel in Ihrem Zwischenbericht drin steht?

Dr. Johannes Beermann: Sie haben genau den Punkt der Diskussion, als ob Sie mit am Tisch gesessen wären, Herr Wagner, haben Sie genau auch mit den Beispielen getroffen. Wir haben eine ganze Reihe von Kultursendern und müssen uns fragen, ob diese Kultursender, die teilweise im Digitalbereich damals unter ganz anderen Gesichtspunkten – wir sind in der Digitalisierung noch nicht so weit, wie wir es uns vorgestellt haben. Auch da haben verschiedene Krisen in der Welt zugeschlagen – ob wir die alle brauchen.

Insbesondere, wenn wir also als Gebühren- oder künftige Abgabenzahler ja ZDF und ARD gemeinsam aus unserer Tasche bezahlen, ob das gerechtfertigt ist, dass die beiden sich als Konkurrenten verstehen. Denn da denke ich mir, ist Kooperation möglich. Das muss durchaus diskutiert werden, haben wir auch diskutiert.

Wir haben darüber hinaus oder ich habe darüber hinaus die Vorstellung, dass wir noch einmal ganz grundlegender andere Kanäle diskutieren. Zum Beispiel die Frage, was ist mit der Deutschen Welle und dem Deutschlandradio? Da sind zwei Sender bei Deutschlandradio, die also aktiv betrieben werden. Wir haben weitere Sender, Deutschlandradio Wissen ist da also im Schwange. Wir haben mit der Deutschen Welle einen kompletten Auslandsrundfunk. Macht es nicht Sinn, dort Synergie-Effekte herbeizuführen, die beiden zusammenzuführen? Also eine Idee, die ich in den letzten Wochen entwickelt habe. Auch da müssen wir uns einfach darüber unterhalten.

Es gibt viele interessante Dinge und ich denke ohne Denkverbote, ohne Diskussionsverbote und ohne Angst sollten wir das in einer offenen Gesellschaft offen diskutieren, um zu einer guten Lösung zu kommen, das heißt, dass der Gebührenzahler nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird.

Jörg Wagner: Das heißt, Sie haben nur Fragen gestellt, diskutiert, aber Sie sind noch nicht zu einer endgültigen Einschätzung gekommen, weil es gibt noch einen Abschlussbericht?

Dr. Johannes Beermann: Es wird einen Abschlussbericht geben. Denn, wie Sie uns in das letzte Mal in Ihrer Sendung geraten haben, haben wir dann auch mal mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesprochen und haben mit der KEF gesprochen und das, was Sie eingangs festgestellt haben, ist ein Eckpunkt. Das heißt, es weiß im Moment niemand, wie das Gebührenaufkommen sein wird und wie vor allem für den Privaten die Gebührenhöhe sein wird.

Und wir haben gesagt, jetzt warten wir einmal ab bis 2011, 2013, schauen wir dann mal, ob man in der Lage ist, die Einzelgebühr zu bestimmen und deswegen haben wir etwas Zeit. Wir müssen jetzt nicht an den Aufgabenbestand rangehen, sondern können in aller Ruhe die Diskussion eröffnen, können sie führen, können sie abwarten und werden dann 2014 unter den Ländern eine Entscheidung treffen, ob und wie wir den Aufgaben-Tatbestand verändern.

(…)






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9 thoughts on “Johannes Beermann: 3sat, Deutsche Welle auf den Prüfstand – ohne Denkverbote offen diskutieren

  1. Lassen Sie bitte die Finger von den Kultursendern, der noch greifenden Begründung für Gebührenzahlungen! Ich will anspruchsvolles Programm nicht nur nachts und auch nicht warten, bis alles im Internet zu jeder Zeit verfügbar ist. Lieber eine Vielzahl von Spartenkanälen (wie kika, 3sat, arte) als ein Vollprogramm, in dem ich Schauspielern bei der Arbeit auf Traumschiffen und exotischen Inseln zusehen kann, in deren Vorabendprogramm der geistigen Umnachtung Vorschub geleistet wird und wo Musik gespielt wird, die ich selbst nach meiner Beerdigung nicht hören möchte.

  2. @ Udo Seiwert-Fauti

    Der Umstand, den sie hier aufführen, ist für die Argumentation vollkommen unerheblich. Warum soll denn ein Gemeinschaftssender von drei Ländern mit deutsch-sprechender Bevölkerung nicht einen (Bundes)-deutschen Sender ersetzen können? Zumal man ja jede Menge Geld spart, wenn man mehr Leute „grundversorgt“.

    Was – bitte – ist sonst an meiner Argumentation nicht schlüssig?

    Fakt ist auch, das die ÖR trotz des vielen Geldes immer schlechter werden. Vielleicht gerade deswegen?

  3. Also da sieht man wieder mal wie wenig Ahnung Poltiker doch von Radio und TV haben, auch wenn Sie sich ja damit beschäftigen sollen….nur ein Hinweis:
    3 Sat ist KEIN deutscher Kultursender !
    Es ist ein Gemeinschaftssender des österreichischen ORF, des/der schweizerischen SRG/SF und eben auch von ARD und ZDF ! Und bevor hier einige urteilen, sollten sie sich wenigstens mal vorher informieren…ich meine z.B. Peter und Katharina ….von nix ne Ahnung, aber drauf….

  4. @ Katharina Dockhorn

    Was glauben sie denn, warum die Privaten irgendwo nicht Schlange stehen? Weil die ÖR mit ihren Zwangsgeld-Milliarden die Preise verderben, ganz einfach.

  5. Alles, was die ÖR bieten, kann ein freier Markt erheblich preisgünstiger und wirklich unabhängig liefern, wenn die Marktverzerrung durch diese Zwangsgelder endlich vom Tisch ist.
    In Italien – ausgerechnet in Italien – hat eine Zeitung, gedruckt auf Papier, riesigen Erfolg, weil sie Berlusconi-kritisch ist. Die Gehälter der Redakteure wurden erhöht.
    Was Beermann da von sich gibt, ist im Grunde vollkommen gleichgültig. Die ÖR haben ja eine Lizenz zum Gelddrucken. Jedes Sparverlangen wird durch den Verweis auf ihre Programmhoheit abgeschmettert.
    Folgende Maßnahmen wären hilfreich: 1.) Fernsehen bezahlt nur, wer Fernsehen schaut. – Verschlüsselung, Dekoder – fertig. 2.) Zwangsgelder für Schulen, für Infrastruktur – aber nicht für Blöd-Talk-Shows, in denen alle Beteiligten „Fachleute“ aneinander vorbei reden. 3.) keine Unterhaltung im Öffentlich-rechtlichen! Wer Zwangsgelder für Florian Silbereisen und Telenovelas kassiert, während es anderswo am nötigsten fehlt (z.B. schnelle Internetzugänge für Firmen, die exportieren wollen), bremst die Entwicklung der Bundesrepublik.

    Der Rundfunkstaatsvertrag gehört insgesamt auf den Prüfstand. Das Verfahren ist vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Inzwischen ist sogar ein Strafgeld für die Schaffung von Arbeitsplätzen vorgesehen. Die Ministerpräsidenten finden das gut.

  6. Herr Beermann muss sich mal ansehen, was jetzt schon bei seinem Haussender MDR passiert. Die Hörfunkwellen verkommen zum Dudelfunk, Radio Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel gerade der langjährigen Kinokritekerin zum Jahresende den Stuhl vor die Tür gestellt. Und er sollte sich mal ansehen, dass 3sat ein ganz anderes Profil hat als der ZDF-Kulturkanal – da geht es um ein Programm, dass gemeinsam mit der Schweiz und Österreich gestaltet wird.
    Die minstierpräsidenten sollten sich eingestehen, dass sie gerade in der Medienpolitik Mist bauen. Die Beschränkungen für das Internet sind komplett nach hinten los gegangen. Da löscht der NDR die Tagesschau, sie wird privat wieder eingestellt. Die Berichte der Fußball-Bundesliga finden sich 1:1 bei youTube, entweder abgekupfert aus der Sportschau oder von Eurosport.
    Und auch die Beschränkung des Sponsoring ist Schwachsinn, denn Fußball wird wohl weiter unter Event fallen, Kanu- oder Ski-WM aber auch. Die privaten Sender stehen da ja auch nicht gerade Schlange, um diese Sportarten zu übertragen.
    Ebenso ist es mit der Kultur, Oper, Theater, Literatur – das findet sich zum Glück bei den öfentlich-rechtlichen Sendern. Es gibt viele Zuschauer, die das nicht missen wollen.
    Was Politiker dieser Coleur fordern, ist Volksverdummung, eine weitere Entpolitisierung der Gesellschaft. Die Politiker sollten sich lieber um die Privatsender schweren, um Formate wie das von Ministergattin von Guttenberg.

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