Helmut Thoma zu DVB-T2 HD

Helmut Thoma in 207 Meter Höhe | Foto: © Jörg Wagner
Helmut Thoma in 207 Meter Höhe | Foto: © Jörg Wagner

Was: Interview über DVB-T2 HD
Wer: Prof. Dr. Helmut Thoma, Medienmanager, RTL-Chef (1984-1998), Aufsichtsratsvorsitzender der freenet AG (2003-2009)
Wo: Café Fernsehturm, Berlin
Wann: rec.: 28.03.2017, 21:34 Uhr, veröffentlicht in gekürzten Fassungen im radioeins-Medienmagazin, rbb vom 01.04.2017, 18:41 Uhr und im rbb-Inforadio am 02.04.2017, 10:44 und 15:24 Uhr

Vgl.:
* Mein erstes Interview mit Helmut Thoma:

Was: Interview über RTLplus
Wer: Helmut Thoma, RTLplus-Geschäftsführer
Wo: Köln, Hotel Maritim
Wann: rec.: 11.06.1990, Urfassung

* Danièle Thoma „Hochexplosiv. Mein Leben mit Mr. RTL“
* Helmut Thoma über Gottschalk und volks.tv

Kurz vor dem symbolischen Knopfdruck zum Umschalten auf DVB-T2 HD | Foto: © Jörg Wagner
Kurz vor dem symbolischen Knopfdruck zum Umschalten auf DVB-T2 HD | Foto: © Jörg Wagner

(Wörtliches, leicht korrigiertes Transkript. Verständnisfehler vorbehalten.)

[0:00]
Jörg Wagner: Helmut Thoma, darf ich Sie ganz kurz nochmal fragen, Jörg Wagner, radioeins-Medienmagazin vom hiesigen rbb. Ich hab’ Sie das erste Mal interviewt 1990 beim Medienforum NRW im Hotel Maritim, als Sie mir RTL erklärten …

Helmut Thoma: Ach, Gott! (lacht)

Jörg Wagner: … inzwischen sind Sie mit freenet irgendwie verbandelt?

Helmut Thoma: Ich bin seit 98, bin ich Aufsichtsrat, war Aufsichtsratsvorsitzender von freenet, von Mobilcom und ja so zwanzig Jahre jetzt.

Jörg Wagner: Und jetzt gibt’s etwas, was uns wieder zusammenführt, nämlich DVB-T2 HD und freenet.tv …

Helmut Thoma: Genau.

Jörg Wagner: Was ist das für Sie für ein Augenblick? Ist das so ein Routine-Termin?

Helmut Thoma: Naja, Routine-Termin nicht, weil ich seh’ natürlich, dass aus freenet, einem Telekommunikationsunternehmen, mit dem ich ja so sehr verbunden bin, ich sag’ mal bin zwanzig Jahre dabei, sind alle Höhen und Tiefen, dass das jetzt in den Fernsehbereich kommt und dann werden wir einiges … ja nicht nur das, sondern auch waipu.tv, dass wir da sozusagen eine ziemliche Herausforderung haben.

Jörg Wagner: Genau, weil es ist ja eigentlich ein Spiel so ein bisschen, ich sag mal, auf Risiko. Sie nehmen Geld, also die freenet.tv-Leute nehmen Geld …

Helmut Thoma: Ja, die freenet.tv-Leute weniger, als die Sender natürlich. Ich meine, dafür dass sie HD ausstrahlen.

Jörg Wagner: Ach, ich dachte, das ist freenet.tv, was da Geld verlangt.

Helmut Thoma: Na, die müssen da einkassieren für die Sender. Die haben ja auch im Satellit und im Kabel … muss man ja, wenn man HD haben will, muss man diesen Zuschlag bezahlen und den … natürlich ist ein kleiner Anteil, aber der Hauptteil ist von den Sendern, die sich damit den Mehraufwand bei HD zurück bezahlen lassen, was a bissel, sagen wir mal, nach sieben Jahren a bissel kühn ist. Aber ist halt so. Die Länder haben das so festgelegt.

Jörg Wagner: Aber, mir wurde mal erklärt, das sei so ein Infrastrukturentgelt. Die Sender hätten gar nichts davon, sondern sie würden damit einfach die Betriebskosten senken.

Helmut Thoma: Das ist immer so. Das sagt man natürlich. Aber ich meine, was wollen Sie für Betriebskosten senken? Die müssen das so und so ausstrahlen. Die sind heilfroh, wenn sie das können und HD ist ja inzwischen überholt. Das ist ja schon …
4k … HD wird verramscht. Aber die genialen Länder haben das noch gar nicht überblickt.

Jörg Wagner: Wenn Sie jetzt noch RTL-Chef wären, würden Sie sich über DVB-T2 abstrahlen lassen? Bringt das mehr Werbekunden?

[2:29]
Helmut Thoma: Es bringt mehr mögliche Kunden, weil ja Kabel und Satellit nicht alle erreichen können. Dann ist das eine natürliche Ergänzung. Ich hab’s es immer gefördert, also als RTL-Chef. Leider ist es sehr spät gekommen, weil die Länder sich wieder nicht einigen konnten, aber es ist eine notwendige, absolut notwendige Ergänzung und wenn man es sozusagen auch wie in Frankreich kostenlos gestalten könnte, wäre es natürlich noch besser, weil dann würde das wirklich zu einer flächendeckenden Verbreitung auch im Flachland und den großen, sagen wir, Ballungszentren wie Berlin, wo man also wirklich mit Satellitenschüsseln nicht so viele erreichen kann.

[3:13]
Jörg Wagner: Was machen die Franzosen besser?

Helmut Thoma: Naja, die haben keine Länder.

Jörg Wagner: Es ist zentralistisch alles?

Helmut Thoma: Ja, da ist eine zentralistische, klare Medienpolitik. Ich meine, hier die Länder, die … da hat jeder eine andere Meinung und also ein Teil hat überhaupt gar keine Ahnung, was sie da machen und so. Also, das … ich meine die hatten immer schon einen guten Ruf, also, bevor … zur Vereinigung Deutschlands zu einem Staat waren die Länder so die … naja die Belächelten Europas, ja? Teilweise holen sie das wieder ein. Wenn ich mir die Medienlandschaft jetzt anschaue, jetzt gar nicht … da gab’s jetzt diese Verbreitungsgeschichten … das ist so eine abstruse Katastrophe von monopolistischer Struktur, dass also jeder … der Verfassungsgerichtshof müsste im, sozusagen, im Quadrat springen. Aber es interessiert … solange es keine Katastrophen gibt, interessiert es niemanden. Ich meine, wir haben 86 % Marktanteil der beiden großen Gruppen, ARD und RTL, und die haben keinerlei Konkurrenz mehr, denn die öffentlich-rechtlichen, deren Reichweite beginnt bei über 60. Drunter sind die nicht vorhanden. Also, das ist ein reines Pensionisten-Fernsehen. Also daher geht die gesamte Werbeindustrie, läuft auf die zwei zu, die zwei Gruppen und dirigiert werden’s durch Media-Agenturen, die 96 % der gesamten Einnahmen verwalten. D.h. … ich meine, ein Hugenberg würde höchstwahrscheinlich in Begeisterungsstürme verfallen, wenn er so eine Machtposition hätte. Natürlich, wir haben heute eine wunderbare, wirtschaftliche Situation. Wir haben keine Zeit wie Hugenberg. Daher kann das auch gut gehen. Aber wehe es geht einmal schlecht. Dann ist ein Monopol da und die sind dem absolut ausgeliefert. Sie verstehen das überhaupt nicht. Ich meine, die Reichweiten der großen Sender heute, wenn man sich … das kann man sich ja anschauen täglich im Teletext von RTL 890 oder 880 bei Sat.1, da liegen die großen Sender praktisch auf einer Größenordnung, also ich rede von den Privaten, die wir schon 88, also vier Jahre nach der Gründung haben, aber verdienen das zehn- oder 15 fache. Warum? Weil sie ein Monopol haben und es geht natürlich auch zulasten der Zeitungen, die das staunend hinnehmen. Und der Werbetreibenden, die das staunend hinnehmen. Wenn es so ist, dann soll’n sie sich abstellen lassen. Ein Herr Sorrell verdient nicht zuletzt 72 Millionen Dollar im Jahr mit diesen Situationen.

[5:57]
Jörg Wagner: Aber, Sie sind ein bisschen selbst daran schuld, weil Sie ja die werberelevante Zielgruppe überhaupt erfunden haben 14 bis 49 …

Helmut Thoma: Nein nicht erfunden, die hat sich ja ergeben. Die ist ja nicht erfunden. Ich habe sie definiert. Ich hab‘ gesagt, wo liegt denn … und ich habe gewusst, weil damals schon die öffentlich-rechtlichen älter waren, weil inzwischen ist sie ja auf 59 ausgerichtet. Aber das hilft Ihnen auch nicht viel, weil sie bei den Jungen überhaupt nicht vorhanden sind.

Jörg Wagner: Aber die Älteren sind ja die Kaufkräftigen eigentlich?

Helmut Thoma: Jein. Sie sind zwar die kaufkräftigen, aber sie haben schon alles. Das ist der Punkt. Ich meine, was die Werbung sucht, ist Erstverwender. Ich meine, wer sein erstes Konto einrichtet, dass er sein erstes Auto kauft usw. und das ist es. Deswegen ist ja auch der Drang in diesen großen Warenhäusern und Einkaufszentren möglichst an der Kasse noch Süßigkeiten hinzulegen für die Kinder, die überhaupt keine Einnahmen haben. Was heißt die Älteren? Natürlich ist der Kreis zwischen, sagen wir mal, 50 mit 65 bei weitem reicher, wie zwischen 14 und 29, nur das sind keine Erstverwender, die haben ihre Möbel, die haben ihre Wohnung eingerichtet, die haben ihr Auto ausgesucht …

Jörg Wagner: … und sie sind markentreu.

Helmut Thoma: … und sie sind markentreu. Eine schreckliche Vorstellung, weil im Grunde genommen, was soll denn Werbung erzeugen? Markentreue. Und die sind es schon. Das weiß man in der Politik ja auch. Natürlich gibt’s da immer … und die Leute sind halt heute beweglicher, aber im großen Ganzen gilt das weiter.

Kuppel des Berliner Fernsehturms am Vorabend der Umschaltung auf DVB-T2 HD | Foto: © Jörg Wagner
Kuppel des Berliner Fernsehturms am Vorabend der Umschaltung auf DVB-T2 HD | Foto: © Jörg Wagner







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