National und regional?

Dr. Brautmeier: Systembruch

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Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 17.12.2014 hat dies praktisch möglich gemacht: regional zugeschnittene Werbung im Kabel bei Sendern, die eine bundesweite Lizenz haben. Doch was zunächst wie ein Fortschritt aussieht, löst Erstaunen in der Fachwelt aus.


Download (verlinkte Audio-Quelle: rbb, radioeins)

Wer: Dr. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktor der LfM NRW
Was: Telefoninterview
Wann: rec.: 19.12.2014/ ca. 11:50 Uhr; veröffentlicht am 20.02.2014/18:24 Uhr im radioeins-Medienmagazin, rbb und gekürzt am 21.02.2014 im inforado, rbb, 10:44/15:44/23:45/01:45/03:45

Jörg Wagner: Warum duften denn bisher nationale Sender nicht regional werben?

01:06
Dr. Jürgen Brautmeier: Weil die Medienanstalten wie auch der Rundfunkstaatsvertrag aus unserer Sicht davon ausgehen, dass eine bundesweite Zulassung für ein bundesweites Programm erteilt worden ist. Es handelt sich nicht um eine regionale oder landesweite Zulassung, also die Zulassung ist genau der Punkt, um den es hier geht.

01.22
Jörg Wagner: Aber man könnte doch sagen, Werbung ist nun mal regional und warum soll man den Kölner mit Berliner Werbung konfrontieren? Schalten wir das auseinander. Das Programm ist vielleicht bundesweit, aber Werbung kann doch ruhig regional sein. Wo ist da der logische Zusammenhang zwischen Werbung und Programm?

01:38
Dr. Jürgen Brautmeier: Also technisch und inhaltlich gebe ich Ihnen da recht, aber Sie müssen sehen, wenn ich eine bundesweite Lizenz erteile für ein bundesweit verbreitetes Programmen und dann habe ich daneben aber in den einzelnen Bundesländern oder in Regionen auch regionale Lizenzen für regionale Programme oder lokale Lizenzen für lokale Programme, dass ich da, wenn ich das im Staatsvertrag sowie es gegenwärtig geregelt ist, durchbreche, indem ich den, der bundesweit zugelassen ist auch regional und lokal etwas machen darf, dann habe ich ein Systembruch, dann habe ich Dinge durcheinandergebracht, die vielleicht ja auch für die Finanzierung der regionalen oder lokalen Programme ein Problem darstellen können. Also der Gesetzgeber hat sich was dabei gedacht, dass er diese unterschiedlichen Ebenen bundesweit oder landesweit oder regional oder lokal in seinen Gesetzen und Staatsverträgen verankert hat.

02:27
Jörg Wagner: Also kann man nicht mit der Logik kommen, dass ja in Österreich auch ProSieben ausgestrahlt wird und dort andere Werbung läuft als in Deutschland, um die Zuschauer dort nicht zu langweilen, sage ich mal.

02:38
Dr. Jürgen Brautmeier: Ja, gutes Beispiel. Also natürlich ist es so, dass der jeweilige Landesgesetzgeber oder in diesem Fall Österreich für Ihre Region das so festlegen können. Wenn es bei Ihnen kein Problem ist, dann ist es gut. Dann kann der Gesetzgeber es machen. Wir sagen bloß als Landesmedienanstalt, bisher haben wir es und in unserer Verwaltungspraxis auch immer bestätigt gefunden, dass es im Staatsvertrag so geregelt ist, dass, was landesweit zugelassen ist Landessache ist, was aber bundesweit zugelassen ist, bundesweit dann auch sein muss. Und da, das ist der eigentliche Kern an dem Leipziger Richterspruch darf es keinen Unterschied geben zwischen dem normalen Programm dem redaktionellen Programm, sage ich jetzt mal, und der Werbung. Für uns ist Werbung auch Programm. Bestandteil des Programms. Und wenn ich das auseinanderdividieren, habe ich ein Problem.

03:26
Jörg Wagner: Worin liegt das Problem genau? Ist das eher, dass Sie befürchten, dass möglicherweise lokale TV Sender jetzt keine Werbung mehr verkaufen?

03:34
Dr. Jürgen Brautmeier: Also, das befürchten andere. Das muss nicht unbedingt unsere Furcht sein. Das befürchten natürlich die Lokalsender, aber unsere Sache muss sein, dass wir, wenn wir eine einheitliche Zulassung haben auch die Aufsicht auch die Regulierung der Werbung, die wir als Bestandteil des Programms sehen einheitlich geregelt haben wollen. Also ich muss jetzt nicht unbedingt mit der Kontroll-Seite kommen, aber wie stellen Sie sich vor, wie man das dann in einem bundesweiten Programm in Zukunft dann noch kontrolliert? Wir haben auch eine Aufsicht über die Werbung.

04:05
Jörg Wagner: Ja, aber Sie haben ja auch mehrere Landesmedienanstalten, die regional wirken. Sie, sage ich mal, geben die General-Lizenz und Ihr Kollege, Dr. Hege in Berlin kontrolliert, ob die Werbung passt.

04:16
Dr. Jürgen Brautmeier: Theoretisch geht das. Natürlich. Aber wie gesagt, nochmal zurück, wir sind der Meinung, dass Werbung und Programm eine Einheit sind im Sinne der Lizenz, im Sinne der Zulassung. Und dass man das nicht auseinanderdividieren kann. Und darüber habe ich mich verwundert gezeigt, weil es, wie es gesagt, unserem Verfassung Verständnis und unserer Verwaltungspraxis widerspricht.

04:35
Jörg Wagner: Nun gibt es dann diese dann doch höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die ist ja, wenn ich das richtig verstehe, nicht anfechtbar.

04:44
Dr. Jürgen Brautmeier: Das ist richtig. Deswegen habe ich ja auch in meiner Stellungnahme gesagt, wenn in der Tat hier eine Lücke im Staatsvertrag ist oder eine fehlende Regelung, so sagt es ja das Bundesverwaltungsgericht, hier steht nichts von einem Verbot für regionale Werbung, dann ist der Staatsvertragsgeber, sprich die Bundesländer sind dann aufgefordert, sich darüber Gedanken zu machen, ob Sie dieses jetzt so akzeptieren, oder ob sie eine Lücke schließen wollen, dass sie nämlich sagen, nein wir wollen das nicht, dass es regionalere Werbung in einem bundesweiten Programm gibt. Und bisher war die Haltung der Bundesländer ganz eindeutig, das haben sie auch in das Verfahren in Leipzig eingebracht, dass sie an dieser Stelle keine regionalere Werbung wollen und dass sie dann da auch den Rundfunkstaatsvertrag novellieren wollen. Also das muss man dabei sehen. Auch der politische Wille auf der Ebene des Rundfunkstaatsvertrags oder der Staatsvertragsgeber ist so, dass an dieser Stelle eventuell nachreguliert werden muss.

05:40
Jörg Wagner: Das kann, wie wir wissen, lange dauern. Wie lange wird also dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Bestand haben?

05:47
Dr. Jürgen Brautmeier: Also, da wage ich keine Prognose. Ich bin kein Prophet. Im Gegenteil ich bin Historiker. Also, die Frage ist, ob die Länder jetzt schnell handeln können, ob sie schnell an einen neuen Rundfunkstaatsvertrag herangehen. Sie wissen, da gibt es schon seit längerem Bestrebungen. Hier ging es vielleicht darum, vor der großen oder größeren Novellierung des Staatsvertrages schon etwas zu tun. Da bin ich überfragt. Das müssen wir auch abwarten, wir als Medienanstalten können es hinterher nur ausführen, aber wir wissen nicht wie schnell die Politik jetzt handelt.

06:16
Jörg Wagner: D.h., es wird jetzt eine interessante Übergangsphase geben, unmodern aussehen kann, ob es Verwerfungen gibt am praktischen Beispiel. Ich bedanke mich erst einmal bei Dr. Jürgen Braut Meier. Er ist der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und zudem Direktor der Landesanstalt für Medien in NRW. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Jahreswechsel dann.

Dr. Jürgen Brautmeier: Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen das gleiche. Tschüss

Jörg Wagner: Tschüss

(wörtliches Transkript)

(© Foto: Jörg Wagner)


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