Zimmermann: Kompromiss mit Protokollnotiz

Peter Zimmermann | Foto: © Jörg Wagner
Peter Zimmermann | Foto: © Jörg Wagner


Am 21.10.2010 hatten die Länderchefs auf ihrer Ministerpräsidentenkonferenz in Magdeburg dafür gestimmt, die geräteabhängige Rundfunkgebühr durch einen Rundfunkbeitrag pro Haushalt und Betrieb zu ersetzen. Thüringen hatte mit einem eigenen Gutachten noch einmal die Diskussion entfacht. Außerdem brachte Thüringen eine Protokollnotiz ein. Der Entwurf für den sogenannten 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird nun den Landesparlamenten zur Diskussion zugeleitet. Der neue Staatsvertrag soll am 15.12.2010 von den Ministerpräsidenten unterschrieben werden.


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Wer: Peter Zimmermann, Staatssekretär für Medien des Freistaates Thüringen
Was: Interview nach der Ministerpräsidentenkonferenz 21./22.10.2010 in Magdeburg
Wo: Leipzig
Wann: 22.10.2010, ca. 17:20 Uhr; veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin vom 23.10.2010

Jörg Wagner: Thüringen hat eine Protokollnotiz vermerken lassen. Welchen Inhalts?

Peter Zimmermann: Ich habe für Thüringen deutlich gemacht, dass wir insbesondere im Verlauf der Gespräche, die wir jetzt in den letzten Tagen geführt haben, Sorgen haben, dass der neue leistungsbezogene Rundfunkbeitrag, also eine Abgabe, die geleistet wird für eine Gegenleistung, zu Nahe an einer nicht leistungsbezogenen Steuer als Abgabe angesiedelt ist. Wir haben deshalb in der Rundfunkkommissionssitzung am Mittwoch deutlich gemacht, dass wir sehr gern Ausnahmetatbestände in den Rundfunkstaatsvertragstext aufgenommen wissen wollen, die diesen neuen Rundfunkbeitrag von einer Steuer weg holen. Es geht also darum, dass wir Punkte im Staatsvertragstext selbst aufgenommen wissen wollten und nicht in der Begründung für den Staatsvertragstext, die den Rundfunkbeitrag deutlicher von einer Steuer abgrenzen. Wir hatten eine sehr intensive Diskussion darüber. Wir haben auch hart gefochten und im Ergebnis sind tatsächlich im Staatsvertragstext selbst zwei Punkte aufgenommen worden, die diesen neuen Rundfunkbeitrag von einer Steuer abgrenzen, aus unserer Sicht. Das ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Wir haben nur der Dokumentation und der Vollständigkeit unserer Position wegen diese Anmerkung auch als Protokollnotiz mit vermerken lassen. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Art Dokumentationspflicht auch aus diesen Gesprächen heraus.

Jörg Wagner: Kann man das auch so verstehen, als normaler Gebührenzahler, dass Thüringen unter Vorbehalt einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnen wird?

Peter Zimmermann: Die Unterschrift erfolgt ja im Dezember. Wir haben bis dahin die Unterrichtung der Parlamente und jedes Land hat die Gelegenheit weiterführend seine Position zu prüfen. Es wird weitere Veränderungen sicherlich geben im Detail. Das ist ganz üblich übrigens bei allen Staatsverträgen. Es kommt also nicht darauf an, ob das jetzt der Rundfunkänderungstaatsvertrag ist. Wir haben jetzt diesen Staatsvertragstext als Kompromiss mitgetragen. Im übrigen ist Thüringen das Vorsitzland der Arbeitsgruppe gewesen. Wir haben sehr intensiv daran gearbeitet. Und es bestand überhaupt kein Zweifel daran, dass wir, genau wie alle anderen auch, dieses Modell wollen. Der wesentliche Unterschied in der Diskussion der letzten Tage bestand nur in einem einzigen Punkt. Nämlich, wenn der Rundfunkstaatsvertragstext juristisch gewürdigt wird, beispielsweise durch das Bundesverfassungsgericht, dann wird unserer Ansicht nach der Staatsvertragstext selbst, in dem Regelungen getroffen werden, anders gewürdigt als die Begründung des Staatsvertragstextes, die dann eine gewisse Intention andeutet und wenn das so ist, dann ist es wichtig, dass Punkte in diesem Staatsvertragstext enthalten sind, die eben den Beitrag von der Steuer abgrenzen, die diese Leistungsbezogenheit unterstreichen. Es ging uns also nicht, gerade nicht um singuläre Interessen, die wir jetzt in irgendeiner Form dort angebracht hätten, sondern um eine gewisse juristische Wasserfestigkeit des gesamten Systems.

Jörg Wagner: Nun hat ja die ARD, das ZDF zusammen mit der Rundfunkkommission der Länder Paul Kirchhof seinerzeit auch diesen neuen Weg begutachten lassen. Und er ist zu der Auffassung gekommen, dass die neue Rundfunkgebühr keine Gebühr sein darf, sondern ein Beitrag sein muss, gerade aus den auch von Ihnen genannten Gründen. Aber auch, weil hier keine Dienstleistung fließt, sondern, weil es darum geht, dass hier eine gesamtgesellschaftliche Mediennutzung gewürdigt wird und dass man eben nicht einklagen kann, wenn man kein Gerät zum Empfang bereithält, muss man dann doch den Rundfunkbeitrag bezahlen. Ist es hier wie so oft in der normalen Praxis: drei Juristen, fünf Meinungen?

Peter Zimmermann: Nein es ist nicht ganz so. Paul Kirchhof macht in seinem Gutachten deutlich, dass die Leistungsbezogenheit des Beitrags gegeben sein muss. Das untermalt er beispielsweise mit einem Beispiel, wenn also die technische, sprich objektive Unmöglichkeit besteht, Rundfunk zu empfangen, beispielsweise in den Bergen in einer Hütte, in der man wirklich keinen Rundfunk empfangen kann, was im heutigen Medienzeitalter zugegebenermaßen fast theoretisch ist…

Jörg Wagner: … oder als behinderter Mensch eben, wenn man seh- und hörbehindert ist …

Peter Zimmermann: … ja, das haben wir ja nun gerade auch auf die Initiative Thüringens in den letzten zwei Tagen mit aufgenommen, also wenn es diese Unmöglichkeit der Nutzung gibt, dann muss es möglich sein, diese Menschen von der Zahlung eines Rundfunkbeitrages zu befreien. Das ist ein Teil, der diese Leistungsbezogenheit deutlich macht. Und darauf kam es uns an, das auch wirklich zu untermalen. Paul Kirchhof hat auf seinem sehr umfangreichen Gutachten diese Steuerfrage lediglich auf einer halben oder einen Seite gestreift und wir haben aufsetzend darauf uns noch einmal sehr intensiv damit befasst, haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, was alternative Finanzierungsmöglichkeiten des Rundfunks prüft und was dann auch im Hinblick gerade auf diese Steuerfrage die Nähe dieses Beitrags untersucht hat. Wir sind, nicht nur durch dieses Gutachten gestützt, aber auch der Ansicht, dass das zunächst zu nah an einer Steuer war, haben jetzt den Kompromiss, der erzielt worden ist in Magdeburg mitgetragen, übrigens nach einer sehr fairen und auch sehr professionellen Moderation des Vorsitzenden der Rundfunkkommission.

Jörg Wagner: Kann denn aus Ihrer Erfahrung und aus Ihrer Hochrechnung noch etwas passieren jetzt mit diesem neuen Gebührenmodell oder ist mit dieser Protokollnotiz und den Signalen, die Sie bekommen haben durch die anderen Ministerpräsidenten eigentlich die Sache auf dem richtigen Weg jetzt?

Peter Zimmermann: In der Politik und insbesondere bei der Verhandlung von Rundfunkstaatsverträgen ist es wie auf hoher See und vor Gericht. In der Regel kann man nie ganz genau vorhersehen, was bis zum Schluss passiert, bis also die Tinte unter einem solchen Vertrag trocken ist. Allerdings muss man sagen, dass wir im Grunde seit Jahren in der Vorbereitung und seit Monaten sehr, sehr intensiv an diesem Rundfunkstaatsvertrag gearbeitet haben, allen voran Rheinland-Pfalz, natürlich Thüringen als Vorsitzland, aber auch das MPK-Vorsitzland, jetzt Sachsen-Anhalt und alle anderen Beteiligten auch. Wir hatten in den letzten Tagen auch so ein wenig den sehr verständlichen und normalen gruppendynamischen Wunsch, dass dieser Staatsvertrag jetzt auch wirklich, endlich zustandekommt. Das Wichtige war – und das war auch, glaube ich, ein wenig die Problematik, dass auch auf den letzten Metern insbesondere, wenn es um grundsätzliche juristische Fragen geht, die das System angreifen, die also jetzt nicht eine Frage betreffen, ist die Staffelung dort die richtige, beispielsweise für die Wirtschaft oder gibt es auch andere Dinge, die eventuell da in den nächsten Monaten aufgenommen werden müssen, sondern die eine ganz wesentliche, grundsätzliche, systematische Frage betreffen, nämlich, ist es eine Steuer oder ist es keine Steuer. An dieser Stelle wollten wir auf keinen Fall auch auf den letzten Metern zulassen, dass es zu Unschärfen kommt. Wir wollten sehr gern diese Sicherheit gewährleistet haben für das Gesamtsystem. Es wäre schade um die Arbeit, wenn gerade an dieser Stelle Probleme auftauchen in den nächsten Monaten. Wir sehen uns nicht zu 100 Prozent am Ziel, aber wir haben einen ganz wesentlichen Schritt gemacht mit der Aufnahme dieser beiden Punkte, nämlich den taub-blinden Menschen, die also in Zukunft sich vom Rundfunkbeitrag befreien lassen können, die also nicht die objektive Möglichkeit haben, den Rundfunk zu nutzen und – auch das war uns wichtig – dass die Kleingärtner, also Laubenbesitzer und dergleichen mehr, gar nicht erst in Wertungsfragen hinein rutschen oder Unschärfen. Das ist ebenfalls aufgenommen worden auf unsere Initiative hin. Und aus diesem Grund sind wir auch mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

(wörtliches Transkript)








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