Facelifting beim Deutschlandradio

Dr. Willi Steul
Dr. Willi Steul

„80 % der Menschen … kennen den Deutschlandfunk“

Wer: Dr. Willi Steul, Intendant, Deutschlandradio
Was: Interview zur neuen Markenstrategie des Deutschlandradios
Wo: Berlin, ARD-Hauptstadtstudio
Wann: rec.: 22.09.2016, 22:07 Uhr; veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin (rbb) vom 24.09.2016, 18:38 Uhr

Ab Frühjahr 2017 Deutschlandfunk Kultur
Ab Frühjahr 2017 Deutschlandfunk Kultur


(wörtliches Transkript)

00:00
(Collage)

00:27
Dr. Willi Steul: Mein Name ist Willi Steul, ich bin Intendant von Deutschlandradio.

00:29
Jörg Wagner: Muss ich demnächst sagen: Intendant vom Deutschlandfunk?

00:32
Dr. Willi Steul: Nein, die Institution ist selbstverständlich Deutschlandradio, aber wir werden im nächsten Jahr unsere Programm-Familie benennen als Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und das junge Programm Deutschlandfunk Nova. Deutschlandfunk ist die bekannteste Rundfunkmarke in der ganzen Republik. Und deshalb wollen wir diesen Absender Deutschlandfunk mit seinem Image – 80 % der Menschen in Deutschland kennen den Deutschlandfunk, dem Deutschlandfunk ordnen sie die höchste Glaubwürdigkeit und die höchste Qualität aller Rundfunksender zu. D.h. diese Marke müssen wir als Absender-Marke haben und zwar auch deshalb, wir sehen, dass in den modernen Ausspielwegen, ob das jetzt iTunes ist oder Skype oder was auch immer … wo man ja nur Teile seines Programms reinstellt, auch YouTube. Da kommt es besonders darauf an auf eine eindeutige Absender-Marke. Von wem kommt das? Und das wollen wir mit diese Marke Deutschlandfunk verbinden.

01:36
Jörg Wagner: Aber nochmal, ist es nicht verwirrend, wenn Sie dann als jemand, der alle drei Programme verantwortet einen anderen Titel tragen, eine andere Marke tragen, nämlich Deutschlandradio-Intendant, wenn er unter sich Programme hat, die alle Deutschlandfunk heißen?

Dr. Willi Steul: Auf mich kommt es doch nicht an. Die Institution …

01:24
Jörg Wagner: Nein, das nicht, aber dass das … der Sender heißt dann Deutschlandradio, aber die Programm-Marken heißen dann Deutschlandfunk. Ist das nicht … seien Sie doch frei, geradeaus und sagen Sie: das Ganze heißt Deutschlandfunk. Der Deutschlandfunk heißt dann Deutschlandfunk Info oder Politik, Deutschlandfunk Kultur und Nova.

02:07
Dr. Willi Steul: Wir begegnen den Menschen nicht als Institution Deutschlandradio. Wir begegnen den Menschen über die Programme. Der Mensch, der uns hört, hört Deutschlandfunk oder Deutschlandradio Kultur und der weiß nicht, dass das mit dem Deutschlandfunk unter einem Dach zusammen hängt. Er hört DRadio Wissen und der weiß das nicht. In einer solchen Marken-Familienstrategie spielen alle zusammen im Bewusstsein, in der Anerkennung der Menschen. Die Untersuchungen, die wir dazu gemacht haben, sind ganz eindeutig. Nun könnte man auch sagen, wir nennen das ganze Deutschlandradio. So wie die Institution. Aber über 80 % der Menschen in der Bundesrepublik kennen die Marke Deutschlandfunk und sie ordnen dieser Marke unter allen Radioprogrammen die höchste Glaubwürdigkeit und die höchste Qualitätsaussage zu. D.h., wir wären – das sage ich jetzt mal salopp, ich bin ja Journalist – wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir nicht diese starke Marke Deutschlandfunk für alle unsere Ausspielungen nehmen würden. Und wie gesagt, in der digitalen Welt mit den sich diversifizierenden Ausspielwegen wird die Absendermarke außerordentlich wichtig. Und deshalb haben wir diese Entscheidung getroffen.

03:25
Jörg Wagner: Zugespitzt heißt das ja, Sie haben ein Markenproblem und kein Inhaltsproblem, richtig?

03:29
Dr. Willi Steul: Wir haben überhaupt kein Inhaltsproblem. Wir sehen auch in der letzten MA, wir haben so viele Hörer wie wir noch nie zuvor hatten, d.h., jetzt ist doch der Zeitpunkt, wo wir aus einem Moment der Stärke heraus, diese Entscheidung treffen können. In der nächsten, in der übernächsten MA wird das ein bisschen bröseln, weil immer, wenn man einen Namen ändert, hat man bisschen, möglicherweise ein Problem. Ich bin mir der gar nicht sicher, dass es so sein wird.

03:50
Jörg Wagner: Naja, Deutschlandradio Kultur hat dann den vierten Namen dann seit 25 jahren: RIAS, Deutschlandradio Berlin, Deutschlandradio Kultur und dann Deutschlandfunk Kultur.

03:58
Dr. Willi Steul: Nein. Den Namen RIAS gab es nie. Weil mit der Gründung von Deutschlandradio hieß das Deutschlandradio. Sie können nicht sagen die vierte Namensänderung. Wir sind neu in einen völligen Programm-Anmutungsbruch 1994 auf den Markt gekommen. Und Deutschlandradio ist ein zukunftsweisender Begriff eigentlich. Nur die große Marke, die große eindeutige Marke mit der besten Assoziation, die Menschen damit haben, ist ohne jeden Zweifel Deutschlandfunk. Und deshalb haben wir diese Entscheidung getroffen. Ich persönlich finde, diese Entscheidung hätte man vor vielen Jahren schon treffen müssen.

04:34
Jörg Wagner: Nun bin ich alt genug, dass ich weiß, dass Namensänderungen auch sinnvoll sein können und auch, dass es letzten Endes darauf ankommt, wer diese Marke repräsentiert, welche Inhalte transportiert werden, aber es wäre sinnlos, einfach nur den Namen zu ändern, wenn dasselbe Inhaltsgefäß da drunter wäre. Haben Sie denn auch geplant, mit Deutschlandfunk Nova und Deutschlandfunk Kultur auch so etwas wie ein neues inhaltliches Angebot zu machen?

05:01
Dr. Willi Steul: Nein. Wir haben das andersrum gemacht. Wir haben 2010 intern einen so genannten Strategieprozess aufgesetzt. Da haben wir das gesamte Haus untersucht. Wir haben die technischen Grundlagen dafür geschaffen in dieser Zeit. Die hatten wir nämlich nicht. Damit wir in der modernen Welt auch bei den digitalen Ausspielenwegen überhaupt mitspielen können. Wir haben strukturelles im Haus verändert. Wir haben diesbezügliche Investitionen gemacht und das dauert dann eine Zeit. Wir haben dann Programmveränderungen gemacht. Das war beim Deutschlandfunk z. B. diese wesentliche Entscheidung nachts nicht mehr klassische Musik zu spielen, sondern ebenfalls Wort. Und wir haben vor anderthalb Jahren jetzt Deutschlandradio Kultur zu einem anderen Programm verändert mit einer Mischung aus Kultur und Politik. D.h. die Programmveränderungen sind passiert. Diese neue Markenarchitektur, wie man das im Fachbegriff nennt, ist der Schlussstein von Veränderungen. Und andersherum können sie es nicht machen. Wir müssen die Programme und wir werden die Programme nicht verändern. Wir werden weiterhin, wie man das machen muss jeden Tag, jede Woche, jeden Monat den Feinschliff machen im Deutschlandfunk, den Feinschliff machen im künftigen Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova, aber keine wesentlichen Programm-Veränderungen. Die Menschen wissen, was sie in den Gefäßen bekommen. Und ich glaube, dass das kein besonderes Problem sein wird.

06:22
Jörg Wagner: Ab wann wird es soweit sein?

06:24
Dr. Willi Steul: Wir haben das genaue Datum noch nicht festgelegt. Das wird im Laufe des nächsten Jahres sein. Wir beginnen in der wirklichen Außenkommunikation an unsere Hörer und an die Öffentlichkeit Anfang Mai. Und das genaue Datum, wann wir dann wirklich on air die Benennungen verändern, das haben wir noch nicht festgelegt. Das wird irgendwann zwischen Mai und Juni sein.

06:47
(Fiktiver Jingle Deutschlandfunk Kultur)


(Fotos: © Jörg Wagner)







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