ZDF: Gegen fake news – für constructive journalism

Dr. Thomas Bellut | Foto: © ZDF/Benno Kraehahn
Dr. Thomas Bellut | Foto: © ZDF/Benno Kraehahn

Wer:
* Dr. Thomas Bellut, ZDF-Intendant
* Werner Lange, Medienjournalist
Was: Interview über fake news, constructive journalism
Wo: Mainz, ZDF-Sendezentrum
Wann: rec.: 03.03.2017, nach der Pressekonferenz zur Fernsehratssitzung; veröffentlicht im radioeins-Medienmagazin (rbb) vom 04.03.2017 und in einer gekürzten Fassung im rbb-Inforadio am 05.03.2017, 10:44 und 15:24 Uhr


(wörtliches Transkript)

[0:00]
Werner Lange: Herr Bellut, Sie haben gegenüber dem Fernsehrat des ZDF erklärt, dass Fake News, also falsche Fakten, die in der Öffentlichkeit auftauchen, durch das ZDF mit sachlicher Information bekämpft werden sollen. Eine große Aufgabe.

[0:13]
Dr. Thomas Bellut: In der Tat. Der Ansatz ist klar: sachliche Information. Aber jeder, Herr Lange wie Sie auch, der im Journalismus gearbeitet hat, weiß, das sind oft Einzelfallentscheidung. Was ist richtig? Was ist sachlich? Und Journalisten sind auch nicht grundsätzlich zur durchgehenden Sachlichkeit quasi angeleitet. Sie sind Menschen mit Überzeugungen, mit Meinungen. Nur das kommt eben drauf an, dass man genau kontrolliert und diskutiert, wie eine einzelne Sendung oder eine Talkshow aussah.

[0:40]
Werner Lange: Es gibt da ja zwei Komponenten. Einmal, dass man selbst sehr darauf achtet, gute Fakten zu nehmen, klare Fakten zu nehmen, aber auf der anderen Seite sieht man ja auf der Welt, dass zur Zeit damit auch Politik gemacht wird. Ist das auch ein Thema?

[0:54]
Dr. Thomas Bellut: Ja, absolut. Die Manipulationsgefahr ist allein durch die neuen technischen Möglichkeiten ganz erheblich gestiegen. Stichwort: social bots, also gelenkte Meinungsäußerung auf sozialen Netzwerken, um Stimmungen zu erzeugen, die einer bestimmten Partei oder Person nutzen. Nein, das ist eine ernsthafte Gefahr. Wir haben, glaube ich, jetzt schon aus den Wahlkämpfen in Großbritannien brexit, aber vor allem jetzt zuletzt in den USA gelernt. Da hat sich was aufgetan, was wir so nicht registriert hatten. Und wir müssen in unseren Vorwahlsendungen ganz, ganz vorsichtig sein mit den sozialen Netzwerken, was sie an Meinungen dann dazu vorgeben wollen für das Publikum.

[1:38]
Werner Lange: Nun wird dem Journalismus oft vorgeworfen, man wühlt in den Geschichten überall drin und man sieht eigentlich im Journalismus gar nicht, was hat sich eigentlich wirklich getan auf der Welt. Was war früher gut? Was ist heute gut? Und Sie wollen jetzt das als ZDF mit arte zusammenarbeiten und sich mit positivem Journalismus beschäftigen. Erstmal hört sich das nicht gut an, oder?

[1:54]
Dr. Thomas Bellut: Nee, da haben Sie völlig recht. Beschönigen ist wirklich nicht die Aufgabe von Journalisten. Aber der Begriff ist eigentlich constructive … also das ist ja übernommen, ein dänischer Chefredakteur hat damit begonnen. Das ist eine internationale Diskussion. Das sagt im Grunde nur folgendes: wenn es Probleme gibt, ist es ist auch wichtig, mal gelungene Lösungsansätze zu nennen, ohne aber die Probleme zu verschweigen. Wir hatten eine Pilotreihe im letzten Sommer. Da ging es um die Lebenswirklichkeit von Migranten in Deutschland. Und es wurde an verschiedenen Bevölkerungsgruppen, also Russlanddeutsche, Deutschtürken dann an einzelnen Reportage-Plätzen gemacht. Und es hat geschildert, wie schwer es manchmal ist, die Schulbildung für alle zu gewährleisten, aber es hat auch gezeigt, wie oft es gelungen ist, was es für wunderbare Karrieren auch gegeben hat von Migranten. Und ich halte einfach für ganz wichtig, dass man das eine Kritik und das andere constructive, also für die Zukunft Lösungsansätze anbieten, das beinhaltet das, dass man beides macht.

[2:52]
Werner Lange: Sie waren selbst jahrelang Journalist, fühlen sich, glaube ich, auch noch ein bisschen als Journalist …

Ja, ja.

Werner Lange: … haben Sie schon mal eine Zeit erlebt, wo so viel über Journalismus gesprochen worden ist wie zur Zeit?

[3:03]
Dr. Thomas Bellut: Nein, das kann ich nicht sagen. Es gab immer mal wieder neue politische Parteien, die neue Diskussionen ausgelöst haben. Aber dieses grundsätzliche Hinterfragen, das ist eine neue Entwicklung.

[3:13]
Werner Lange: Meinen Sie, das wird auch noch weitergehen in Zukunft in diese Richtung?

[3:17]
Dr. Thomas Bellut: Ja, wobei ich sagen muss, dass die ganz heftige Diskussion damals, als vor zwei Jahren die PEGIDA-Bewegung aufkam, dass sich das doch versachlicht hat. Natürlich haben wir auch vor der Wahl immer wieder die Aufgabe, zu fragen wie gehen wir zum Beispiel adäquat mit den neuen Parteien am rechten Flügel um?
Und ich kann da nur raten: sachlich. Ja, Sie müssen, wir kennen ja den Begriff der abgestuften Chancengleichheit, jede Oppositionspartei muss auch die Chance haben, mit ihren Positionen im Programm wiederzukehren. Das wollen wir machen. Aber wir wollen auch unsere Regeln weiter einhalten. Zum Beispiel, dass wir nicht Rassismus Vorschub leisten, dass wir nicht Vorurteilen Vorschub leisten. Das heißt, wer diese Position hat, kann eben nicht damit rechnen, dass es ungefiltert über den Schirm geht. Da erlauben wir uns schon unsere Meinung dazu zu sagen.

[4:03]
Werner Lange: Ist das nur ein Eindruck von mir oder braucht man mehr Internationalität?

[4:14]
Dr. Thomas Bellut: Die internationale Betrachtungsweise ist wichtig. Sie ist nicht gerade im Trend im Moment, aber wir werden nicht davon lassen. Alles, was international ist, das steht ja im Augenblick unter einem Generalverdacht. Wir haben die Zeit des Nationalismus, bisschen auch des Chauvinismus. Und dem muss man als Medium entgegenwirken.








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