MP Haseloff zum 22. KEF-Bericht

Dr. Reiner Haseloff | Foto: © Jörg Wagner

Was: Telefoninterview zum 22. KEF-Bericht
Wer: Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalt
Wann: rec.: 21.02.2020, 15:15 Uhr für das Medienmagazin auf radioeins am 22.02.2020 und im rbb-Inforadio am 23.02.2020

Vgl.:
* Interview mit Prof. Dr. Ulrich Reimers über die Abschaltung von SDTV, 20.02.2020
* KEF-Pressemitteilung vom 20.02.2020
* KEF-Pressekonferenz vom 20.02.2020 im Audio
* Interview mit Rainer Robra, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei, sowie Europaminister, Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt, 28.05.2020

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[0:00] Jörg Wagner: Herr Ministerpräsident, Donnerstag hat die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, ihren Bericht in Berlin vorgestellt. Die Einschätzung: 18,36 € benötigen die öffentlich-rechtlichen Sender, um den von der Politik gestellten Auftrag zu erfüllen, also 86 Cent im Monat mehr. Ihr Staats- und Kulturminister Rainer Robra, zuständig für Medien, sagte der dpa am Donnerstag, das sei eine maßvolle Erhöhung. Sie, Reiner Haseloff, äußerten sich im Vorfeld eher skeptisch und waren gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Können Sie den Widerspruch auflösen? Gab es in den letzten Tagen Argumente für die Erhöhung, die Sie überzeugt haben?

[0:39] Dr. Reiner Haseloff: Diese Aussage des Chefs der Staatskanzlei unseres Landes deckt sich mit meiner Aussage dahingehend, dass wir ja ursprünglich mit einer Erhöhung von deutlich über 20 € gerechnet haben. Diese Diskussion lief ja über Monate und wir ja schon als Ministerpräsidenten deutlich gemacht haben, dass wir maximal über maßvolle Veränderungen reden, aber immer im Zusammenhang mit allen weiteren Hinweisen der KEF. Der Bericht bestätigt ja einen Handlungsbedarf in der ganzen Reihe von Feldern. Und man muss ja auch wissen, dass diese Erhöhung, die jetzt vorgeschlagen wird, da auch nur dann ausreicht, aus Sicht der KEF, wenn die anderen Paketteile, zum Beispiel die Gehaltsstrukturen, aber auch eine ganze Reihe von Optimierungsaufgaben zwischen ARD und ZDF bzw. Kostenstrukturen für einzelne Sendeformate entsprechend verändert und reguliert wurden. Und nur das Gesamtpaket ist diskussionsfähig. Und das heißt für uns immer, auch für Herrn Robra und auch für mich, KEF 1:1 ist diskussionsfähig, aber eben 1:1 und da gehören alle Teile mit rein, die dort im Bericht aufgeführt werden.

[1:58] Jörg Wagner: Welcher Teil ist besonders wichtig für Sie?

[2:01] Dr. Reiner Haseloff: Ja, der Teil, dass natürlich die Kostenstrukturen durch verschiedene, sehr, sehr teure Produktionen erzeugt wird. Und damit auch einhergeht, Einsparpotenziale bei Dopplungen zwischen ARD und ZDF … im Sport hat man das schon in Teilen erreicht … aber wenn ich mir zum Beispiel die vielen parallelen Talkshows und ähnlichen Sendeformate – Krimis und so weiter – innerhalb einer Woche ansehe, dann sage ich öffentlich-rechtlich heißt, dass der Bildungsauftrag und eben die Grundversorgung gesichert werden muss, alles andere sozusagen nachrangig ist und das haben also auf die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler zu erwarten, dass wir politisch hingucken. Es kommt noch eine weitere Komponente hinzu, die für uns Ostdeutsche eine Rolle spielt. Es gibt rund 44 Gemeinschaftseinrichtungen des öffentlich-rechtlichen und davon sind – je nachdem wie ich rechne – zwei oder drei in Ostdeutschland. Also ein absolutes Missverhältnis. Und wenn ich dann noch sehe, dass wir natürlich durchschnittlich deutlich niedrigere Gehälter und Einkünfte haben unsere Menschen und ja schließlich den gleichen Beitrag zahlen wie in den alten Bundesländern, da muss man schon die Frage stellen, ist diese Proportionierung, wo produziert der öffentlich rechtliche Rundfunk, wo bleibt das Geld letztendlich auch des Gebührenzahlers bei der Auftragserteilung, dass diese Diskussion schon geführt werden muss, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung.

[3:28] Jörg Wagner: Sie waren zehn Jahre lang Leiter des Arbeitsamtes in Wittenberg. Sie sind jetzt Ministerpräsident, sind aber auch studierter Physiker. Von der Abschaltung des SD-Signals, des Fernsehstandards SD, das die ARD ja in Aussicht gestellt hat zum Januar 2021, um den Sparauflagen der KEF zu folgen, wären 20 % der Nutzer betroffen, die nicht HD sehen können zur Zeit. Kann man das der Bevölkerung zumuten?

[3:59] Dr. Reiner Haseloff: Ich glaube, das ist auch der falsche Ansatz, auch in gewisser Weise hier an dieser Stelle Druck aufbauen zu wollen. Bevor man über solche Änderungen redet, sollte man den KEF-Bericht – das habe ich inzwischen getan – in der Endfassung von vorn bis hinten lesen. Und da ist viel Potenzial zu erschließen, bevor ich an solche technischen Einschränkungen und Veränderungen gehe, die letztendlich der Gebührenzahler dann auch zu ertragen und zu akzeptieren hätte. Wenn ich dort lese, dass ein Drittel der oberen Gehaltsstrukturen deutlich über dem öffentlichen Sektor zu liegen kommen und da es sich ja hier um öffentliches Geld auch handelt, was hier ausgegeben wird bei den öffentlich-rechtlichen, sonst hießen sie ja nicht so, dann sage ich mal, ist das ein Punkt, wo neben den Produktionskosten – ich sagte es schon – wesentlich eher auch der Einsparautrag und der Optimierungsauftrag umgesetzt werden sollte, als dass man faktisch in die technischen Details hineingeht zu Lasten auch von bis zu 20 % der Zuschauer bzw. der Konsumenten.

[5:07] Jörg Wagner: Sie hatten ja ursprünglich auch Aufsehen erregt – ich glaube, das war Ende 2017 – als Sie nicht nur anmahnten, dass möglicherweise Gemeinschaftseinrichtungen im Osten angesiedelt werden müssten, sondern dass auch programmlich es einige Defizite gäbe. Sehen Sie die noch angesichts der Ankündigung der ARD, jetzt zumindest bei den Tagesthemen die regionale Berichterstattung auszubauen?

[5:31] Dr. Reiner Haseloff: Diese Veränderung, die man dort plant, jeden Tag bei den Tagesthemen fünf Minuten zuzugeben und damit auch mehr regionale Themen auch zu platzieren aus den einen einzelnen Sendebereichen, das ist erstmal ja schon ein Erfolg, den wir erzielt haben. Das wäre nicht gekommen, wenn wir nicht diese Diskussion damals eröffnet hätten. Aber innerhalb der sonst laufenden Programmformate fühlen wir uns – und das sagen mir viele Bürgerinnen und Bürger – unterbelichtet. Man berichtet, wenn irgendetwas Schlimmes geschehen ist. Das ist auch in Ordnung so, weil ist ja auch eine Chronistenpflicht der Journalismus gibt, aber die positiven Dinge, wenn ich mir alleine die stundenlangen Sendungen aus den Karnevalsregionen des Rheinlandes ansehe – bei uns gibt es übrigens auch Karneval – dann ist das schon eine Disproportion, die da ist, die weiter diskutiert werden muss. Wenn man sich auch die Zusammensetzung der einzelnen Zentralstudios ansieht und auch der Nachrichten-Macher, dann ist der Osten unterproportional beteiligt. Und diese Diskussion sollte man ganz fair und ohne Emotionen im 30. Jahr der Wiedervereinigung führen dürfen. Ich glaube, dass gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Fernsehen eine Aufgabe hat, den Vereinigungsprozess weiter positiv zu begleiten. Und dass wir immer noch in vielen Bereichen, nicht nur mental, sondern auch rechtlich ein gespaltenes Land sind, das ist ja gerade das Diskussionsthema, was wir auch in der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz regelmäßig auf der Tagesordnung haben. Hier geht es nicht um Klagen. Hier geht es einfach darum, wir haben die politische Verantwortung, dass die Wiedervereinigung weiterhin zur Erfolgsgeschichte wird und dazu gehört eben auch die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

[7:15] Jörg Wagner: Sie treffen sich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in großer Runde im März. Wie konkret ist die Stimmungslage davor bereits aus Ihrer Perspektive? Geht die KEF-Empfehlung einstimmig durch?

[7:28] Dr. Reiner Haseloff: Na gut, die KEF-Empfehlung muss ja erstmal überhaupt von der anderen Seite akzeptiert werden. Wie gesagt, wir können nur empfehlen, wenn wir eine Chance haben wollen in den Landtagen auch durchgekommen, dass die öffentlich-rechtlichen das da sehr, sehr ernst nehmen, was von drin steht. Und zwar 1:1. Nicht bloß da, wo es, sagen wir mal, normal, relativ leicht zu realisieren ist, sondern eben auch da, wo es durchaus härtere Notwendigkeiten gibt …

[7:54] Jörg Wagner: … also Sie erwarten tatsächlich, dass die Intendanten ihre Gehälter kürzen?

[7:58] Dr. Reiner Haseloff: Wir erwarten, dass es zumindest ein Angebot zur Selbstverpflichtung, wie man 1:1 erreichen will, bezüglich des KEF-Berichts bei uns eingeht vorher, damit wir eine Diskussionsgrundlage haben. Und das ist uns auch in Aussicht gestellt worden, dass man an die Ministerpräsidenten herantreten möchte mit Selbstverpflichtungsvorstellungen. Was das konkret ist, werden wir sehen. Aber wie gesagt, wer den Bericht von vorn bis hinten liest, kann eben nicht bloß die Seite herausnehmen, wo eine Gebührenerhöhung vorgegeben ist, die auch nur dann käme in dieser Größenordnung, wenn die anderen Punkte deutlich mit erfüllt werden. Ansonsten lägen wir weit über 20 € und ich sage mal, die Intendantinnen und Intendanten sind gut beraten, unsere Signale dahingehend ernst zu nehmen, dass wir ja nicht, wir als Ministerpräsidenten, die Entscheidungen zu fällen haben, sondern die Landtage. Und dort sind ganz realistisch Diskussionen zu erwarten, die eben auch auf der Basis des KEF-Berichtes geführt werden. Und wenn wir dann eine Chance haben wollen, die Mehrheiten zu bekommen, um damit auch ein klares Bekenntnis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für das Fernsehen abzugeben, dann sollte dieser Bericht sehr, sehr ernst genommen werden und eine entsprechende politische Lösung herbeigeführt werden, damit wir nicht vorm Verfassungsgericht in Karlsruhe landen. Das wäre nicht gut. Wir sollten das politisch handln.

[9:24] Jörg Wagner: Es gibt noch eine weitere Unsicherheit. Was machen Sie und Ihre Kollegen, mit dem Fall Thüringen? Rechnen Sie damit, dass es einen Vertreter des Freistaates geben wird?

[9:33] Dr. Reiner Haseloff: Na, ich sehe momentan dort keine Möglichkeit, schnell zu einer Entscheidung zu kommen, wenn nicht ein politischer Freischlag erfolgt, dass dort eine handlungsfähige Regierung eingesetzt wird und das bleibt ein weiteres Risiko. Das ist klar. Das ist sicherlich problematisch, weil wir nur 16:0 eben einen Chance haben, hier auch weiter zu kommen und deswegen hoffe ich, dass in Thüringen so schnell wie möglich eine politische Lösung herbeigeführt wird.

[10:00] Jörg Wagner: Ansonsten bleibt der Beitrag stabil bei 17,50 €. Wahrscheinlich anders gemeint seinerzeit durch die Arbeitsgruppe Beitragsstabilität, die ja auch mal ins Leben gerufen war. Ich bedanke mich recht herzlich beim Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, bei Reiner Haseloff.

Dr. Reiner Haseloff: Ich danke auch. Herzlichen Dank und alles Gute.








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