Von SDTV, dab+ und 5G Broadcast

Ulrich Reimers | Foto: © Jörg Wagner

Was: Interview am Rande der KEF-Pressekonferenz zum 22. KEF-Bericht
Wer:
* Prof. Dr. Ulrich Reimers, TU Braunschweig, stellv. KEF-Vorsitzender
* Jörg Wagner, freier Medienjournalist
Wo: Berlin, Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und bei der Europäischen Union, In den Ministergärten 6, 10117 Berlin
Wann: 20.02.2020, 15:32 Uhr



(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[0:00] Ulrich Reimers: Mein Name ist Ulrich Reimers. In meinem richtigen Leben bin ich Professor für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität in Braunschweig. In der KEF bin ich der stellvertretende Vorsitzende und leite die Arbeitsgruppe, in der unter anderem alle technischen Aspekte behandelt werden von der Verbreitung der Programme über Entwicklungsprojekte bis hin auch zu den Investitionen.

[0:24] Jörg Wagner: Die ARD hat jetzt angekündigt mit dem Januar 2021 die SD-Versorgung auf dem Satelliten einzustellen, was auch Konsequenzen für die Kabelverbreitung haben wird. Nun gibt es aus der Politik Stimmen, zum Beispiel aus Sachsen Anhalt, dass der Anteil der SD-Nutzer immer noch sehr hoch sei und dass es die Armen und die Ärmsten treffen würde und die ARD könne nicht sparen, zugunsten dieser Bevölkerungsgruppe. Wie schätzen Sie das als Techniker ein? Wie hoch ist tatsächlich die Nutzung und warum haben Sie auch der KEF geradezu empfohlen, da Mittel zu kürzen?

[0:57] Ulrich Reimers: Wenn man sich die derzeitige Haushaltsausstattung mit Fernsehempfangsgeräten anschaut, dann ist die letzte Zahl, die mir zur Verfügung steht, dass 79,6 % aller Haushalte in Deutschland mittlerweile bereits das HDTV auf ihren Endgeräten sehen. Meine Vermutung ist, dass die Haushaltsausstattung mit HDTV-fähigen Endgeräten nochmal viel höher ist, dass nur viele Menschen sich mit der Tatsache gar nicht befasst haben, dass sie Programme z. B. das ZDF-Hauptprogramm sowohl in der Version SD wie auch in der Version HD empfangen können. Wenn sie ihre Programme empfangen über das terrestrische Fernsehen, also das Fernsehen mit der Dachantenne, dann empfangen sie sowieso nur noch die DVB-T2. Und dort gibt es sowieso nur noch die Programme in der HD-Ausführung. Bisher waren per Satellit die Programme sowohl in der klassischen Fernsehqualität, als auch in HD ausgestrahlt worden. Die privaten Programmanbieter strahlen ihre Programme in dieser klassischen SD-Qualität – SD steht für Standard Definition, also die klassische Auflösung – weiterhin aus, weil sie gemerkt haben, dass ihr Angebot, HDTV-Programme nur noch gegen Bezahlung sehbar zu machen, offensichtlich zu wenige Menschen erreicht. Aus diesem Grunde lassen die Privaten die SD-Verbreitung weiter laufen. Die öffentlich-rechtlichen aber bezahlen im Moment für die Parallel-Ausstrahlung – und ich bin jetzt wirklich beim Thema Satellit – tatsächlich Geld speziell für ihre Fernsehprogramme, für die Zuschauerinnen und Zuschauer, die wahrscheinlich in großen Teilen bereits die HDTV-Empfangbarkeit zu Hause beherrschen, es aber nicht wissen. Und nun haben wir noch genügend Zeit, dass gerade die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter in ihren Programmen selber, die Bevölkerung, die vermutlich bereits in großen Teilen jenseits dieser 79,6 % HDTV empfangen können, dazu zu bringen, nun auch diese HDTV-Empfangsmöglichkeit tatsächlich auch zu nutzen. Und vor diesem Hintergrund hat sich die KEF seit Jahren mit der Thematik beschäftigt: Wann hören wir mit der – und nun sage ich mal bewusst – Geld-Verschwendung auf, Programme doppelt auszustrahlen? Was gerade bei den Satelliten-Kosten nennenswerte Beträge bringt.

[3:22] Jörg Wagner: Mit derselben Logik könnte man die dab+ Ausstrahlung beenden, weil die Nutzung der UKW-Signale deutlich höher ist als die der digitalen. Ist das eine Überlegung für die KEF zu sagen, wir setzen hier doch mal – in … wie [es] schon, ich kann mich erinnern, in der Vergangenheit gemacht wurde – die ARD hier unter Druck und das Deutschlandradio, wenn nicht bis zu einer bestimmten Jahreszahl eine gewisse Geräteanzahl da ist, auch diesen Empfangsweg einzustellen?

[3:46] Ulrich Reimers: Diese Entscheidungen haben wir bereits im 20. und 21 Bericht der Kommission getroffen, haben uns aber zum 22. Bericht, nachdem sich die Entwicklung bei dem digitalen Hörfunkempfang und insbesondere die politischen Unterstützungsmaßnahmen für den digitalen Hörfunkempfang so entwickelt haben, wie sie sich entwickelt haben, dazu entschlossen, das Aufgeben jeglicher Finanzierung für den digitalen Hörfunk doch nicht umzusetzen. Was wir allerdings tun, ist – und genau das ist sozusagen unser Druckmittel – wir berechnen die Kosten der Hörfunkverbreitung sowohl für Deutschlandradio als auch für [die] ARD, gemeinschaftlich für die UKW-Verbreitung, wie auch für die Verbreitung über den digitalen Hörfunk. Und das schmelzen wir graduell ab. Jedes Jahr gibt es für diese beiden Verbreitungswege zusammen weniger Geld und zwar mit der Zielsetzung, dass zum Schluss genau das Geld über bleibt, dass man noch für die Verbreitung mit den digitalen Hörfunkprogrammen tatsächlich benötigt, nach den Vorgaben, die uns dazu die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten selber gemacht haben. Das heißt, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden sich sehr genau überlegen müssen, wie viel – und jetzt kommt dieser Begriff – Simulcast-Aufwand, also das … Aufwand für die Parallelverbreitung sie sich zukünftig noch leisten wollen.

[5:08] Jörg Wagner: Können Sie da das Lineal anlegen? Welches Jahr trifft das?

[5:11] Ulrich Reimers: Die ursprüngliche Konfiguration dieses Modells, die wir auch schon im 20. Bericht der KEF, also vor vier Jahren entwickelt haben, geht auf ein Jahr 2028 hinaus, wo wir in dem Punkte dann wirklich nur noch die Gelder anerkennen, die für einen Verbreitungsweg verfügbar sein müssen.

[5:28] Jörg Wagner: Was wäre denn die Alternative?

[5:30] Ulrich Reimers: Die Alternative zu UKW ist natürlich im Moment dab+, aber man darf nicht vergessen, wir haben mittlerweile x Verbreitungswege, über die wir insbesondere Sprache und Musik empfangen können. Das ist natürlich insbesondere das Smartphone. Das ist natürlich aber auch jeder andere Internetzugang, den ich derzeit verfügbar habe. Sei es zu Hause oder sei es im Büro. Nun wird der Mobilfunk weiter entwickelt. Im Moment steht die fünfte Generation des Mobilfunks auch in allen Zeitungen. Und der startet nun auch in absehbarer Zeit in Deutschland. Und da stellt sich sofort die Frage: Ist denn diese fünfte Generation des Mobilfunks nicht möglicherweise die Ablösung für alles dies, weil das, was man ja darüber liest, im Grunde von der Art ist, dass 5G alles erschlagen kann, worüber man sich als Kundin oder Kunde auch nur Gedanken macht. In Wirklichkeit wird es aber so sein, dass dieses 5G-Thema ein Thema ist, bei dem sehr eng gebaute Sendernetze die Versorgung bereitstellen, weil die entsprechenden Frequenzen, die zur Verfügung stehen, zumindest noch über Jahre sehr hohe Frequenzen sein werden, die kleine Abstände zwischen diese Sendemasten, also den so genannten Basisstationen, erfordern. Insofern ist bei 5G mit Flächendeckung der Versorgung, so wie wir sie beim Hörfunk erwarten würden, überhaupt nicht absehbar zu rechnen. Wenn es dann aber soweit ist, wäre es natürlich Unsinn, wenn man in diese wertvolle Ressource 5G-Mobilfunknetze, auch alle die Programme hinein bringen würde, die wir derzeit als Fernseh- oder Hörfunk-Rundfunk kennen, mit dem Ziel, dass dann jeder individuell, wenn er ein Programm sehen möchte oder ein Programm hören möchte, jeweils eine individuelle Verbindung aufbaut. Also man müsste sich das an einem Fußball-Wochenende dann eben so vorstellen, dass dann tatsächlich jede und jeder, der individuell ein Fußballspiel sehen will, auch eine individuelle Verbindung aufbaut und bezahlt. Und dann ist tatsächlich die Überlegung, dass in diesem 5G-Mobilfunknetz auch eine Art von Rundfunk-Modus eingebaut werden kann, der es ermöglicht, dass dann eben z. B. Fußballspiele von einer Basisstation ausgestrahlt und von allen empfangen werden können. Das ist die Idee hinter 5G Broadcast. Das ist nun mal der internationale Name, den wir uns in Braunschweig an der Universität ausgedacht haben und den wir im Moment so weit gebracht haben, dass er in Verbindung mit industriellen Partnern in verschiedenen Ländern, inklusive China und Brasilien praktisch erprobt wird.

[8:08] Jörg Wagner: Und Sie sagen, das startet jetzt demnächst auch in Deutschland?

[08:11] Ulrich Reimers: Es gibt den Feldversuch in Deutschland bereits …

Jörg Wagner: … mit dem Bayerischen Rundfunk?

[08:15] Ulrich Reimers: … zum einen ist es der Feldversuch im Bayerischen Rundfunk. Da sendet ein Sender auf dem Wendelstein und ein Sender auf Ismaning. Die Sender stammen von einer Bayerischen Firma, der Firma Rohde & Schwarz. Und die Funktionen, die es ermöglichen, darüber 5G Broadcast zu machen, stammen aus Braunschweig, aus meinem Institut.









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