rbb auf Sparkurs – Intendantin Patricia Schlesinger nach der Wiederwahl

Patricia Schlesinger | Foto: © Jörg Wagner

Wer:
* Patricia Schlesinger, rbb-Intendantin
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Interview nach der Wiederwahl als Intendantin
Wann: rec.: 11.09.2020/ 12:25 Uhr, veröffentlicht in einer 11:04-Fassung im radioeins-Medienmagazin am 12.09.2020, 18:20 Uhr und stark gekürzt am 13.09.2020, 10:44/17:44/22:44 Uhr im rbb Inforadio

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[00:00:00]
Daniel Bouhs: Frau Schlesinger, herzlichen Glückwunsch auch von uns zur Wiederwahl, Sie sind ja auch unsere Intendantin.

[00:00:04]
Patricia Schlesinger: Herzlichen Dank!

[00:00:05]
Daniel Bouhs: Ist Ihre Tätigkeit allerdings so unbeliebt, dass es keine ernsthaften Wettbewerberinnen oder Wettbewerber gab? Was wissen Sie?

[00:00:15]
Patricia Schlesinger: Ich weiß, es gab drei, die durchaus etwas vorzuweisen hatten. Aber mehr weiß ich auch nicht. Das ist ja Sache der Wahlkommission. Die haben mir gesagt drei, darunter gab es auch Frauen oder zumindest eine Frau. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Das ist ja bei uns ein Verfahren, wie es in anderen Sendern nicht stattfindet. Wir müssen ausschreiben, selbst bei der Wiederwahl. Das ist in anderen Häusern wesentlich leichter geregelt …

[00:00:37]
Daniel Bouhs: … immerhin kann man sich bewerben.

[00:00:38]
Patricia Schlesinger: Immerhin kann man sich bewerben. Das, finde ich, ist durchaus transparent. Und die Bewerbung war veröffentlicht in der „Zeit“ und auch online und im „Tagesspiegel“, glaube ich, und in der „Märkischen Allgemeinen“, wenn ich es richtig im Kopf habe. Und es haben sich drei beworben, aber ich kann Ihnen dazu nichts sagen, weil da gilt natürlich Datenschutz. Das wurde mir nicht mitgeteilt. Nur dass es drei waren. Darunter gab es auch, zumindest eine Frau.

[00:00:57]
Jörg Wagner: Aber was hat Ihnen der Rundfunkrat zurückgespiegelt, warum er Ihre Amtszeit verlängert wissen will? Womit haben Sie gepunktet?

[00:01:04]
Patricia Schlesinger: Gepunktet habe ich, glaube ich, damit, dass ich meine Zusagen eingehalten habe. Und die Zusagen waren damals die richtigen. Ich habe gesagt, wir müssen die Marke rbb anders darstellen, den Sender stärker machen, lauter werden, deutlicher werden, den Sender bekannter machen. Er ist immerhin ein Hauptstadtsender in einer spannenden Region. Also Berlin-Brandenburg hat so viel anzubieten und es eigentlich gar nicht einzusehen, dass dieser Sender nicht so richtig wahrgenommen wurde – Vergangenheit, Präteritum – nicht so richtig wahrgenommen wurde, sowohl in der ARD, aber vor allen Dingen nicht bei den Userinnen und Usern, Zuschauerinnen, Hörern. Dass der Sender stärker wahrgenommen wird, war das erste Versprechen. Das zweite war, sich dem Fernsehprogramm zu widmen, was damals, als ich antrat, auf einem von der Quote her, das heißt also auch vom Zuspruch her, auf dem historischen Tiefstand war von 5,4 Prozent. Ich habe gesagt, das kann nicht sein. Es kann auch nicht sein, dass in der Primetime, das heißt da, wo die Küche am heißesten ist, dieser Sender fast ausschließlich Wiederholungen oder Übernahmen aus anderen Dritten oder aus dem Ersten Programm sendet. Um eine eigene Identität zu haben, muss man selber Programm produzieren und zwar nicht in den Randzeiten, sondern da, wo es vielleicht am schwersten ist zu bestehen, aber da, wo die Leute es auch wahrnehmen. Und der Dritte Punkt war Multimedialität. Der Weg muss geebnet werden in die Multimedialität. Das alles ist erfolgt. Ich könnte Ihnen jetzt zu jedem einzelnen Punkt dazu etwas sagen, aber das würde, glaube ich, die Zeit sprengen.

[00:02:25]
Daniel Bouhs: Wir sind ja seit sechs Monaten in einer besonderen Zeit. Sie haben den Slogan geprägt „Der rbb macht’s“. Kultur trotz Corona, da hat der rbb viel übertragen und auch Sichtbarkeit geschaffen für die Kultur. Es gab viel Beifall, konnte man registrieren, aus der Region dafür. Sie haben das Fernsehprogramm angesprochen: Die „Abendschau“, „Brandenburg aktuell“ sind gefragt wie nie. Rekordwerte. Und auch der Marktanteil des rbb-Fernsehens ist gestiegen. Also es gab nicht nur zahlenmäßig einen Anstieg, sondern auch im Konzert mit den anderen Sendern wird der rbb stärker wahrgenommen. Haben Sie denn nach Corona noch Ziele übrig?

[00:03:06]
Patricia Schlesinger: Gemeine Frage! Ich glaube, dass die Menschen gemerkt haben, was in schwierigen Zeiten der gute Freund, ein Sender, der immer da ist, auch in schwierigen Zeiten, liefern kann, leisten kann. Und das ist ein Versprechen, was wir geben, weil wir werden öffentlich bezahlt. Von daher haben wir gesagt: Wir sind genau dafür da. Der rbb macht’s und wir haben getan, was wir konnten in der Krise. Um da anzusetzen: Haben ja nicht nur im Sinne von ausschließlich Kultur gemacht, sondern wir haben auch Gottesdienste übertragen, wir haben auch Sport gemacht. Also wir haben das ganze Programm eigentlich umgestellt, haben auch gestreamt. Dafür sind wir da: Wenn es schwierig wird, den Menschen nicht nur im Sinne von ausschließlich wieder zu erklären, was passiert hier, also Orientierung geben, Hintergründe, Analysen zu liefern und zwar im Hörfunk wie im Fernsehen und online, sondern tatsächlich auch zu sagen: Zerstreuung, aber auch die Möglichkeit, sich in dem kleiner werdenden Raum, wenn man zu Hause eingesperrt war, so haben sich ja viele Menschen gefühlt während des Lockdowns, den Raum wieder etwas größer zu machen und die Welt ein Stück näher rücken zu lassen. Und das geht über die verschiedenen Bereiche, über die verschiedenen Angebote. Das hat gut funktioniert. Daraus haben wir auch etwas gelernt. Die Ziele, die übrig sind, kann ich Ihnen genau sagen: Wir werden wesentlich digitaler werden müssen und wir werden das hinkriegen müssen bei sinkenden Einnahmen. Das heißt, gleichzeitig müssen wir sparen.

[00:04:19]
Daniel Bouhs: Also Programm streichen?

[00:04:21]
Patricia Schlesinger: Nein, warten Sie mal! Wir müssen sparen. Das ist ein wichtiger Punkt. Und das müssen wir mit den Mitarbeitenden hier gemeinsam tun. Und das ist echt schwierig. Das heißt, wir reiten die berühmten zwei Pferde, die ich immer wieder zitiere: das digitale Pferd, das neue junge Fohlen, was ein Rennpferd werden wird irgendwann – wahrscheinlich schon ist und wir ganz schnell umsteigen müssen – und das lineare Pferd, was im Grunde momentan noch ein Dressurpferd ist, was gut funktioniert, aber irgendwann wird es auf die Weide kommen und wir sagen, das gibt’s noch, aber es ist nicht mehr so wichtig. Das heißt, wir müssen Geld ins Digitale investieren und müssen gleichzeitig sparen. Das ist für uns alle ein harter Prozess, der vor uns steht. Sie haben gefragt, ob wir im Programm sparen. Ich glaube, wir werden das Programm nicht auslassen können. Wir haben in der Vergangenheit angebremst, wie mein Verwaltungsdirektor immer völlig zurecht es nennt. Wir haben angefangen zu sparen, haben das so gemacht, dass man es bisher im Programm kaum merkt, kaum merkt, haben auch dafür nicht nur Zuspruch gehabt, auch aus den Reihen der Mitarbeitenden. Natürlich findet es niemand lustig, wenn sein Etat kleiner wird. Selbstverständlich nicht! Aber wir werden da weiter gucken müssen, wo wir was gezielt rausnehmen, was wir uns leisten können. Heißt:

[00:05:30]
Wir werden priorisieren müssen. Wir werden gucken müssen, was ist uns wirklich im Kernbereich wichtig und bei welchen Dingen sagen wir „Na ja, das ist gut zu haben, nice to have, aber wir müssen es nicht unbedingt machen“. Das wird die nächsten Wochen und Monate und wahrscheinlich Jahre bestimmen. Und ich sage immer wieder: Wir werden mit weniger Menschen und weniger Geld Programm machen müssen. Das heißt, wir müssen anders produzieren, wenn wir auch nur im Ansatz die Quantität – Programm – und die Qualität im Programm aufrechterhalten wollen. Das wird schwer genug werden. Das wird schwer genug werden. Aber da hat uns Corona – Sie haben die Krise angesprochen – eher geholfen, auch mal Dinge auszuprobieren, die uns vorher auch in den Redaktionen nicht möglich erschienen …

[00:06:10]
Daniel Bouhs: … die man sich nicht getraut hat.

[00:06:11]
Patricia Schlesinger: Die man sich nicht getraut hat. Und jetzt sehen wir: Es geht. Und es gibt ja viele Menschen, auch in diesem Sender, die es können, die ganz anders produzieren können. Und das müssen wir stärken.

[00:06:20]
Jörg Wagner: Der rbb muss nicht nur sparen, wenn der Rundfunkbeitrag genehmigt wird, der von der KEF vorgeschlagene 18,36 Euro, sondern er muss dann noch mehr sparen, wenn dieses Paket nicht durchkommt, weil der Landtag in Sachsen-Anhalt – so zumindest die „Mitteldeutsche Zeitung“ – ist bei den Parteien CDU und auch bei den Linken, sowie bei der AfD eher dafür, da so eine Art Moratorium einzuziehen. Die AfD zweifelt an der Ernsthaftigkeit der ARD. „Wer sich Intendanten mit astronomischen Gehältern leistet, kann nicht von Konsolidierung reden.“ Ist das im Kreis Ihrer Kolleginnen und Kollegen diskutiert worden?

[00:06:57]
Patricia Schlesinger: Wir haben darüber diskutiert, selbstverständlich. Wobei: Wir sind da fein. Wir sind nicht mit solchen astronomischen – wie es heißt, das ist ein Zitat! – Gehältern unterwegs hier im rbb, insgesamt nicht, muss man sagen. Das ist diskutiert worden, ja.

[00:07:11]
Jörg Wagner: Mit welchem Resultat? Gehen Sie mit so einer Art Selbstverpflichtung an die Öffentlichkeit? Die KEF hatte so was zum Beispiel im Vorfeld ihres letzten Berichtes, also die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, angedeutet, dass man sich das auch wünschen würde.

[00:07:24]
Patricia Schlesinger: Ja, das stimmt. Mit der KEF kann man über so etwas verhandeln. Das geht für die nächste Runde. Könnte man. Konjunktiv. Was nicht geht, ist, dass die Politik uns Bedingungen stellt für eine Erhöhung. Das hat der Gesetzgeber damals definitiv so nicht angelegt, so nicht gewollt, dass eine Beitragserhöhung, die von der KEF empfohlen wird – mehr ist es ja nicht -, geknüpft wird an politische Bedingungen. Das ist extra so nicht gewollt. Deswegen wird es so in der Form das nicht geben.

[00:07:53]
Daniel Bouhs: Wie sinnvoll ist dann aus Ihrer Sicht, dass das überhaupt durch die Parlamente geht? Also, haben die Parlamente überhaupt noch einen Spielraum?

[00:08:01]
Patricia Schlesinger: Klar, die haben immer einen Spielraum. Das sieht man ja gerade. Den nutzen Sie ja auch. Das ist schon so. Es ist sinnvoll, es ist richtig, weil das muss von der breiten Bevölkerung, aber auch tatsächlich demokratisch legitimiert getragen werden. Also, ich halte das schon für ein gutes, für ein richtiges System. Ich glaube, es liegt an uns, immer wieder zu werben, um wahrzunehmen, was wir eigentlich tun. Was da passiert, ist ja auch durchaus Politisches – ich sage mal – handlen. Warum passiert das gerade dort in Sachsen-Anhalt? Warum mit den von Ihnen genannten Parteien, den Fraktionen? Das ist ja auch ein politisches Geschäft, was hier betrieben wird. Da wird auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk mitbenutzt. Und genau das sollte eben nicht passieren. Der Gesetzgeber hat genau das eigentlich ausgeschlossen.

[00:08:45]
Daniel Bouhs: Was sagt denn Ihr Bauchgefühl? Wird Sachsen-Anhalt am Ende zustimmen oder müssen Sie bzw. der Vorsitz am Ende nach Karlsruhe und sich das Geld dort erstreiten?

[00:08:55]
Patricia Schlesinger: Ich glaube, das geht nicht um Bauchgefühl. Das ist beides möglich. Das sage ich auch meinen Mitarbeitenden hier. Das ist nicht Gesetz, dass es klappt, und es ist genausowenig Gesetz, dass es nicht klappt. Es kann schief gehen – und dann gehen wir nach Karlsruhe.

[00:09:07]
Daniel Bouhs: Sie sagten schon, Sie müssen so oder so sparen. Was müssen Sie sich dann verkneifen? Also Sie wollen ins Digitale letztlich investieren, verstärkt, wie alle Sender. Wo machen Sie gezielt für die nächsten vier Jahre denn Abstriche? Machen Sie das so wie Ihr früherer Sender, der NDR, der im Zuge eines größeren Sparpakets sehr offensiv gesagt hat: Wir ziehen auch Geld, Budgets, aus dem Ersten raus, aus dem Gemeinschaftsprogramm, um das im Norden in dem Fall zu erhalten, was uns wichtig ist. Ist das auch Ihr Weg?

[00:09:36]
Patricia Schlesinger: Das muss jeder Sender wirklich selber sehen, wo der eigene Weg ist, denn es gibt ja auch Sender, die leisten überproportional viel für die ARD. Es gibt andere, die leisten deutlich weniger für die ARD, also auch weniger, als sie eigentlich sollten…

[00:09:47]
Jörg Wagner: … geben Sie das „Mittagsmagazin“ wieder ab?

[00:09:49]
Patricia Schlesinger: Nein.

[00:09:49]
Jörg Wagner: Aber Sie sparen bei rbb Kultur.

[00:09:51]
Patricia Schlesinger: Der nächste Satz wäre gewesen: Wir werden definitiv nicht im Ersten wieder sparen. Wir haben uns da mit Mühe, einen Platz erkämpft, und den werden wir versuchen, mit allem, was geht, zu halten.

[00:10:00]
Jörg Wagner: Aber Sie sparen bei rbb Kultur. Eine Million …

[00:10:04]
Patricia Schlesinger: … ja, und das sind zehn Prozent des Budgets. rbb Kultur, die Radiowelle, ist die teuerste Kulturradiowelle der ARD. Da kann man schon fragen: Vielleicht geht es auch etwas preiswerter, etwas schlanker? Und der eigentliche Punkt ist und das hatte mit der Sparaufgabe erst mal gar nichts zu tun: Wir haben weit davor darüber geredet, was machen wir denn mit rbb Kultur, denn wir haben gesehen, dass der Zuspruch in den Marktanalysen immer weiter runtergeht. Da haben wir gesagt: Da muss doch was passieren. Und dann haben wir uns die Zahlen mal angeguckt, wie viele Menschen arbeiten da, wie viel Geld ist da? Und die Zahlen gehen trotzdem runter. Also, das ist ein ganzes Paket. Und wir haben jetzt ja nicht in erster Linie ein Sparpaket – es ist auch ein Sparpaket, aber in erster Linie ein Reformpaket auf den Weg gebracht, was ab Mitte des Monats greift. Das ist ja gleich. Also nächste Woche …

[00:10:49]
Jörg Wagner: … können Sie da schon etwas verraten?

[00:10:49]
Patricia Schlesinger: Das ist die erste Tranche. Die zweite Tranche kommt im Dezember. Das ist eine leichte Coronaverzögerung. Wir hatten eigentlich gedacht, wir kriegen ist alles gleichzeitig früher hin. Es ist, wie es ist. Wir machen es jetzt in zwei Tranchen, aber noch in diesem Jahr. Ja, es wird andere … es wird nicht weniger Wort geben. Es wird andere Zeiten geben, zu denen bestimmte Sendungen zu hören sind. Es wird neue Sendungen geben. Ich kann Ihnen das en détail auch geben. Wir haben dazu eine Auflistung, was wann gesendet wird. Wenn Sie das haben möchten, bekommen Sie das sehr gerne. Und ehrlich gesagt, was ich gerade wahrnehme bei den Mitarbeitenden: Das ist natürlich nicht für alle fröhlich. Das ist nicht für alle fröhlich, weil sie andere Dinge tun müssen, weil sie vielleicht nicht mehr moderieren, weil sie auch was Neues finden müssen, besonders für freie Mitarbeitende. Und das nehme ich wirklich sehr ernst. Wir müssen uns da weiter bemühen, da möglichst viel Beschäftigung für diejenigen, die betroffen sind, zu finden. Aber ich nehme auch wahr und ernst, dass in dieser Redaktion viele sind, die sagen: Endlich, da muss was passieren, wir werden endlich etwas moderner, etwas ansprechender, etwas wärmer, etwas zugewandter. Also, das sehe ich auch.

[00:11:53]
Jörg Wagner: Aber Sie würden die Vokabel „ausdünnen“ von sich weisen bei diesem Programm?

[00:11:57]
Patricia Schlesinger: Ja! Wir dünnen nicht aus. Wir dünnen nicht aus. Es bleibt ein Kulturradio – mit viel Musik, aber auch mit viel Wortanteilen. Wir machen mal was anders. Und das Andere wird natürlich immer misstrauisch beäugt. Aber ich glaube, es ist höchste Zeit.

[00:12:09]
Daniel Bouhs: Bei der Kulturwelle muss man sparen, es bleibt aber eine Kulturwelle. Man muss gleichzeitig mit der Kultur auch stärker ins Digitale. Da gibt es eine Parallelität zu Frankfurt am Main. Stichwort: hr2. Da gibt es einen ähnlichen Vorgang, der auch sehr kritisch von der oft ja auch gut organisierten Kulturszene begleitet wurde. Das heißt bei den Kulturwellen offensichtlich wird in der ARD – man kann ja fast sagen fast flächendeckend, weil andere Sender das auch zum Teil gemacht haben – gespart. Wäre es da nicht sinnvoll, stärker in die Gemeinsamkeit zu gehen, so eine Art Rahmenprogramm zu haben mit regionalen Fenstern? Ist das eine Option für Sie?

[00:12:45]
Patricia Schlesinger: Ich möchte nicht vergleichen, was wir machen mit dem hr. Das möchte ich einfach nicht. Ich glaube, wir sind von ganz unterschiedlichen Standpunkten ausgegangen und das Ergebnis ist auch ganz unterschiedlich. Und wenn Sie sich das en détail angucken – das will ich nicht kommentieren -, werden Sie das selber feststellen. Wir haben eine ganz andere Voraussetzung gehabt. Wir sind mit ganz anderen Zielen in den Reformprozess gegangen als der Hessische Rundfunk. Das muss jeder selber wissen. Die eigentliche Frage ist ein Rahmenprogramm für die Kultur. Ich glaube, es würde uns hier, speziell in dieser Region und über die kann ich am besten reden in dem Fall, in Berlin und Brandenburg ganz schlecht tun, wenn wir das täten. Denn wir sind eine ganz starke Kulturregion, wenn nicht die stärkste in Deutschland, zumindest eine der zwei, drei ganz großen starken. Ich glaube, es tut uns gut, ein Vollprogramm als Kulturwelle zu haben. Und ich freue mich vor allen Dingen auf das, was im Netz passiert in Zukunft.

[00:13:35]
Daniel Bouhs: Das heißt, Sie verteidigen sozusagen die Eigenständigkeit auch dieser Welle, wenngleich ja im Hörfunk auch größere Kooperationen Stichwort „Infonacht“ oder auch „Popnacht“ – ja eigentlich gelernt sind. Warum soll die Kultur davon ausgenommen sein?

[00:13:50]
Patricia Schlesinger: Weil es hier so viele Kulturangebote gibt, so viele, so unterschiedliche, so prall, diese Region ist so prall gefüllt mit Kultur und wir haben so viele Kooperationen zum Beispiel auch, feste Medienpartnerschaften mit Kulturinstitutionen hier in Berlin, aber auch in Brandenburg, dass ich sage: Mir würde es sehr, sehr schwer fallen. Das ist für mich ein letzter Schritt. Das möchte ich eigentlich überhaupt nicht andenken müssen. Nein, ich glaube, eine eigene Kulturwelle ist wirklich was Gutes, was Richtiges, was auch im Kern der DNA unseres Senders liegt und auch bleiben sollte.

[00:14:20]
Jörg Wagner: Nun haben Sie ja angekündigt, ein Digitales Medienhaus zu errichten. Es gab ein Architekturwettbewerb. Das sieht auch sehr schick aus alles. Aber nun hat Corona gezeigt, dass eine Konzentration auf einem Fleck eher hinderlich ist. Der Campusstil des rbb in Potsdam zum Beispiel zeigt, da hat jedes Haus eine eigene Funktion: das Radiohaus, das Fernsehhaus, ein Verwaltungshaus, die Intendanz ist extra. Dass das in – ich sage mal auch – Krisenzeiten, wofür der Rundfunk ja auch mal ursprünglich erdacht wurde, sehr gut funktioniert: Kann man Digitalität nicht so verstehen, dass digitales Arbeiten, vernetztes Arbeiten heißt, egal, wo man ist, und dass man hier dann die Summe, die Sie da investieren, lieber wieder ins Programm zurückfließen lässt?

[00:15:00]
Patricia Schlesinger: So einfach ist es nicht. Das ist ja ein anderer Topf. Wir kriegen dafür ein extra Geld. Wir sparen dafür auch. Das ist nicht so einfach, dass man sagt, das ist Geld, was man eins zu eins nicht verbaut, sondern es geht dann ins Programm. Das funktioniert so nicht. Also, wenn Sie sich die Systematik unserer Finanzierung angucken, geht das so nicht. Das ist das eine. Sie haben ja zwei Fragen in einer gestellt. Natürlich kann man im Digitalen anders arbeiten. Ich habe vorhin erzählt, im Vorgespräch, dass wir Doppelmoderationen hatten: Der eine Moderator saß zu Hause auf dem Sofa oder an seinem Schreibtisch und der andere stand hier im Studio. Bei radioeins zum Beispiel. Da geht viel…

[00:15:31]
Jörg Wagner: … sogar aus dem Bett moderieren geht.

[00:15:34]
Patricia Schlesinger: Ich habe auch schon auf der Bettkante Interviews gegeben. Das geht alles wunderbar. Das finde ich auch sehr gut. Und ich glaube, da haben wir auch viel gelernt. Ich glaube dennoch, dass es Sinn macht, wenn wir uns organisieren nicht mehr über Ausspielwege, sondern über Inhalte. Wir nennen das Content-Boxen, Inhalts-Boxen. Ich glaube, dass da ganz viel geht, eben weil wir digitalisieren, dass Menschen, die miteinander sitzen, möglichst schnell entscheiden: Das ist wichtig, das brauchen wir, wir brauchen es für die Welle so, für die nächste Welle anders, fürs Fernsehen noch mal anders. Aber dass zum Beispiel die Planung gemeinsam stattfindet, das ist, glaube ich, ein großes Asset und ich habe vorhin gesagt, wir müssen mit weniger Menschen auskommen in Zukunft. Wir werden nicht mehr Stellen kriegen, sondern kontinuierlich werden wir – das ist auch eine Vorgabe der KEF – Stellen abbauen. Das heißt, wir werden mit weniger Menschen auskommen müssen. Das heißt nicht, mit keinen Menschen. Ich bin keine Freundin von großen Algorithmen. Wir werden auch die brauchen, aber menschengemachtes Programm ist immer noch eigenkuratiertes, kluges, menschlich gemachtes Programm. Davon halte ich eine ganze Menge. Und das ist mir auch wichtig, gerade im Journalismus, weil ich glaube nicht, dass eine künstliche Intelligenz eins zu eins Menschen da ersetzen kann. Aber ich glaube daran, dass wir, wenn wir stärker zusammenarbeiten, zum Beispiel die Planung gemeinsam machen, die Planung zum Beispiel von der „Abendschau“ und von Inforadio stärker miteinander verknüpfen, um mal ein Beispiel zu geben, und das „Mittagsmagazin“ passt da auch noch rein. Dass man die Planer zumindest in die Nähe setzt, dass man sagt, wie geht das, dass man da sagt, wir können auch mit weniger Menschen genauso gutes Programm machen. Das ist das Ziel. Und dann war Ihre Frage, die hatte ja noch einen Layer: Wie gehen wir in Krisen- und Coronazeiten damit um, dass Menschen nah beieinander sitzen im Großraumbüro? Und man muss sich ja auch fragen, wenn man gelernt hat, Digitalität macht einen mobil und unabhängig vom Ort – unabhängiger, nicht ganz unabhängig -, was heißt das fürs Flächenmanagement? Wie viel Fläche braucht man eigentlich? Daran arbeiten wir gerade. Wir haben eine Arbeitsgruppe, die überlegt, was sind tatsächlich die Lehren aus Corona: Müssen wir noch so groß denken oder können wir unser Medienhaus im Newsroom auch vielleicht ein bisschen kleiner machen? Da gibt es inzwischen auch Modelle zwischen 10 bis 40 Prozent weniger Raum. Darüber denken wir gerade nach. Das wird gerade evaluiert. Das halte ich für extrem wichtig.

[00:17:40]
Jörg Wagner: Nun hat man schon von Anfang an beim rbb auf Multimedialität gesetzt. Hier war man Pionier in der ARD. Das ist auch bei diesem Standort Berlin mit der langen Tradition bis zum Funkturm 1924, ich sage mal, auch immer wieder ein Symbol, da nichts zu verschlafen. Aber man hatte ja jetzt im Sommer den Eindruck, dass sozusagen die menschliche Weiterbildung im rbb so ein bisschen hinkt, also die menschlich-politische, rhetorische, inhaltliche, strukturelle insofern, dass man den Eindruck hatte, man ist nicht mehr auf dem höchsten Standard der journalistischen Qualifikation. Stichwort „Kalbitz-Interview“. Nun haben Sie auch da inzwischen ein Signal gesetzt, dass es einen Wechsel in der Chefredaktion gibt. Aber es ist ja wie beim menschlichen Körper: Der Kopf denkt ja nicht immer für alles mit bis in die Zehenspitzen, sondern da gibts auch autonome Organe. Die Leber arbeitet ordentlich, die Milz arbeitet unabhängig vom Gehirn. Ist es nicht auch Zeit, sagen wir mal, das Bewusstsein in den Redaktionen zu schaffen, hier nachzubessern, sich auf das rhetorische Niveau der politischen Anforderungen zu stellen?

[00:18:41]
Patricia Schlesinger: Ihre Frage beinhaltet zwei Punkte, die ich so nicht sehe beziehungsweise einen Punkt und der andere ist richtig falsch. Falsch ist, dass der Chefredakteur aufhört wegen des Kalbitz-Interviews. Das ist definitiv nicht der Fall. Wir reden seit Dezember darüber – es ist auch aktenkundig sogar – seit Dezember darüber, dass er aufhört. Und zweitens: Manchmal ändern sich auch die Zeiten, die Zustände, die Gespräche. Es hatte mit dem Kalbitz-Interview – darauf gebe ich Ihnen mein Wort – nichts zu tun. Das eine Koinzidenz der Ereignisse und ich habe immer sehr deutlich darauf hingewiesen, das hat nichts miteinander zu tun. Nichtsdestotrotz haben wir trotzdem personelle Konsequenzen getroffen. Das heißt, wir haben strukturelle und auch – wir verändern in der Struktur der Redaktion etwas – und auch personelle Konsequenzen getroffen. Der Chefredakteur hat damit nichts zu tun. Das war die eine Geschichte. Das war richtig falsch. Das Zweite ist, das teile ich so nicht, dass wir grundsätzlich nicht auf der Höhe, der rhetorischen, inhaltlichen und journalistischen Qualitätshöhe sind, die es braucht, um tatsächlich exzellenten Journalismus zu machen. Über das Kalbitz-Interview habe ich gesagt: Das war eine journalistische Minderleistung, die ein klassischer Managementfehler war. Und das darf uns nie wieder unterlaufen. Ich glaube, es hat sich niemand mehr geärgert als ich darüber. Vielleicht noch die Betroffenen selber, aber definitiv ich. ich war wirklich … es ist so misslich, kann ich gar nicht anders sagen. Das darf uns nicht passieren!

[00:20:00]
Warum ist das passiert? Das ist passiert, weil eine Redaktion wie ein kleines Dorf – um bei Asterix zu bleiben – nur ein kleines Dorf bei sich geblieben ist und nicht daran gedacht hat, nicht drauf gekommen ist, dass ein Kalbitz-Interview Größeres beinhaltet, dass man da vielleicht sich anders vorbereitet als ein Interview mit dem Ministerpräsidenten zu führen oder aber auch mit Frau Nonnemacher zu führen. Das ist was anderes, wenn man einen Kalbitz vor sich hat. Wir haben eine junge Kollegin, die eine sehr gute Reporterin ist, die sich auch mit der AfD schon beschäftigt hatte, die, weil sie – mein Bild war immer: eine gute Sportlerin ist, eine gute Marathonläuferin ist, hat man sie in den Boxring gestellt. Die konnte da gar nicht reüssieren. Das ist passiert, weil die Redaktion nicht darauf gekommen ist, dass wir vielleicht hier im Haus Menschen haben, die das besser könnten, sondern eine kleine Redaktion arbeitet alles bei sich ab. Wagenburg. Das darf nicht passieren. Content-Boxen werden so etwas in Zukunft verhindern. Wir werden immer wissen, wenn wir in einer Content-Box „Information“ sitzen und arbeiten, werden wir immer wissen: Aha, es kommt ein Kalbitz-Interview bei „Brandenburg aktuell“, wer macht es denn? Und die eigentliche Frage ist: Wer ist dafür am besten geeignet? Und was mich da ärgert, ist: Hier im Haus haben wir Menschen, die das könnten. Mir fallen auf der Stelle drei Leute ein, die das Interview besser hätten machen können. Weil: Wer hat denn über Herrn Kalbitz berichtet? Wer hat denn herausgefunden über seine Vergangenheit, die ja nun eher dunkel ist, wer hat das ans Licht gezerrt? Wer hat im Grunde dafür gesorgt, dass Herr Kalbitz seinen Job so nicht mehr hat? Das ist der rbb gewesen! Also, wir haben die Expertise. Wir haben exzellente Interviewer hier. Man hat einfach die falsche Person in den Ring gestellt, was mir vor allen Dingen für die junge Kollegin wirklich leid tut, denn die ist eigentlich gut, die kann es. Aber es konnte so nicht gelingen. Man hat ja nicht mal die Expertise angefordert zur Vorbereitung. Hätte man ja auch tun können. Auch das ist nicht passiert. Ich habe gesagt: Wagenburgmentalität. Die müssen wir rauskriegen, da muss was anderes sein. Und da erhoffe ich eben, dass das, wenn wir in Content-Boxen arbeiten, nie wieder so passiert. Also Sie merken an meinem Engagement, es hat mich wirklich geärgert.

[00:21:59]
Daniel Bouhs: Das wirkte jetzt so ein bisschen so, als wäre sozusagen die Redaktion nicht auf die Idee gekommen – ich sage es mal ein bisschen konkreter – bei „Kontraste“ oder bei Olaf Sundermeyer anzufragen „Könnt ihr uns da briefen, könnt ihr vielleicht das Interview führen, whatever“. Es geht ja um zwei Richtungen. Hat man sich vielleicht auch – ich sage mal – in der Zentrale, so fühlt sich das hier im Fernsehzentrum ja bisweilen an, dann nicht ausreichend dafür informiert, was der Rest des rbb macht?

[00:22:21]
Patricia Schlesinger: Das kann man immer sagen. Man kann auch sagen – auch das haben wir aufgearbeitet -, wie sind denn die Kommunikationstränge. Es waren noch mehr Stellen nicht informiert über dieses Kalbitz-Interview. Zum Beispiel unsere Social-Media-Redaktion. Man weiß, egal wie man wie man ein Kalbitz-Interview führt oder ein Interview dieser Güte führt, sagen wir es mal allgemeiner: Es wird immer Reaktionen auf Social Media geben. Also, ob es ein gutes Interview ist, ein starkes Interview oder ein eher schwaches Interview – Social Media ist an dem Tag, in der Nacht darauf stärker gefordert. Die wurden gar nicht informiert, dass es das gibt. Also, von daher: Da muss man vorbeugen, ganz anders arbeiten, die Informationsketten anders erarbeiten. Ich sage Ihnen: So wird es nie wieder passieren. Hoffe ich jedenfalls. Wir haben jedenfalls eine Menge dafür getan, dass das nicht mehr passiert.

[00:23:14]
Daniel Bouhs: War offensichtlich ein Wachrütteln. Dann vielleicht …

[00:23:16]
Patricia Schlesinger: Ja. Entspricht aber auch wirklich nicht den Usancen und den Qualitäten – von daher, Herr Wagner, das meinte ich vorhin, das sehe ich überhaupt nicht – der Qualität der Interviews, die dieses Haus sonst führt. Wir können das. Es einmal richtig missglückt. Das kann man auch nicht schönreden. Wir haben es aufgearbeitet und damit ist das auch für uns jetzt…

[00:23:32]
Jörg Wagner: … ja, aber die Sommerinterview sind abgeschafft als Format. Aber nun gibt es ja auch noch Vorwürfe generell, dass in Talks zu wenig ausgewogen wird nach politischen Gruppierungen. Ich erinnere mich noch: Früher wurde bei der ARD immer mit einer Stoppuhr dagesessen und man hat geguckt, wie viel Sendezeit hatte die CDU …

[00:23:49]
Patricia Schlesinger: … genau.

[00:23:49]
Jörg Wagner: Und da gibt es sogar einen interessanten, lustigen Sketch von Loriot da zu diesem Thema. Aber es gibt natürlich trotzdem immer noch wieder große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung, wenn man das Gefühl hat, hier kommen auch bestimmte relevante Gruppen gar nicht vor. Gibt es da bei Ihnen ein neues Nachdenken, wie man das künftig organisiert, dass das gesamte Spektrum in den rbb kommt?

[00:24:12]
Patricia Schlesinger: Was meinen Sie denn mit dem gesamten Spektrum? Wir reden ja über die AfD und wir reden natürlich auch mit der AfD.

[00:24:19]
Daniel Bouhs: Aber auch gesellschaftliche Gruppen. Die Studie, die jetzt vorgestellt wurde, moniert ja letztlich durch eine Auszählung, dass viele auch gesellschaftlich hoch anerkannte Gruppen, NGOs zum Beispiel, so gut wie nicht stattfinden in Talkshows. Also es geht nicht nur um sozusagen das politische Muster. Es geht auch darum, dass gesellschaftlich engagierte Gruppen kommen …

[00:24:28]
Patricia Schlesinger: Also auch NGO’s …

[00:24:28]
Jörg Wagner: … aber auch das Stichwort „linksgrün-versifft“, Ihnen ja nicht unbekannt, dass man hier gerechter wird, dass man also auch mal rechte Kommentare zulässt.

[00:24:36]
Patricia Schlesinger: Ich weiß, was Sie meinen jetzt. Ja. Ich glaube, da war Raum für Verbesserungen. Ich glaube aber, die Lektion ist gelernt. Wenn ich unseren Sender angucke: Wir machen zum Beispiel eine Sendung im Dritten, die heißt „Wir müssen reden“. Da kommen Menschen zu Wort, Gruppierungen zu Wort, die, so glaube ich, sonst nicht – ich sage mal Widerhall finden…

[00:24:55]
Daniel Bouhs: … wie Herr Ballweg, zum Beispiel gerade.

[00:24:57]
Patricia Schlesinger: Zum Beispiel. Ganz genau. Und wir haben natürlich auf der anderen Seite dann sofort den Vorwurf: Bieten wir eine Bühne? Bieten wir eine Bühne für irgendwelche Versprengten, in Klammern vielleicht sogar rechten Gruppierungen? Ich sage, man muss reden. Man muss mit denen reden. Man muss auch die zu Wort kommen lassen. Übrigens noch einmal: Kalbitz-Interview. Wenn wir sagen, wir machen alle Fraktionsvorsitzenden, machen wir natürlich auch Herrn Kalbitz. Selbstverständlich. Da gab es auch Stimmen, das hätte man nicht machen dürfen. Falsch! Wir müssen mit Menschen, die anders denken, reden. Wir müssen sie zu Wort kommen lassen, sowohl in Social Media als auch tatsächlich im linearen Fernsehen oder Hörfunk. Selbstverständlich. Ich glaube, da hat sich schon eine Menge bewegt. Auch gerade in den Hörfunkwellen höre ich gerade auch sehr viele Interviews – oder sehr viele, ich höre einige Interviews, wo ich mich manchmal auch selber frage, muss man denen jetzt so viel Raum gewähren? Ja, ich glaube, man muss, weil die Gesellschaft ist so divers geworden, dass man nicht mehr sagen kann, wir haben einen Mainstream, ob der nun der einen oder der anderen Richtung zuneigt, sondern wir müssen uns mit dem gesamten Spektrum beschäftigen. Sobald es in irgendeiner Form wirklich relevant wird, sobald es größer wird, muss man sagen: Was ist das? Wo kommt das her? Wie kann das sein? Manche Dinge sind absurd. Muss man auch sagen. Manche sind auch politisch für uns unverständlich. Aber das hat man ja auch gerade bei den Corona-Demos, mit den Kritikern von Corona-Maßnahmen – muss man vorsichtig formulieren – gesehen. Ich glaube, man muss da miteinander reden. Es hat keinen Sinn zu sagen, die sind klein, den hören wir nicht zu oder das sind „Covidioten“. Davon halte ich gar nichts, sondern das sind Menschen, die sich anders orientieren. Man muss fragen: Was ist los? Wo kommt es her? Unverständnis kommt ja häufig durch Unwissen, also muss man reden.

[00:26:29]
Daniel Bouhs: Vielleicht abschließend nochmal der Ausblick auf Ihre jetzt zweite Amtszeit: Wird das die Amtszeit werden, in der Sie auch den ARD-Vorsitz übernehmen möchten?

[00:26:39]
Patricia Schlesinger: Ich würde das gerne tun. Das habe ich auch bereits kundgetan. Aber es ist überhaupt noch nicht amtlich, denn das wird natürlich innerhalb der Intendantenrunde abgesprochen. Das wird ausgewählt. Es gibt eine gewisse Reihenfolge da und ich sehe das eher positiv im Moment. Wenn nichts weiter dagegen spricht, möchte ich sehr gern, dass der rbb das tut. Das ist ja keine One-Woman-Show, sondern es trifft das gesamte Haus und auch vor allen Dingen die Geschäftsleitung, die dann für zwei Jahre – erst einmal eins und dann vielleicht nochmal plus eins – ganz andere Aufgaben übernimmt für die ARD. Ich halte das für eine große Aufgabe, der ich auch mit Respekt und Demut entgegen gucke, aber wo ich sage, es ist auch eine wichtige Aufgabe. Und warum sollte ein Hauptstadtsender nicht dafür mal die Hand heben?

[00:27:18]
Daniel Bouhs: Tom Buhrow wird ja sozusagen in diesem Jahr das vielleicht anstrengendste Jahr und auch forderndste Jahr bislang in der Geschichte der ARD als Vorsitzender – Stichwort „Widerstand gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags“, wir haben es besprochen – hinter sich haben. Wird das in Anführungszeichen im Vergleich eher ein „Wellnessvorsitz“ werden? Was wird die große Herausforderung sein?

[00:27:38]
Patricia Schlesinger:
Wissen Sie was? Der nächste Berg ist immer der höchste. Das ist so. Weiß ich nicht. Kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben da einiges vor uns, was tatsächlich einfach abläuft. Also die nächste Gebührenperiode oder Beitragsperiode kommt dann ja auch wieder. Das ist noch zu lange hin. Ich bin gestern schon gefragt worden, was werden denn Ihre Ziele sein? Das kann ich dann sagen, wenn es tatsächlich so weit ist, wenn wir dran sind, wenn wir wirklich wissen, wir werden es und wenn wir uns dann darüber klar geworden sind. Wir arbeiten daran, wir denken schon dran, wir überlegen uns schon, wie wir uns aufstellen, inhaltlich wie personell, was wir genau da tun. Aber das ist wirklich noch eine Runde zu früh.

[00:28:15]
Jörg Wagner: Wir klopfen spätestens dann wieder bei Ihnen an.

[00:28:17]
Patricia Schlesinger: Sehr gerne, Sie sind herzlich willkommen!

[00:28:18]
Jörg Wagner: Vielen Dank für dieses Interview. Wir wünschen Ihnen viel Glück und Energie für Ihre Amtsverlängerung.

[00:28:22]
Patricia Schlesinger: Vielen herzlichen Dank!

[00:28:24 ]
Daniel Bouhs: Danke für Ihre Zeit!

Patricia Schlesinger: Ich nehme alle guten Wünsche. Danke.








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