Karola Wille: Beitragsstabilität finden Sie nicht im Rundfunkrecht

Karola Wille | Foto: © Jörg Wagner

Wer:
* Prof. Dr. Karola Wille, mdr-Intendantin seit 2011
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Schaltgespräch zur Rundfunkbeitragsdiskussion
Wann: rec.: 11.12.2020, 18:00 Uhr, veröffentlicht in einer 14:32-Fassung am 12.12.2020, 18:09 Uhr im radioeins-Medienmagazin und in einer 5:12-Minuten-Fassung am 13.12.2020, 10:44/17:44 Uhr im rbb Inforadio

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[00:00:00]
Jörg Wagner: Zugeschaltet ist uns jetzt die mdr-Intendantin Prof. Dr. Karola Wille. Guten Abend!

[00:00:05]
Prof. Dr. Karola Wille: Schönen guten Abend!

[00:00:05]
Daniel Bouhs: Guten Abend!

[00:00:07]
Jörg Wagner: Bevor wir uns das aktuelle Schadensbild in Magdeburg genauer ansehen, möchte ich mal einen Spruch zitieren: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Dieser sehr philosophische Gedanke entsprang auch schon aus der CDU, nämlich 1995. Da sagte ihn der Bundesvorsitzende der CDU und Bundeskanzler Helmut Kohl. Dass die sachsen-anhaltische CDU-Landtagsfraktion also gegenwärtig mit einem Koalitions-Beschluss aus dem Jahr 2016 argumentiert, der eine Beitragsstabilität festlegt, war Ihnen, Frau Prof. Wille, sicher damals auch schon bekannt. Sie waren in dieser Zeit ARD-Vorsitzende. Hätte man also nicht schon vor vier Jahren damit rechnen müssen, dass eine Beitragserhöhung scheitern würde?

[00:00:54]
Prof. Dr. Karola Wille: Der Begriff Beitragsstabilität ist ja nicht allein in dem Land Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit verwandt worden. Wir erinnern uns sehr gut, dass alle Bundesländer gestartet sind mit dem Thema „Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ und mit dem Ziel, eine Beitragsstabilität auch dadurch sicherzustellen. Das war ein politisches Ziel. Es ist ja dazu auch eine Menge passiert, beispielsweise im Bereich der Strukturreform durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und dann gehört natürlich auch dazu, dass es ein rundfunkrechtliches und verfassungsrechtlich geschütztes Verfahren gibt, was die konkrete Höhe des Beitrages für eine bestimmte Periode X festlegt. Und da kann es nicht mehr um politische Zielstellungen gehen, sondern dann geht es um rechtliche Rahmenbedingungen, um Rundfunkfreiheit zu sichern.

[00:01:43]
Daniel Bouhs: Wir möchten an dieser Stelle auch gern eine passende Hörer-Bitte weiterreichen. Thoralf Winkler aus Elbenau – das liegt passenderweise in Sachsen-Anhalt – hat uns über facebook.com/medienmagazin gebeten, mal ausführlicher zu erklären, wie das mit der Festsetzung des Rundfunkbeitrags eigentlich läuft. Das machen wir natürlich gerne und bei dieser Gelegenheit auch mit Ihnen. Wie kommen in diesem Fall die 18,36 Euro als Empfehlung zustande? Wer redet da alles mit?

[00:02:10]
Prof. Dr. Karola Wille: Das erklär ich gern. Ich versuche mich kurz zu fassen, weil es ist ja immer ein längerer Prozess. Also, geregelt hat die Frage der Festsetzung der Höhe des Rundfunkbeitrags der Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat dazu ein rundfunkrechtliches Verfahren entwickelt. Das ist im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt. Das beginnt mit der Anmeldung durch die Rundfunkanstalten. Die Rundfunkanstalten definieren, wie ihr Bedarf für die nächsten vier Jahre aussieht im Bereich der Personalkosten, der Sachkosten, im Investitionsbereich. Und diese Anmeldungen gehen dann geschlossen von ARD, ZDF, Deutschlandradio an eine Kommission. Das ist die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Die besteht aus 16 Vertretern, Experten. Experten, aus den unterschiedlichsten Bereichen: Das sind Wirtschaftsprüfer, Rechnungshofvertreter. Also alle Facetten, die da bei der Prüfung eine Rolle spielen können. Und die schauen sich die Anmeldungen der Rundfunkanstalten genau an. Sie prüfen, wie es heißt, die Wirtschaftlichkeit. Und gucken, ob das, was angemeldet ist im Rahmen des Programmauftrages, den der Gesetzgeber ja auch gegeben hat, sich hält. Also genau schauen: Personalkostenbereich okay, die Steigerungen. Was ist angemeldet? Ist das wirtschaftlich? Gibt’s Effizienzpotenziale? Sind die Personalkosten zu hoch? Die prüfen eine ganze Weile. Das ist ein intensiver Prozess. Monate. Und dann gibt es aus dem Prozess heraus eine Empfehlung. Da kam eben beispielsweise für die nächste Beitragsperiode heraus: 18,36 Euro. Das war das, was man als bedarfsgerecht und wirtschaftlich seitens der KEF sieht, dieser unabhängigen Kommission. Und dann geht es zu den Parlamenten und da sind wir jetzt. 16 Landesparlamente müssen dann dieser Empfehlung zustimmen und die Parlamente sind nicht frei in ihrer Entscheidung, weil eben nicht durch politische Entscheidungen die Freiheit, Unabhängigkeit und die Sicherung des Auftrages wieder ausgehebelt werden darf. Und deshalb gibt es nur wenige Gründe, wo Parlamente dann berechtigt sind, von dieser Empfehlung abzuweichen. Und wenn 16 Landtage zugestimmt haben, dann steht fest: Der Rundfunkbeitrag ist ab 1. Januar, jetzt 2021 für die nächsten vier Jahre – das ist in der Regel die Beitragsperiode – dann so fix.

[00:04:10]
Jörg Wagner: Welche Rolle spielt denn dabei die „AG Beitragsstabilität“ der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten? Ich meine, die trägt ja quasi im Namen eben keine Erhöhung.

[00:04:21]
Prof. Dr. Karola Wille: Also Beitragsstabilität finden Sie nicht im Rundfunkrecht und das finden Sie auch nicht im Verfassungsrecht. Also es ist ehrlich gesagt … wenn Sie mal googlen, finden Sie es im Krankenversicherungsrecht. Das ist sozusagen, dass die Leistung stabil gehalten werden sollte. Der Beitrag, der da gezahlt wird. Es ist ein politisches Ziel. Es ist die Überlegung und das kann ich nachvollziehen, dass man auch den Rundfunkbeitrag in der Gesellschaft akzeptiert, dass die Höhe von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird, dass das Akzeptanz findet. Und deswegen sollte das so niedrig wie möglich natürlich sein. Aber die Länder bestimmen den Auftrag und das, was man alles leisten soll, wie viele Programme es gibt, welche inhaltliche Ausrichtung – also Information, Unterhaltung, Kultur – all das geben die Länder ja vor.

[00:05:03] Und wenn man einen Auftrag hat, muss man ihn ordentlich erfüllen und das ist alles, was der Gesetzgeber entscheiden kann. Denn er gestaltet ja letztlich die Rundfunkordnung. Dazu gehört aber – das ist sozusagen das Gegenstück, wenn Sie so wollen – die Programmautonomie der Rundfunkanstalten. Und die Rundfunkanstalten entscheiden eben selber über ihre Inhalte. Es darf keinen staatlichen Eingriff geben. Sie sind frei. Sie sind unabhängig. Und genau das ist ja der große Unterschied zum Staatsfunk und deswegen muss auch das Finanzverfahren unabhängig sein, sonst könnte man über den goldenen finanziellen Hebel oder Zügel, könnte das alles wieder aushebeln und gibt eben weniger Geld, um durchzusetzen, dass es weniger Nachrichten, weniger internationale Berichterstattung gibt. Und das genau deswegen ist die Programmautonomie ein hohes Gut, was auch durch das KEF-Verfahren letztlich mit gesichert wird.

[00:05:49]
Daniel Bouhs: Können Sie denn nachvollziehen, dass einzelne Politiker wie Markus Kurze in Magdeburg, aber auch Reiner Haseloff hatte ja entsprechende Anmerkungen jetzt die Tage gemacht, dass einzelne Politiker sagen: Na ja, warum landet das denn dann bei den Parlamenten, wenn wir nicht das Recht in Anspruch nehmen können, auch Nein zu sagen? Also welche Rolle haben wir da überhaupt?

[00:06:09]
Prof. Dr. Karola Wille: Also ich kann das nachvollziehen, dass die Parlamente sagen, wir sollen uns damit intensiv befassen, wir kriegen das auf unserem Tisch, wir müssen das parlamentarisch ja dann auch legitimieren und müssen den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen können. So wie es jetzt geregelt ist, haben es die Landesgesetzgeber ja aber selbst entschieden. Also alle 16 Bundesländer haben in dem Staatsvertrag geregelt, dass das Verfahren so ausgestaltet ist und dass die Parlamente am Ende des Weges die Entscheidung treffen. Es steht den Landesgesetzgebern frei, es anders zu regeln. Und darauf hat das Bundesverfassungsgericht aufmerksam gemacht. Beispielsweise könnte die Beitragsentscheidung auch durch Rechtsverordnung getroffen werden. Es gibt auch andere Gestaltungsmöglichkeiten. Die müssten dann die 16 Bundesländer eben ausgestalten.

[00:06:51]
Daniel Bouhs: Wir unterhalten uns weiterhin mit der Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks, Prof. Dr. Karola Wille, über die derzeitige Situation zum Stichwort Rundfunkbeitrag. Frau Wille, Medienrechtler wie Bernd Holznagel von der Universität Münster haben uns auch hier im Medienmagazin gesagt, dass die Sender gute Karten hätten in Karlsruhe. Es haben ja inzwischen tatsächlich ARD, ZDF und Deutschlandradio Klage eingereicht, flankiert mit Eilanträgen, damit der Beitrag vielleicht schon zum 1. Januar steigt. Man weiß aber ja nie, wie ein Gericht urteilt. Es könnte also doch so sein, dass zum 1. Januar der Beitrag nicht steigt. Die Sender haben aber ihre Budgets entsprechend ausgerichtet und auch die Rücklagen nicht mehr, die einst bei der Umstellung von der Gebühr auf den Beitrag entstanden waren. Wo strukturell gesehen könnten öffentlich-rechtliche Sender kurzfristig sparen?

[00:07:41]
Prof. Dr. Karola Wille: Also, wenn die Beitragshöhe nicht 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 wäre, dann ist ja klar, dann sind wir alle nicht bedarfsgerecht finanziert. „Nicht bedarfsgerecht finanziert“ heißt, das bleibt nicht ohne Auswirkungen auch auf das Programm. Und ich habe für den Mitteldeutschen Rundfunk das berechnen lassen, in welcher Größenordnung uns dann für die nächsten vier Jahre Geld fehlen würde. Für uns sind das 165 Millionen Euro, die sozusagen nicht vorhanden wären, um das, was die KEF, als diese Kommission festgestellt hat, was notwendig ist, um den Auftrag zu erfüllen. Und deswegen ist die Dimension immens. Also das ist für vier Jahre ein Landesfunkhaus finanziert. Ich werde es nicht schließen, aber wo dann generell dann konkrete Entscheidungen getroffen werden, da sind wir in der Geschäftsleitung dabei, uns dazu zu verständigen. Aber eins ist Fakt: Wir gucken natürlich erst einmal nach Karlsruhe jetzt.

[00:08:34]
Jörg Wagner: Ja, aber man hört ja schon, dass es Programmkürzungen geben soll. Und Ihr Vorgänger im Amt, Udo Reiter, hatte 2005, als es um 88 Cent Rundfunkgebühren, damals noch Rundfunkgebührenerhöhung ging, noch eine andere Möglichkeit ins Spiel gebracht. Medienmagazin 5. Februar 2005:

O-Ton: „Sollte freilich auch diese abgesenkte Erhöhung scheitern, dann wäre das für uns – und das ist jetzt keine rhetorische Figur, sondern Tatsache – dann wäre das für uns der Super-GAU. Ich mag mir die Konsequenzen gar nicht ausmalen. Jedenfalls kämen wir dann – das kann ich für den mdr erklären – um betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr herum …“

[00:09:12]
Jörg Wagner: Ja, auch wenn Sie vielleicht mit einer rechtsstaatlichen Zuversicht ausgestattet sind, Frau Professor Wille und den Worst Case nicht laut denken mögen, aber es ist doch bestimmt interessant für die Hörerschaft, was aktuell hier quasi der Streitwert ist. Sie haben rund 2.000 festangestellte Mitarbeiter beim Mitteldeutschen Rundfunk. Wie viel müssten zum Jahresende gehen?

[00:09:32]
Prof. Dr. Karola Wille: Ich schaue auch mal zurück, weil ich das jetzt in den letzten Tagen getan habe, was eigentlich damals beim Mitteldeutschen Rundfunk passiert ist zwischen 2004 und 2008. Wir haben damals in der Tat, das erwirkte ja für die Zukunft dann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und es waren deutlich geringere Erlöse. Wir hatten für den Mitteldeutschen Rundfunk in diesen vier Jahren dann 100 Millionen Euro aus dem Haushalt weniger zur Verfügung. Wir haben damals einen Einstellungsstopp sofort veranlasst. Es gab damals durchaus Streichungen im Sendungsbereich. Es ging damals ein „Tatort“ verloren. Es sind bestimmte Sendungen nicht mehr in der Zeit gelaufen. Also wir hatten in der Tat weitreichende Konsequenzen, aber betriebsbedingte Kündigungen gab es nicht.

[00:10:12]
Daniel Bouhs: Bremen und das Saarland unterstützen die Klagen der Sender. In einer gemeinsamen Erklärung der beiden Landesregierungen ist davon die Rede. Die Sender könnten die Länder in Haftung nehmen, nach dem Motto: Es waren ja die Länder, die die Programme und Plattformen beauftragt haben. Und sie müssten jetzt auch für die Deckung sorgen. Ist das denn für Sie, Frau Wille, eine Option, sich an die Regierung Ihrer drei Länder in dem Fall Sachsen, Thüringen und natürlich auch Sachsen-Anhalt zu wenden und bildlich gesprochen im Notfall die Hand aufzuhalten?

[00:10:41]
Prof. Dr. Karola Wille: Also, schwierige Frage. Was zutreffend ist, dass, wenn Länder Rundfunkanstalten gründen, dann sind sie die Mutter Gemeinwesen. Und die müssen auch dafür sorgen, die Länder dann, dass sie auftragsgerecht finanziert werden können. Kann ich also im Moment für uns noch nicht erkennen. Aber wir werden natürlich die Lage genau sondieren müssen in den nächsten Tagen und Wochen.

[00:11:03]
Daniel Bouhs: Gibt es denn so was wie flüssige Mittel, sag ich jetzt mal? Also könnten Sie, auch wenn das Bundesverfassungsgericht ein paar Monate braucht, um zu urteilen, diese Zeit überbrücken? Oder müssten Sie, wenn der Beitrag nicht steigt, zum 1.1. tatsächlich hart reingehen mit Kürzungen?

[00:11:18]
Prof. Dr. Karola Wille: Also wir haben uns überlegt, wenn 165 Millionen: Was heißt das eigentlich? Und wir gehen davon aus – wir müssten da ernsthaft drüber nachdenken – das wäre ja für das erste Jahr 20 Millionen, die wir noch zusätzlich aus dem Haushalt rausholen müssen. Wir sind ja jetzt schon dabei. Der Mitteldeutsche Rundfunk muss für die nächsten vier Jahre mit 18,36 Euro 40 Millionen insgesamt einsparen und haben dort auch ein Stufenspar-Szenario schon entwickelt, dass wir Stück für Stück realisieren werden. Und deswegen wäre natürlich … also es sind Programmentscheidungen, dabei bleibe ich, dann unausweichlich für das, was da, wenn es so käme, vor uns liegt.

[00:11:53]
Jörg Wagner: Parallel muss man sicherlich nachdenken über ein zukünftiges Verfahren. Weil ehe das medienpolitisch sich durchsetzen kann, vergehen ja auch wesentlich mehr Jahre, als man immer denkt. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow hat gerade dem Spiegel ein Interview gegeben. Darin hat er gefordert, dass nach den Erfahrungen in Magdeburg künftig nicht mehr alle 16 Landtage sich einig sein müssten, wenn es um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags geht. Also weg vom Einstimmigkeitsprinzip, was alle 16 Länder wiederum einstimmig entscheiden müssten. Wünschten Sie sich das? Und für wie realistisch halten Sie das?

[00:12:27]
Prof. Dr. Karola Wille: Also in der Tat, wenn man das System wechselt – und ich hatte ja eingangs verschiedene Varianten genannt, dann müssten Sie bei dem Systemwechsel erst mal wieder die Zustimmung aller 16 Bundesländer zu diesem Systemwechsel haben. Man kann – und das ist auch damals in dieser Entscheidung angedeutet worden – Gebühren … also damals hieß es noch Gebühr, solche Entscheidungen auch mit Mehrheitsentscheidungen ermöglichen. Also es wirft eine ganze Reihe von Fragen auf und ich finde, der Einheitsbeitrag für alle Länder ist auch ein hohes Gut.

[00:12:55]
Daniel Bouhs: Der Hebel der Länder ist ja letztlich die Beauftragung der Sender, eben nicht die Finanzausstattung. Die ist ja über die KEF dann unabhängig gelöst. Da könnten die Intendantinnen und Intendanten, also auch Sie, auch Vorschläge machen, wie das künftig aussehen könnte. Vielleicht zeitgemäßer. Das hat es ja schon einmal gegeben. „ZDF Kultur“ und „ARD Plus“ wurden eingestellt, damit es das junge Angebot „Funk“ im Gegenzug kostenneutral geben kann, also ohne den Beitrag dafür erhöhen zu müssen. Welche Vorschläge planen Sie denn vielleicht diesmal? Oder wollen Sie das den Ländern überlassen, die ja eine Arbeitsgruppe eingerichtet haben und 2022 einen neuen Auftrag und eine neue Struktur vorschlagen wollen?

[00:13:34]
Prof. Dr. Karola Wille: Tom Buhrow, der ARD-Vorsitzende hat ja in all den Gesprächen auch immer wieder gesagt, es gäbe ja eine klare Vorstellung aufseiten der Länder, dass man bis zum Jahr 2022 Vorschläge erarbeiten will zum künftigen Auftrag in der digitalen Welt. Und wir haben immer gesagt, wir werden uns daran konstruktiv beteiligen, wenn es um die Rolle im Digitalen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht. Dazu werden wir in den nächsten Wochen, Monaten natürlich in der ARD eine intensive Diskussion führen, wie wir uns sehen. Und ich finde, wir brauchen in der Tat eine zeitgemäße Debatte auch mit der Gesellschaft über Stellenwert, Funktion in einer Zeit, wo sich die Kommunikation, die Kommunikationsräume, aber auch … also verändern und auch Gefährdungen für den Meinungs- und Willensbildungsprozess vorhanden sind, sich stärken. Also wir brauchen beispielsweise ja nur da hinzuschauen, was passiert eigentlich in den sozialen Netzwerken? Ich finde, Fake News und Desinformation haben ein demokratiegefährdendes Potenzial. Und was heißt Gegengewicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Was das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung gefordert hat. Wir müssen ein Gegengewicht sein. Was heißt das konkret? Und darüber müssen wir diskutieren.

[00:14:48]
Daniel Bouhs: Haben Sie eine Idee, einen konkreten Vorschlag?

[00:14:49]
Prof. Dr. Karola Wille: Naja, also die Zeit des reinen Sendens ist sicherlich vorbei. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ein Kommunikationsnetzwerk, das einen Kommunikationsraum sichert, der an gemeinwohlorientierten Zielen ausgerichtet ist, also was heißt das für die weitere Veränderung des gesamten Verbundes? Und ja was heißt das für die Zusammenarbeit? Und ich glaube schon, dass die ARD ein Wahnsinnspotenzial hat, tatsächlich so ein Gegengewicht zu bilden. Auch vernetzt, verlinkt mit ZDF, Deutschlandradio. Also den Gemeinwohl-Kommunikationsgedanken mit dem Netzwerk zu verbinden, lohnt sich tiefer nachzudenken.

[00:15:28]
Jörg Wagner: Dieser Satz „Die Finanzierung folgt dem Auftrag“ … diesen Satz kann ich schon nicht mehr hören. Der wird jahrelang schon gesprochen. Ich bin also ein bisschen skeptisch, ob da was kommt, weil ja alle Interessen haben, alle Bundesländer. Und das auszutarieren wird schwierig werden.

[00:15:44]
Prof. Dr. Karola Wille: Wie haben Sie gerade gesagt: Auftrag und Finanzierung hängen zusammen und Finanzierung folgt Auftrag. Ich finde, wir brauchen diese spannende, also innovative, kräftige Auftragsdiskussionen im Sinne eben dessen, was ich angedeutet habe. Und ich finde mit dem „Leipziger Impuls“, den wir da mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus dem öffentlich-rechtlichen Verbund veröffentlicht haben letzten Jahres, da haben wir schon ein Stück … ja gezeigt, was wir diskutieren müssen miteinander.

[00:16:11]
Jörg Wagner: … meint die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks, Prof. Dr. Karola Wille. Vielen Dank für das Gespräch.

[00:16:16]
Prof. Dr. Karola Wille: Vielen Dank an Sie beide.

[00:16:17]
Daniel Bouhs: Vielen Dank für Ihre Zeit.

[00:16:19]
Prof. Dr. Karola Wille: Dankeschön.







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