Stefan Förster zur Novellierung des rbb-Staatsvertrags

Stefan Förster | Screenshot: Berliner Abgeordnetenhaus

Was: Leitungsgespräch zur Novellierung des rbb-Staatsvertrags
Wer:
* Stefan Förster, FDP, Mitglied des Abgeordnetenhauses seit 27.10.2016, Mitglied im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Wann: Live am 27.02.2021, 18:45 Uhr im radioeins-Medienmagazin (rbb) und in einer 4:32-Fassung im rbb Inforadio am 28.02.2021, 10:44/17:44 Uhr


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[00:00:00]
Daniel Bouhs: In der Leitung begrüßen wir jetzt Stefan Förster, für die FDP Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, seit 2016 zudem Mitglied im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und – und hier kommen wir ins Spiel – Medien. Guten Abend.

[00:00:15]
Stefan Förster: Hallo und guten Abend.

[00:00:16]
Jörg Wagner: Guten Abend!

[00:00:17]
Daniel Bouhs: Herr Förster. Die Politik in Berlin und Brandenburg beschäftigt sich mit dem formal staatsfernen aufgesetztem rbb und schreibt einen neuen rbb-Staatsvertrag. Wer ist hier Initiator und wie läuft das demokratische Prozedere ab? Warum ist der Entwurf z. B. nicht öffentlich oder finden wir ihn nur nicht?

[00:00:34]
Stefan Förster: Die Staatsverträge regeln ja die in der Regel die Zusammenarbeit der Bundesländer beim Rundfunk. Nun ist es so, dass wir in Berlin und Brandenburg ja zwei Bundesländer zu berücksichtigen haben. Beim NDR, wir haben ja gerade den ehemaligen Intendanten gehört, wären es sogar vier. Und deshalb haben sich die Staatskanzlei in Potsdam und die Senatskanzlei in Berlin darauf verständigt, einen neuen Rundfunkstaatsvertrag auszuarbeiten. Der alte war acht Jahre alt. In der Regel ist es bei Staatsverträgen gar nicht üblich, dass die Parlamente vorher sich damit befassen, sondern sie kriegen einen fertigen Entwurf vorgelegt. So ein bisschen nach dem Motto: Vogel friss oder stirb. Und das ist so auch eine Kritik, die ich hätte. Transparenz könnte man eher dadurch herstellen, indem man die Entwürfe frühzeitig auch öffentlich diskutiert. Das ist bisher leider nicht der Fall.

[00:01:09]
Daniel Bouhs: Die Anhörung dazu immerhin im Medien-Ausschuss, die war öffentlich, sogar live gestreamt. Wahrscheinlich auch coronabedingt.

[00:01:16]
Jörg Wagner: Ja. Und besonders aufgefallen sind uns zwei Streitpunkte, die wir mit Ihnen gerne besprechen wollen. Zum einen wünscht sich der rbb mehr Flexibilität in der Form, auch der Formate Internet, UKW. Hören wir mal die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger am 24. Februar 2021 während der Anhörung vor Ihrem Medienausschuss, Herr Förster.

[00:01:36]
Patricia Schlesinger: Die Rundfunkgesetze und auch der rbb-Staatsvertrag haben in weiten Teilen und vor allem in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch ein sehr überkommenes, man könnte auch sagen ein ältliches Medienverständnis. Der rbb-Staatsvertrag beispielsweise beauftragt uns mit der Veranstaltung von exakt sieben Radios, linear und über UKW. Die sind genau benannt. Welche Ausrichtung sie haben, das steht genau im Gesetz. Nach diesem gesetzlichen Auftrag, linear und UKW first, Internet unter ferner liefen, richten sich bei uns – und nicht nur bei uns im rbb – sondern bei allen Öffentlich-Rechtlichen die Finanzierung, die Struktur, der Personalaufwand, mithin alle Ressourcen. Nur leider entspricht diese Reihenfolge nicht mehr der medialen Realität. Als der rbb-Staatsvertrag 2002 geschrieben wurde, gab es noch kein iPhone. Es wurde erst fünf Jahre später erfunden. Es gab noch kein Facebook, kein Netflix. Das heißt, Netflix war ein DVD-Verleih in Los Gatos in Kalifornien.

[00:02:39]
Jörg Wagner: Ja, man liest aus dem Referentenentwurf oder zumindest aus einem Entwurf heraus, die Journalisten so teilweise doch dann streuen und irgendwie rangekommen sind, dass man bereit wäre, fünf Radioprogramme, außer 88,8 und Antenne Brandenburg aus der UKW-Pflicht zu entlassen. Wie ist diese Idee bei Ihnen im Ausschuss aufgenommen worden, Herr Förster?

[00:02:58]
Stefan Förster: Also wir fanden das parteiübergreifend merkwürdig. Ich glaube, auch da muss die Politik am Ende auch das Primat haben, um das zu regeln. Wir müssen ja die Interessen der gesamten Bevölkerung auch abbilden. Und die Mehrzahl der Menschen hört nun mal noch UKW, vielleicht künftig Digitalradio, DAB+. Aber wir können ja nicht davon ausgehen, dass alle Leute sich nur noch künftig um Apps kümmern und das Radio digital im Internet hören wollen. Abgesehen davon, wir machen uns damit abhängig von den großen amerikanischen Internetkonzernen. Wir müssen überall flächendeckend 5G anbieten, kostenfrei. Das wird auch nicht so schnell der Fall sein. Ich glaube, hier stiehlt sich der rbb ein bisschen aus seiner Verantwortung, wenn er fordert und Kosten einsparen will hier, indem man die UKW-Programme bald abschalten kann.

[00:03:34]
Jörg Wagner: Also ich hab‘ das nicht so gehört, dass da Kosten eingespart werden sollen, sondern dass man tatsächlich Flexibilität hat, weil man befürchtet, dass ehe der nächste Staatsvertrag auf die Pipeline gegeben wird, dann wieder acht oder zehn Jahre vergehen und dass man dann aber schneller sein will. Weil, es heißt ja doch sehr oft – und dann können Sie uns auch wahrscheinlich das bestätigen – die Politik ist manchmal oder sehr oft der Realität hinterher.

[00:03:55]
Stefan Förster: Ja, aber bei den Staatsverträgen ist das ja eigentlich kein Problem. Auch die Medien-Staatsverträge auf Bundesebene kommen ja mittlerweile in einer hohen Schlagzahl zu uns in die Parlamente. Und wir wären damit, glaube ich, nicht überfordert, auch öfter solche Staatsverträge zu beraten, wenn denn die entsprechenden Wünsche signalisiert werden. Also zu sagen, wir müssen jetzt acht Jahre warten, ist, glaube ich, Unsinn. Wir könnten auch jedes Jahr oder alle zwei Jahre einen beraten. Das ist, glaube ich, nicht das Thema.

[00:04:15]
Daniel Bouhs: Zweiter Streitpunkt ist der Stellenwert der Filmförderung. Es gibt die Idee, den rbb aus der Pflicht zu entlassen, in seinem Programm für die Ausstrahlung geförderter Projekte eine Lizenzgebühr zu bezahlen. Sie vertreten ja als FDP auch ausdrücklich immer Mittelständler wie z.B. ja eben Filmproduktionsfirmen. Wie wird das in dieser Szene diskutiert?

[00:04:37]
Stefan Förster: Das ist ein verheerendes Signal. Man muss ja immer davon ausgehen, dass die Leute, die dort ihre kreative Leistung investieren, in diese entsprechenden Produktionen, am Ende auch davon leben müssen. Und wenn es in keiner Weise mehr honoriert wird oder sie quasi das ehrenamtlich zur Verfügung stellen sollen für die Ausstrahlung, ist das natürlich auch kein Anreiz, dass künftig solche Produktionen weiter entstehen. Und das schwächt doch eher den Produktionsstandort Berlin-Brandenburg.

[00:04:57]
Jörg Wagner: Ja, aber was kann man jetzt nun tun? Also Sie sitzen jetzt im Medienausschuss mit anderen Kolleginnen und Kollegen, beraten ihn. Und wie geht es jetzt weiter? Also das muss ja dann vielleicht umgeschrieben werden. Da müssen Mehrheiten organisiert werden. Es gibt ja noch mehr Streitpunkte. Ob z.B. freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Personalrat vertreten werden sollen, wie die Machtverteilung im Rundfunk- und Verwaltungsrat ist usw. Also wie geht das jetzt rein praktisch voran?

[00:05:23]
Stefan Förster: Also wir haben ja deutlich gemacht, auch im Medienausschuss am Mittwoch, dass wir seitens des Parlaments Nachbesserungsbedarf sehen und zwar über Fraktionsgrenzen hinweg. Auch Opposition/Koalition sind sich da eigentlich ziemlich einig. Und dass wir solche Punkte wie das Thema UKW-Verbreitung versus Internet-Verbreitung, das Thema Filmförderung, das Thema auch Intendantenwahl, das Thema Amtsdauer in den Gremien, aber auch das Thema Freienvertretung versus Verankerung im Personalrat des rbb nochmal diskutieren müssen. Und wir haben auch einige Punkte ja mit auf den Weg gegeben, wo wir erwarten, dass der Staatsvertrag entsprechend angepasst wird. Sonst sehe ich es als schwierig an, dass das noch in dieser Legislaturperiode in Berlin verabschiedet werden kann.

[00:05:59]
Daniel Bouhs: Wie ist denn eigentlich Ihr Eindruck? Ich habe ja am Anfang auch erwähnt, also natürlich sind die Sender formal staatsfern aufgesetzt, aber wer arbeitet eigentlich zu welchem Zeitpunkt an so einem Referentenentwurf? Ist das eher ein Miteinander aus Verantwortlichen aus den Sendern und den entsprechenden Regierungen in Berlin und Brandenburg? Also wie nehmen Sie das wahr aus Ihrer Position?

[00:06:21]
Stefan Förster: Also ich nehme es leider so wahr, dass oftmals im stillen Kämmerlein der Senatskanzlei in Berlin und der Staatskanzlei in Potsdam im jeweiligen Medien-Referat ausgetüftelt wird, danach der rbb zur Stellungnahme aufgefordert wird. Auch die privaten Rundfunksender haben hier eine Stellungnahme abgegeben und erst danach im besten Falle noch vor der Beschlussfassung die entsprechenden Ausschüsse der beiden Parlamente einbezogen werden. Und deswegen ist das mehr oder weniger eine Ausarbeitung auf Ministerialebene bis jetzt.

[00:06:46]
Jörg Wagner: Und gibt es da so etwas wie ein eindeutig identifizierbares Kräfteparallelogramm? Dass Sie sagen: Also selbst ich als FDP-Mitglied – also ich meine Sie damit – werde da nicht durchkommen, werde nicht gehört? Oder haben Sie schon das Gefühl, dass es ein gemeinsames Bemühen aller ist?

[00:07:01]
Stefan Förster: Also wir haben in Berlin die Situation im Berliner Abgeordnetenhaus, das will ich ausdrücklich sagen, dass gerade auch die Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD, Linken und Grünen auch mit mir als FDP-Mitglied sehr gut zusammenarbeiten und wir uns da in vielen Fragen einig sind und gut abstimmen. Und da hat man ein anderes Gewicht, auch in der entsprechenden Regierung. Und am Ende muss das Parlament ja die Regierung kontrollieren, egal ob man in der Koalition oder in der Opposition ist. Dass wir da doch ein ganz gutes Gegengewicht bilden können und auch Punkte setzen können, die dann auch aufgegriffen werden. Aber es geht eigentlich nur, wenn sich das Parlament auch weitgehend einig ist.

[00:07:29]
Daniel Bouhs: Und vielleicht von den Öffentlich-Rechtlichen kurz wegzugehen. Sie haben ja gesagt, die privaten Sender, der Verband VAUNET der Privatsender konnte auch eine Stellungnahme abgeben, war ja auch bei der Anhörung dabei und hat darauf hingewiesen, während öffentlich-rechtliche Sender mit den kontinuierlich auch fließenden Rundfunkbeiträgen weiter plakatieren konnten, konnten das die Privaten nicht, die ja massive Werbeeinbrüche hatten. Vor allen in der ersten Phase der Corona-Zeit im vergangenen Frühjahr und Sommer.

[00:07:56]
Jörg Wagner: Mit der Einschränkung, dass der rbb 50 Prozent nur plakatiert hat, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber die Privaten eben gar nicht, die haben völlig darauf verzichtet.

[00:08:02]
Daniel Bouhs: Das war zumindest die Aussage.

[00:08:04]
Jörg Wagner: Genau.

[00:08:04]
Daniel Bouhs: Wie sieht es denn aus Ihrer Perspektive mit der Förderung oder mit Hilfen für private Sender hier in der Region aus?

[00:08:11]
Stefan Förster: Es ist natürlich so, dass die Corona-Krise auch die privaten Radiosender massiv beeinträchtigt hat. Es gibt das Bundesprogramm Neustart Kultur, was auch entsprechende Hilfen ausgereicht hat. Das war aber eine einmalige Zahlung für das Jahr 2020, wo die entsprechenden Werbeverluste nachgewiesen werden mussten. Und ansonsten sehe ich eher die Gefahr darin, dass auch in dem jetzigen Entwurf des neuen Medien-Staatsvertrages keine Obergrenzen für die rbb-Werbung eingezogen sind. Es gibt ja beim NDR z.B. die Regelung, ein Programm, das ist in dem Fall NDR 2 darf am Tag 60 Minuten Werbung ausstrahlen. Das finde ich auch in Ordnung. So eine analoge Regelung würde ich mir für den rbb wünschen und dann wäre auch das Wettbewerbsverhältnis zu dem privaten Rundfunkanbietern besser geregelt.

[00:08:47]
Jörg Wagner: Ursprünglich war ja mal – wenn ich Sie daran erinnern darf und alle und uns doch mal vielleicht die Diskussion wieder befeuern – mit der Einführung des Rundfunkbeitrags der Erfinder, das war der Professor aus Heidelberg, Professor Kirchhoff, der sagte, er möchte ganz gerne, dass überhaupt der öffentlich-rechtliche Rundfunk werbefrei sein soll, damit also die Beitragsbezahl-Legitimität, sag ich das mal jetzt so, steigen soll. Und dass es auch einen ganz klaren Unterschied gibt, weil Werbung ja auch eine Ästhetik mit befördert, die im Programmumfeld ja wieder aufgegriffen wird und so weiter und sofort. Wird das diskutiert oder ist das grundsätzlich weg?

[00:09:25]
Stefan Förster: Nein, das ist immer noch in der Diskussion. Ich finde es auch prinzipiell vom Ansatz her begrüßenswert. Aber die pragmatische Regelung der privaten Radio- und Fernsehsender, die sagen, damit die Gattung Radio auch im Media-Mix noch ihre Bedeutung hat und die Gattung Fernsehen und nicht alles ins Internet abdriftet, muss man ja auch eine gewisse Reichweite in der Fläche auch darstellen können. Und das finde … deswegen finde ich das als Kompromiss ganz vernünftig zu sagen, wir beschränkten das und schreiben das gesetzlich fest als ersten Schritt. Als langfristige Maßnahme ist, glaube ich, auch das Alleinstellungsmerkmal als öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon seine Werbefreiheit. Gerade auch sind das ja hochqualitative Angebote, die dann auch entsprechend besser und ohne Unterbrechung ausgestrahlt werden können.

[00:09:57]
Jörg Wagner: Wir haben jetzt gerade keine Werbung. Das ist auch mal ganz interessant. Normalerweise haben wir ja wenigstens ein, zwei Clips kurz vor 19 Uhr, Stefan Förster. Deswegen haben wir Sie so lange ausreden lassen.

[00:10:06]
Stefan Förster: Vielen Dank.

[00:10:06]
Jörg Wagner: Stefan Förster ist Mitglied des Abgeordnetenhauses für die FDP seit Oktober, seit 27. Oktober 2016 und Mitglied im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien. Und wir sprachen über die Novellierung des rbb-Staatsvertrages.

[00:10:22]
Daniel Bouhs: Danke für Ihre Zeit.

[00:10:24]
Stefan Förster: Danke für das Gespräch.

[00:10:24]
Jörg Wagner: Schönen Abend.

[00:10:25]
Stefan Förster: Ebenso. Danke schön.








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