Keine Einigkeit – Novellierung des rbb-Staatsvertrags verschoben

Dr. Benjamin Grimm | Foto: Staatskanzlei

Was: Telefon-Interview zur Verschiebung der rbb-Staatsvertrags-Novelle
Wer:
* Dr. Benjamin Grimm, Staatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Beauftragter für Medien und Digitalisierung
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Wann: Veröffentlicht am 24.04.2021, 18:46 Uhr im radioeins-Medienmagazin (rbb) und in einer Kurz-Fassung im rbb Inforadio am 25.04.2021, 10:43/17:43 Uhr


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner [00:00:00] Wir müssen noch mal zurückblicken auch an den Anfang der Woche, als der rbb eine Jahrespressekonferenz gegeben hat. Sie hören unsere Intendantin vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, Patricia Schlesinger:

O-Ton: [00:00:10] „Wir müssen mehr ins Online-Geschäft kommen können. Und das können wir nicht, weil der Auftrag bei uns ganz klar festlegt, was wir zu tun haben linear. Wir möchten also Menschen und Ressourcen, also Menschen und Moneten umwidmen können, um sagen zu können: Wir sind im Netz präsenter, als wir es jetzt sind. Das ist der Auftrag. Und wenn … wenn es denn sich tatsächlich mal so abspielen sollte, dass man UKW nicht mehr hat – und darum ging es ja immer – solange es UKW gibt, bleiben wir auf UKW. Um es nochmal ganz deutlich zu sagen. Aber wenn es denn anders wird, müsste man den Staatsvertrag anfassen, ihn modernisieren, ihn flexibilisieren und das alles durch die Parlamente kriegen, was ja in Ordnung ist. Es ist ein übliches demokratisches Verfahren, aber das dauert.“

Daniel Bouhs [00:00:51] Patricia Schlesinger trommelt also dafür, dass der rbb künftig, wenn sich die Gelegenheit dazu bieten sollte, mehr Flexibilität bekommt. Beim Radio soll diese Rundfunkanstalt hier die Option haben, Programme aus dem UKW-Angebot zu nehmen und nur noch digital zu verbreiten. Die Initiative zur Änderung des Staatsvertrags, bei der Schlesinger unter anderem vor ein paar Tagen auch im Brandenburger Landtag gesprochen hat und dafür geworben hat, die ging allerdings von der Politik aus. Und jetzt wurde diese Initiative überraschend um ein halbes Jahr verschoben.

Jörg Wagner [00:01:20] Und deshalb fragten wir dazu vor der Sendung den Staatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg und in dieser Funktion auch Beauftragter für Medien und Digitalisierung, Dr. Benjamin Grimm, ob es genau bei der Flexibilität jetzt nicht Widerstand gäbe?

Dr. Benjamin Grimm [00:01:36] Ja, das ist richtig. Wir hatten beim rbb-Staatsvertrag, den wir uns für dieses Jahr in der Novellierung vorgenommen hatten, eigentlich drei wichtige Punkte, wollten einmal im Rundfunkrat eine Erweiterung vornehmen, das insbesondere die Menschen auch mit Behinderungen und die LSBTTIQ-Community, die dort mit reinkommt. Wir hatten dann einige Verbesserungen für feste freie Mitarbeiter beim rbb vorgesehen und eben diesen Punkt: Flexibilisierung des Auftrages. Dahinter verbirgt sich, dass man einfach dem rbb ermöglichen möchte, mit seinen Hörfunk-Programmen auch in die digitale Welt tiefer einzutauchen und sich dort etwas mehr zu modernisieren. Und bei dem letzten Punkt, der mir persönlich auch durchaus am Herzen liegt, da hatten wir dann zum Ende keinen richtigen Konsens mehr mit Berlin. Ich hatte das Gefühl, wir sind da so ein bisschen in den Wahlkampf reingeraten.

Jörg Wagner [00:02:26] Können Sie das näher beschreiben?

Dr. Benjamin Grimm [00:02:28] Ja, also das war so: Wir haben eigentlich sieben Sender beim rbb und wollten dort anfangs für fünf diese Migration in den digitalen Raum ermöglichen. Also auf Deutsch, dass man, wenn man perspektivisch gute Erfahrungen weiterhin macht mit digitalem Radio, dass man dann auch irgendwann sagt: Gut, dann konzentrieren wir uns jetzt ausschließlich auf diesen Ausspielweg und hatten gesagt, wir machen eine bestimmte Basisversorgung. Das ist einmal 88 acht und in Brandenburg, Antenne Brandenburg und auch Inforadio, diese drei Sender, die gibt’s in jedem Fall sozusagen auch über UKW. Und das war lange Zeit Konsens. Ich habe dann den Eindruck gehabt, dass es im politischen Raum doch sozusagen viele als etwas weitgehend wahrgenommen haben. Und dann waren wir am Ende bei der Diskussion darüber, dass wir zumindest für einen Hörfunk-Sender, wo auch schon viele Leute das über Streaming sozusagen nutzen, dass wir dort so eine Art Modellversuch machen. Und als dann das auch nicht mehr konsensfähig war, da hab‘ ich gesagt, da müssen wir den Staatsvertrag verschieben, den packt man alle Jahre an und wenn man daran geht, dann muss auch echter Modernisierungssprung mit dabei sein. Ansonsten stellt man den Sender nicht zukunftsfähig auf.

Jörg Wagner [00:03:40] Aber man könnte doch das ganze UKW-Paket rausnehmen und sagen wir geben dem rbb trotzdem ja genügend Flexibilität. Die UKW-Frage oder DAB+ Frage, ob das lineare Hören in, ich sage mal, fünf, zehn, 15 Jahren überhaupt aktuell ist, muss man sowieso bundesweit regeln, weil ja, ein Bundesland kann ja da sowieso nicht ausscheren, wenn man mit dem Auto fährt und dann in ein UKW-versorgtes Gebiet reinfährt und dann wieder rausfährt. Das ist ja auch nicht sehr sinnvoll, oder?

Dr. Benjamin Grimm [00:04:08] Das stimmt. Wir haben natürlich auch eine bundesweite Debatte über Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die hat jetzt auch wieder Fahrt aufgenommen. Da wollen wir jetzt auch nochmal Vorschläge vorlegen und wollen da im kommenden Jahr auch wirklich vorankommen. Aber ich finde schon, dass man, wenn man eine klare Zukunftsperspektive sieht, dann auch den Weg dahin beherzt aufnehmen sollte. Und dann sollte man auch hier klare Regeln für den Sender setzen und sagen: Dann ist es eben auch möglich, sich wirklich konsequent auf diesen Weg zu machen. Und das habe ich am Ende nicht mehr so richtig gesehen. Und da war ich mit und meinen Berliner Kollegen auch einig, dem Christian Gaebler, dass wir gesagt haben: Dann verschieben wir es lieber und packen es dann nach der Berliner Wahl, wenn die neue Regierung im Amt ist und wieder etwas mehr Ruhe drin ist, dann packen wir es nochmal an. Das Thema ist es allemal wert.

Daniel Bouhs [00:04:58] Die Intendantin hat ja erst im Abgeordnetenhaus, nun, wie gehört ja auch die Tage bei Ihnen im Parlament doch sehr vehement dafür geworben, dass es diese Flexibilisierung auch mit dem neuen Staatsvertrag geben soll. Verstehen Sie denn den Druck, der dahinter liegt, der ja auch da artikuliert wurde?

Dr. Benjamin Grimm [00:05:16] Ja, natürlich. Wir haben das ja gemerkt, auch an dem Medien-Staatsvertrag, der an Sachsen-Anhalt dann letzten Endes gescheitert ist. Wir haben natürlich insgesamt eine aufgeregte Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich will auch klar sagen, ich stehe ganz fest an der Seite. Ich halte den qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den wir in Deutschland haben, für ausgesprochen wichtig für unsere Demokratie und stehe auch dazu. Aber dann gehört natürlich auch dazu, dass wir den so aufstellen, dass er in Zukunft seinen Auftrag erfüllen kann. Und dazu gehört aus meiner Sicht auch, mit der Zeit zu gehen und zu sagen: Wir können die Digitalisierung dort nicht ignorieren, sondern wir müssen diesen Weg konsequent gehen.

Jörg Wagner [00:05:56] Kleine Zwischenfrage. Wir hatten hier Stefan Förster vom Abgeordnetenhaus Berlin, Abgeordneter der FDP und auch Mitglied des Medienausschusses, der sagte:

O-Ton: [00:06:05] „Wir wären damit, glaube ich, nicht überfordert, auch öfter solche Staatsverträge zu beraten, wenn denn die entsprechenden Wünsche signalisiert werden. Also zu sagen, wir müssen jetzt acht Jahre warten, ist, glaube ich, Unsinn. Wir könnten auch jedes Jahr oder alle zwei Jahre einen beraten. Das ist, glaube ich, nicht das Thema.“

Jörg Wagner [00:06:16] Man kann doch das jetzt abschließen das Verfahren. Und dann, wenn sich die Frage erst wirklich stellt, einen … sozusagen eine weitere Novellierung des Rundfunks-Staatsvertrages mit dem rbb abschließen.

Dr. Benjamin Grimm [00:06:27] Ja, also ich glaube, die Debatte kommt ja nicht über Nacht, sondern da wird schon eine ganze Weile drüber gesprochen und irgendwann muss man dann auch den Mut haben, mal zu springen. Und ich finde, der Zeitpunkt der ist jetzt bzw. der ist dann bald. Und dann sollte man hier auch klar sagen, wo man hin will und ein Sender muss ja auch planen, muss sich auch ausrichten können. Und ich glaube, da muss man dann auch konsequent sein und dem Sender klar sagen: In diese Richtung wollen wir jetzt. Das ist das Ziel. Und dann kann sich ein Sender daran auch konsequent ausrichten. Das ist etwas anderes, als wenn man nur sagt: Naja, wir überlegen dies und wir überlegen jenes. Und wenn es dann soweit ist, dann können wir nochmal über alles reden. Das finde ich an der Stelle nicht fair, sondern wir brauchen eine Zukunftsvision. Und das ist eigentlich auch das, was ich als Anspruch habe daran, wenn wir jetzt den rbb-Staatsvertrag novellieren, da braucht es eine klare Zukunftsperspektive für den rbb und seine Hörfunk-Programme.

Daniel Bouhs [00:07:26] Es werden ja gerade mehrere Staatsverträge für ARD-Anstalten neu aufgesetzt, unabhängig von der großen Auftrag- und Strukturdebatte, was will man vom gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Sie auch angeschnitten hatten, aber eben konkret für Formalien, Rundfunkrats-Besetzung, aber eben auch die Frage, auf welchen Plattformen sind einzelne Landesanstalten unterwegs? Beim Mitteldeutschen Rundfunk ist das gerade von den Ländern dort beschlossen worden, auch nach einem gewissen Hin und Her. Beim Norddeutschen Rundfunk läuft ebenso ein Prozess bei den Ländern. Die Staatsverträge unterscheiden sich allerdings ja auch schon sehr. Wäre nicht auch eine Vereinheitlichung angebracht aus Ihrer Sicht? Also warum braucht es so unterschiedliche Staatsverträge bei den einzelnen Ländern? Sind doch alles in Anführungszeichen auch nur Landesrundfunkanstalten?

Dr. Benjamin Grimm [00:08:09] Ja, ich weiß nicht ob … das ist wahrscheinlich auch immer ein Stück weit gewachsen. Aber ob man das vereinheitlichen muss, zwingend, das weiß ich nicht. Das ist ja auch immer wichtig, dass man eine Identifikation mit dem Sender hat. Da gibt’s gewisse Dinge, die dann sich mit der Zeit einfach so entwickelt haben. Und ob man das zwingend vereinheitlichen muss, das würde ich nicht sehen. Ich glaube, das Wichtige ist wirklich, dass alle zur Kenntnis nehmen und auch konsequent daran arbeiten, dass man sich eben fortentwickelt und dass auch der Auftrag jetzt im 21. Jahrhundert erfüllt wird. Und da reicht es nicht mehr, ein lineares Programm im Fernsehen, im Radio zu bieten, sondern da hat man viel mehr Möglichkeiten, viel mehr Plattformen, die man bespielen muss. Das gibt enorme Herausforderungen. Und ich sage es nochmal: Ich bin ein großer Fan des öffentlichen Rundfunks. Ich glaube aber auch, dass da, wenn wir ihn nicht gefährden wollen, hier wirklich sehr konsequent einsteigen müssen, damit dort dann auch die vielen Möglichkeiten genutzt werden und der eigentliche Auftrag erfüllt wird. Und der Auftrag besteht darin, Menschen zu erreichen,

Jörg Wagner [00:09:13] … meint Dr. Benjamin Grimm, Staatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Beauftragter für Medien und Digitalisierung. Vielen Dank!

Dr. Benjamin Grimm [00:09:21] Herzlichen Dank!








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