Below, Klaus

Klaus Below in der tagesschau vom 09.04.1999


Wer:
* Klaus Below, ARD-Journalist, zur Zeit des Interviews Korrespondent, ARD Belgrad
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Telefoninterview zu den Umständen einer Kriegs- und Nachkriegsberichterstattung
Wann: radioeins-Medienmagazin (ORB/SFB) am 11.07.1999


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner [00:00:00] Der Krieg im Kosovo, der mit diversen verharmlosenden Synonymen bedacht wurde, ist seit drei Wochen offiziell von der NATO für beendet erklärt worden. Der Kriegsberichterstattung folgte die Nach-Kriegsberichterstattung. Der Satz „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“, kann man diesen auch auf die jetzige Berichterstattung übertragen? Dazu jetzt am Telefon Klaus Below. Er ist für die ARD vom Bayerischen Rundfunk in Belgrad, kennt beide Situationen, kennt beide Bedingungen, unter denen Medienberichterstattung möglich ist. Herr Below, Ihre Eindrücke? Ist jetzt alles offen? Kann man wirklich berichten, das, was man will? Oder wird nach wie vor die Wahrheit gefiltert?

Klaus Below [00:00:39] Es ist eine merkwürdige Situation. Sie haben das ganz richtig zitiert. Bei einer solchen Situation bleibt als erstes die Wahrheit auf der Strecke, und zwar von beiden Seiten. Und ich konnte schon während der Kriege hier in Belgrad und später in Pristina nicht berichten, was ich wollte. Und zwar von zwei Seiten. Einmal von der Seite der hiesigen, immerhin unter Kriegssituation verordneten Gesetzen, das heißt Zensur. Jede Beiträge mussten vorher gesichtet werden. Wir konnten nicht die Dinge aufnehmen, die wir wollten. Wir mussten sogenannte Checklisten, also Film-Listen, was wir filmen wollten, einreichen. Das wurde dann anschließend verglichen damit, was wir dann gefilmt haben. Aber, und das ist für mich eine völlig neue Erfahrung, immerhin bin ich 58 Jahre alt und bin bei der ARD seit sage und schreibe dem 1. Juni 1965. Aber das ist für mich eine völlig neue Situation gewesen, dass Kollegen aus dem eigenen Hause mich verleumdet haben, mich zensiert haben und mich aus ihren Sendungen entfernt haben. Das heißt im Klartext: Das Mittagsmagazin der ARD hat, Leiter Robert Franz, hat expressis verbis gesagt: Der findet bei mir nicht mehr statt. Und das ist bis heute so geblieben.

Jörg Wagner [00:02:00] Wie wurde das begründet?

Klaus Below [00:02:01] Das wurde begründet, ich hätte nicht genügend Distanz zu den Dingen, ich wäre zu sehr von der serbischen Seite vereinnahmt worden, was de facto nicht der Fall ist. Ich konnte an drei konkreten Fällen, sowohl meinem Haus, dem ich vertraglich verpflichtet bin, dem Bayerischen Rundfunk als auch dem Rundfunkrat und den Presserechten nachweisen, dass der Kollege in drei Fällen von der Sache her, von der Wahrheit her völlig falsch gelegen hat.

Jörg Wagner [00:02:30] Für mich als jemand, der ja von außen diesen Krieg beobachtet hat, insofern nachvollziehbar, weil man ja doch nur Informationen bekommt, die über elektronische Medien oder sei es über Telefonberichte oder Internetberichte herüberkommen … wie wurde denn das …?

Klaus Below [00:02:42] Es ging hier, wenn ich unterbrechen darf … es ging hier für meine Meinung – und ich schränke das ein, das ist meine persönliche Meinung – um die Formulierung einer politischen Absicht in der Umsetzung der Transformation in Form einer aktuellen, sagen wir mal, politischen Meinungssituation auf das Programm. Und man kann, das ist meine ganz feste Überzeugung, einen Korrespondenten, wenn er auch spontan so dem Mainstream nicht entspricht, nicht vorschreiben, was er zu sagen, wie er zu texten hat, wen er als Interviewpartner zu nehmen hat. Es sei denn, es widerspricht den absoluten korrekten Pressegesetzen und den Regeln, die wir im Journalismus haben.

Jörg Wagner [00:03:22] Sie wurden auch richtig deutlich im Nachrichtenmagazin Focus vor drei Wochen mit Geheimdiensten in Verbindung gebracht. Wie wehrt man sich denn in solchem Fall? Kann man das überhaupt? Man ist doch in einem Kriegszustand immer dieser Gefahr ausgesetzt, sei es zum Beispiel bei dem Sat1-Korrespondenten, der dafür sogar in den Knast gehen musste.

Klaus Below [00:03:42] Also es ist so. Es gibt eine Situation, die Sie mir erlauben, ich hier nicht näher beschreiben will. Die betrifft das ARD-Studio in Belgrad. Es sind über Jahre hinaus Dinge geduldet worden und auch abgesegnet worden von bestimmten Personen, die einen … jetzt muss ich sehr, sehr zurückhaltend formulieren, im Verdacht stehenden Polizeispitzel, Geheimdienstmitarbeiter von serbischer Seite dort im Büro nicht nur geduldet, sondern auch prostituiert haben. Den habe ich hinausgeschmissen und es besteht der Verdacht, ich sage noch einmal, es besteht der Verdacht. Die Indizien weisen darauf hin, dass genau dieser Mann, weil der vorher einige Jahre für Hans-Peter Schnitzler, der ein sehr guter Kollege und Freund von mir ist, ein sehr besonnener und bedachter Kollege. Dieser Mann hat lange Jahre für den gearbeitet und ist auch dort aus denselben fachlichen Unfähigkeitsgründen und Arroganzgründen hinausgeworfen worden. Es besteht hier also der ganze Verdacht, dass dieser Mann sich gerächt hat. Aufgrund der Kriegssituation, des Ausnahmezustands konnte er das tun. Und er war, weil Hans-Peter Schnitzler bei uns im Büro abgefahren ist. Und dieser Mann war anwesend. Ich sage bewusst nicht dessen Namen. Dieser Mann war anwesend. Die Indizien weisen darauf hin, dass dieser Mann alle Daten, weil Hans-Peter Schnitzler auch mit unserem Auto, einem Auto des Bayerischen Rundfunks, nach Zagreb, nach Wien fahren wollte, erwartet wurde. Also hier spielen Zufälle eine Rolle, an die ich nicht glaube.

Jörg Wagner [00:05:15] Das Ganze ist eine, offensichtlich eine persönliche Intrige. Aber lässt sich in Ihrem Fall nicht auch etwas Objektives feststellen, dass es Korrespondenten immer vor Ort schwer haben, sich gegen Heimatredaktionen durchzusetzen? Ich erinnere nur an den berühmten Fall, dass Korrespondenten abgewiesen werden mit den Bemerkungen: Das haben die Agenturen aber noch nicht gemeldet. Und dann glaubt man es ihnen auch nicht.

Klaus Below [00:05:38] Wir haben immer den schweren Stand, also ich meine jetzt alle Korrespondenten, die sich bemühen, der Sache entsprechend und nach mehrfachen Überprüfungen korrekt zu berichten, dass wir mit den Heimatredaktionen so einen kleinen, intimen, aber gepflegten Kampf führen. Genau wie Sie sagen. Da liegen also Meldungen von Agenturen vor und sagen: Warum haben die das, warum haben wir das nicht? Und dann ist es an der Sache des Korrespondenten, glaubwürdig zu sein oder aus der Vergangenheit heraus genug bewiesen zu haben, dass er sorgfältig, korrekt und fleißig arbeitet und die entsprechenden Kontakte hat, um zu sagen: Das ist so. Ich bin auch an der Sache dran oder zu sagen und Überzeugungsarbeit zu leisten, das ist nicht so. Ich betrachte das nicht als Kampf, sondern als ehrliche Auseinandersetzung, auch als Ergänzung meiner Kenntnisse, die ich vielleicht nicht habe, nicht so kriegen kann, wie es ausländische Agenturen kriegen können, die auch hier an den verschiedensten Orten zu Gange sind, um mir selber die Frage zu stellen: Junge, hast du hier genau gearbeitet? Hast du irgendeine Quelle übersehen, die du hättest abklopfen können? Und insofern erachte ich diesen Wettkampf als einen ganz gesunden, kritischen Wettkampf.

Jörg Wagner [00:06:41] Im Kern war ja der Vorwurf, dass Sie zu serbenfreundlich berichtet haben. Ist das überhaupt ein Manko dieses Krieges, dass er nur aus der Sicht der NATO und durch mitgeschnittene Fernsehberichterstattung des serbischen Fernsehens übermittelt wurde?

Klaus Below [00:06:57] Ich muss auf die Frage zweigleisig antworten, und zwar zunächst einmal: Richtig ist, eine Zeit lang gab es ja nur die Möglichkeiten, dass sowohl die NATO in den Briefings mit Jamie Shea jeden Nachmittag um 16 Uhr zelebriert aus Brüssel und auch durch die Nachrichten, RTS hier des serbischen Fernsehens und des Radios einseitig parteigenommene Berichte gesendet wurden oder überhaupt nichts berichtet wurde, je nachdem, welcher Seite es entsprechend genutzt oder wie man der anderen Seite schaden kann.

[00:07:24] Zum Beispiel: Ich bin aufgefordert worden und das sage ich jetzt als Korrespondent, nicht mehr das Wort Splitterbombe zu verwenden, sondern Kassetten-Bombe. Kassetten-Bombe ist etwas nettes. Eine Kassette enthält eine Musik, einen Film oder schöne Sachen, aber das ist eine Splitterbombe, eine tödliche, verheerende Waffe. Wer das einmal gesehen hat, wer davon verletzt und zerfetzt worden ist, der weiß, wie schlimm diese Sache ist. Die ist eigentlich verboten, aber sie wurde hier abgeworfen. Himmel, Herrgott noch mal, als Journalist, als Korrespondent darf ich das nicht sagen? Muss ich das nicht sagen? Oder umgekehrt wird auch ein Schuh draus, dass die anderen versuchen, mich zu instrumentalisieren und sagen: Ja, der Abzug der Armee hat stattgefunden, in Wirklichkeit hat er gar nicht stattgefunden. Also hier sind vice versa die Geschichten im Gange. Und da spielt die Politik und die Einflussnahme auf die Kollegen mit der Schere im Kopf wahnsinnig groß und massiv. Und dann gibt es auch – und das sage ich jetzt ungeschützt – da gibt es auch Karriere-Leute, die Trittbrett fahren wollen und im Mainstream, einem politischen Mainstream, auf dieser Ebene noch Politik machen wollen bzw. Karriere machen wollen. Das sage ich ungeschützt.

Jörg Wagner [00:08:34] Wie arbeiten Sie unter diesen Drücken überhaupt in Belgrad? Mit diesen Anschuldigungen und teilweise mit den doch außergewöhnlichen Nachkriegsumständen? Welchen … ja Belastungen sind Sie ausgesetzt und wie meistern Sie die?

Klaus Below [00:08:51] Also Belastung … ich war ja immerhin viereinhalb Wochen jetzt in Pristina. Ich habe sowohl den Abzug der jugoslawischen Armee, der serbischen Armee erlebt. Ich habe den Vakuum-Zustand erlebt, bevor die Russen kamen und einigermaßen eine, sag ich mal, Lebenssicherheit hergestellt haben. Und ich habe den Zustand der KFOR, wie sie reinkam, inklusive General Jackson und den deutschen General Olshausen erlebt. Die Dinge, die heute bis jetzt noch nicht installiert bzw. zur Zufriedenheit der, sage ich mal, Armee bzw. der Bundeswehr, die dort ja auch tätig ist, hergestellt worden sind, weil sie sind zu wenige, das ist inzwischen klar. So weit so gut. Aber der andere Punkt ist jetzt der: Ich muss, ich will, ich werde … Ich bin ja auch Gewerkschafter. Ich bin Landesvorsitzender der DAG Kunst und Medien, sowohl für den Freistaat Bayern als auch für Baden-Württemberg. Ich bin Mitglied des Bundesvorstandes der DAG Kunst und Medien und als solcher … ich sage das nur deshalb, weil ich ARD-sozialisiert bin und für das öffentlich-rechtliche System mein Leben lang gekämpft habe. Es ist renovierbar, es ist bedürftig, aber diese Dinge werde ich so nicht, weder auf mir noch auf dem System, für das ich kämpfe, ruhen lassen. Und wir haben natürlich wir, die DAG und meine Vertreter, rechtliche Schritte bereits gesprochen. Wir haben sie diskutiert und wir werden sie dann auf den richtigen Weg bringen, wenn ich nach Deutschland zurück bin.

Jörg Wagner [00:10:14] Haben Sie aber nicht dennoch mal Lust, vielleicht alles hinzuschmeißen und zu sagen: Leckt mich?

Klaus Below [00:10:18] Ich finde das eine gute Frage und ich danke dafür. Nein, ich bin ein Überzeugungstäter. Ich mache keine Karriere mehr, dazu bin ich zu alt. Das will ich auch gar nicht. [00:10:27]Ich will, dass … erlauben Sie mir, dass ich das ganz traditionell und vielleicht mag das pathetisch klingen, och das ist mir egal. Ich will, dass jeder Kollege nicht einkneift, wenn andere karrieregeile Trittbrettfahrer meinen, auf einer politischen Richtung jetzt nach oben schwimmen zu können, andere, die sich bemühen unter beschissensten Umständen, ich sage das noch einmal, unter den wirklich schlechtesten, bösartigsten und lebensgefährlichsten Umständen, ihren Job sauber und ordentlich zu machen, dass die dann in die Pfanne gehauen werden, dass dann sich andere Leute mit kugelsicheren Westen, die uns 14 Tage hier in den schlimmsten Tagen vorenthalten wurden bzw. die hier nicht ankamen, aus welchen Gründen auch immer, dann in sogenannten sicheren Armeelagern, vor der Kamera präsentieren und dann sagen, wie toll sie sind, wie sie die Dinge abwickeln. Ich selber kann nur sagen, ich werde diesen Leuten niemals nachgeben. Und sei es mein letzter journalistischer Atemzug.

Jörg Wagner [00:11:24] Klaus Below für die ARD in Belgrad. Schönen Dank und alles Gute.






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