Schulte-Kellinghaus: „Rohe Gedanken-Idee“

rbb-Intendantin Patricia Schlesinger mit Jan Schulte-Kellinghaus, nach seiner Wahl zum rbb-Programdirektor durch den Rundfunkrat am 01.12.2016 in Potsdam | Foto: © Jörg Wagner


Wer:
* Dr. Jan Schulte-Kellinghaus, stellv. rbb-Intendant, rbb-Programmdirektor
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Telefoninterview zu SPIEGEL-Vorwürfen von Vetternwirtschaft beim rbb
Wann: 29.10.2022, 18:40 Uhr, radioeins-Medienmagazin (live) und in einer gekürzten Fassung im rbb24 Inforadio, 30.10.2022, 09:20 Uhr/13:20 Uhr

Vgl.:
* RBB-Programmdirektor plante »Top secret«-Postenumbesetzung, Spiegel+, 28.10.2022
* rbb-Programmchef Schulte-Kellinghaus: Neue Hauptabteilung war nur „rohe Gedankenidee“, rbb24, 30.10.2022


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner [00:00:00] Eigentlich wollte ich eine Sendung machen, wo der rbb mal nicht Thema ist seit zwei, drei Monaten. Aber das ist mir nicht gelungen, weil gestern bei Spiegel+ ein Artikel stand, der auch heute gekürzt im Print-Spiegel abgedruckt ist. Ich zitiere mal kurz: „Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus schrieb Anfang Juli von seinem privaten E-Mail-Account an die private E-Mail-Adresse der damaligen Intendantin Patricia Schlesinger, um eine >Top-secret< Personalie zu besprechen. Es ging um die geplante Absetzung von Jens Riehle, Programmchef des rbb-Fernsehens, mit dem er nicht mehr zusammenarbeiten wollte. Man suche deshalb eine gesichtswahrende Lösung, so Schulte-Kellinghaus. Riehle sollte nur noch auf dem Papier Leiter der Abteilung bleiben, während alles, was das rbb-Fernsehen betrifft, in eine neue Hauptabteilung Koordination ausgelagert werde. Deren Chef sollte laut der Mail Oliver Jarasch werden, zunächst kommissarisch ("Dadurch ersparen wir uns hoffentlich eine Ausschreibung"), dann regulär über ein Verfahren, dessen Sieger für Schulte-Kellinghaus offenbar schon im Voraus feststand. Die Personalie wäre in jedem Fall ein problematisches Signal." Und weil ich ungern aus der Zeitschrift oder aus Zeitschriften im Radio vorlese, ohne mit den betroffenen Menschen auch anschließend darüber reden zu können, ging die Initiative zu folgendem Interview mit Dr. Jan Schulte-Kellinghaus natürlich von mir aus. Das ist also kein bestelltes Interview vom stellvertretenden rbb-Intendanten. Ich grüße Sie Herr Kellinghaus, guten Abend!

Jan Schulte-Kellinghaus [00:01:38] Hallo Herr Wagner. Hallo Herr Wagner und vielen Dank für die Möglichkeit.

Jörg Wagner [00:01:40] Schichten wir mal ab. Private E-Mails für dienstliche Vorgänge erlaubt beim rbb? Ist das so?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:01:47] Also es war eine private E-Mail, in der ich sozusagen ein … eine rohe Gedanken-Idee teilen wollte. Und das ist natürlich aus meiner Sicht ein sensibles Thema. Deshalb habe ich das von meinem Privat-Account an den Account von Patricia Schlesinger und von Verena Formen geschrieben.

Jörg Wagner [00:02:07] Aber im Nachhinein schon recht ungünstig, oder?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:02:10] Wie man sieht unbedingt.

Jörg Wagner [00:02:11] Ja. Aber haben Sie eine Erklärung, wie private E-Mails dann doch den Weg in die Presse finden?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:02:17] Nein, da kann ich nur spekulieren. Also nein, will ich auch gar nicht spekulieren. Also wie gesagt, es haben nur zwei diese Mail von mir gekriegt an ihre privaten Accounts und entweder sind unsere Accounts gehackt oder es ist irgendwie anders zum „Spiegel“ gekommen.

Jörg Wagner [00:02:33] Der Vorgang geht zurück, wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe auf den 2. Juli 2022, also rund eine Woche nach dem ersten Business-Insider-Artikel zur Vetternwirtschaft im Dreieck: Schlesinger-Spörl-Wolf. Gab es da keine Sensibilisierung für Nebenabsprachen, die auch irgendwie dann doch verdächtig regelwidrig wirken?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:02:54] Nein, vielleicht kann ich einmal sagen, was, was, also was aus meiner Sicht das Thema war. Aus meiner Sicht war … wir hatten folgendes Problem: Wir hatten ja damals noch den ARD-Vorsitz und Jens Riehle und ich waren extrem eingebunden im ARD-Vorsitz. Weil da ist es dann die Aufgabe, neun Anstalten zu koordinieren. Es ging um Mediathek, digitale Transformation, wie man die ARD zukunftsfähig aufstellt. Das war unsere Mission. Jens Riehle vom Programmmanagement und meine. Und gleichzeitig waren wir in der … in der schwierigen Situation, dass das rbb-Fernsehen … die Reichweite des rbb-Fernsehens trudelte. Das hatte mit Entscheidungen von mir zu tun zum Vorabend. Und trotzdem war es so, dass das … dass das rbb-Fernsehen in einer schwierigen Situation war. Und deshalb war es … war es meine Idee, die … diese Doppelbelastung aufzulösen und … und sozusagen auf mehreren Schultern zu verteilen und sagen: Jens Riehle macht weiter gemeinsam mit mir den ARD-Vorsitz. Und dann war es die Idee, dass man … dass Oliver Jarasch das Programm-Management übernehmen könnte für die Zeit des ARD-Vorsitzes und deshalb auch das … das Kommissarische.

Jörg Wagner [00:04:12] Ja, aber warum kann man das nicht offiziell kommunizieren? Warum muss man da so hintenrum … oder entsteht der Eindruck nur durch die „Spiegel“-Berichterstattung?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:04:20] Also … das habe ich dann ja auch. Also ich bin dann auf die Frauenbeauftragte zugegangen und hab‘ gesagt, folgende Idee: Und kann man das … sind Sie damit einverstanden, das kommissarisch zu machen? War sie nicht und hat gesagt: Nein, müssen wir ausschreiben. Und dann habe ich die Ausschreibung vorbereitet. Und während ich die Ausschreibung vorbereitet habe, ist der A … hat Patricia Schlesinger den ARD-Vorsitz aufgegeben. Das heißt, dieses ganze Thema Doppelbelastung war für uns weg. Und damit war die Idee auch obsolet. Und ich hab‘ sowohl mit Jens Riehle gleich und mit Oliver Jarasch gleich gesprochen und hab‘ gesagt: Das war jetzt eine Idee. Aber jetzt brauchen wir es nicht mehr.

Jörg Wagner [00:04:59] Aber wie lässt sich denn Ihr Hang zur Personalie Oliver Jarasch erklären? Er wurde ja tatsächlich, wie hier im Medienmagazin im Juli 2021 Dr. David Bissinger, der rbb-Chefredakteur, ja auch ankündigte, tatsächlich abgezogen wegen einer bestimmten Nähe. Hören wir ihn mal aus dieser Sendung:

David Biesinger [00:05:18] Als klar war, dass Bettina Jarasch die Spitzenkandidatin der Grünen wird, haben wir hier selbstverständlich für die Phase des Wahlkampfs eine Aufgabenveränderung vorgenommen, allein schon, um einfach den Anschein eines Interessenkonflikts von Anfang an zu vermeiden. Oliver Jarasch hat hier im Haus gerade eine sehr zentrale Aufgabe. Er kümmert sich um den organisatorischen Aufbau unseres Newscenters, bereitet also alles vor, was man technisch an redaktionellen Abläufen vorbereiten muss, damit ein Newscenter dann auch spielt, wenn es bezogen wird. Inhaltliche Aufgaben hat er seit Dezember letzten Jahres keine.

Jörg Wagner [00:05:52] Wie gesagt Medienmagazin 10. Juli 2021. Hat sich denn die Situation verändert? Frau Jarasch ist doch nach wie vor in der Politik und inhaltliche Aufgaben wären doch ein Geschmäckle.

Jan Schulte-Kellinghaus [00:06:04] Ja, aber diese Aufgabe Programmmanagement, dieser Bereich stellt ja kein Programm her. Er verantwortet auch kein direktes Programm. Und da werden vor allem auch gar keine journalistischen Entscheidungen getroffen. Beziehungsweise war da meine Verabredung, soll … also was macht Programmmanagement? Programmmanagement macht Programmplanung, macht die Programmbewerbung, also Trailerei, macht das Design ist also für den Gesamtauftritt des rbb-Fernsehens und für den Programmablauf und für den audience flow zuständig, aber trifft eben keine einzelnen programminhaltlichen Entscheidungen. Und mit dieser … mit dieser Idee verbunden war, dass auch, wenn es um Fragen geht wie: Gibt es eine Sondersendung zu irgendeinem Thema oder wie wird die Wahl Vorberichterstattung gemacht, dass das ausschließlich der Chefredakteur in Absprache mit mir entscheidet und nicht das Programmmanagement? So. Also deshalb wäre ja gerade in dieser Funktion die Programmferne erhalten geblieben.

Jörg Wagner [00:07:10] Was bleibt denn jetzt vom „Spiegel“-Artikel? Gibt es etwas, wo Sie sagen im Nachhinein, also erstens hat hier der „Spiegel“ recht und zweitens, ja, hier habe ich möglicherweise etwas getan, was nicht ganz regelkonform war?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:07:25] Also, ich hätte es nicht aufschreiben sollen und vor allem nicht von meinem privaten Account schicken sollen. Das … die Grundidee, die war nicht falsch. Mit der … über die habe ich dann mit der Frauenbeauftragten gesprochen und wäre dann in den Prozess gegangen. Und was ich mit dieser Mail wollte, war eine Vorabstimmung dieser … dieser Gedanken.

Jörg Wagner [00:07:50] … meint Dr. Jan Schulte-Kellinghaus. Vielen Dank, dass Sie sich gestellt haben. Sie sind momentan stellvertretender rbb-Intendant. Sind Sie auch noch Programmdirektor eigentlich?

Jan Schulte-Kellinghaus [00:07:58] Ja bin auch noch Programmdirektor.

Jörg Wagner [00:08:01] Okay, dann haben wir das hiermit nachgetragen. Vielen Dank, dass Sie sich hier live dem Medienmagazin gestellt haben.

Jan Schulte-Kellinghaus [00:08:05] Ja, sehr gerne Herr Wagner. Schönen Abend.






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