Turi, Peter

Peter Turi | Foto: © Jörg Wagner
Peter Turi | Foto: © Jörg Wagner

„Wer stehen bleibt, wird überholt“

Peter Turi war der erste in Europa, der bereits 1996 einen Tagesdienst über Medien im Internet produzierte und heute von „turi4 auf Papier“ träumt. Noch 2015 soll es losgehen, wie turi2 am 10.02.2015 bekannt gibt.

Was: Interview zur Neuausrichtung von turi2
Wer: Peter Turi, Medienjournalist, Onlineverleger
Wo: München
Wann: 19.01.2015; veröffentlicht in einer 4-Minutenfassung 08.02.2015, 10:44/15:24 Uhr, rbb-Medienmagazin, Inforadio

turi2, 10.02.2015



(wörtliches Transkript)

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00:00
Peter Turi: Ja, ich bin Peter Turi, Medienjournalist, Online-Verleger

Jörg Wagner: … bekannt durch turi2, einem Newsaggregator, der sehr meinungsstark ist, also nicht „nur“ Medien screent, nur, um etwas zusammen zu fassen, sondern auch einzuordnen. Ich habe irgendwie den Verdacht, dass gerade so eine neue Phase eingetreten ist. Es poppte mal kurz das Stichwort turi3 auf. Vielleicht erklären Sie kurz mal, was Sie vorhaben.

00:27
Peter Turi: Es geht immer weiter in dem Mediengeschäft. Das Internet treibt uns voran. Wer stehen bleibt, wird überholt. Ich habe 1996 … war ich der erste in Europa, der einen Tagesdienst gemacht hat im Internet. Da war noch kaum jemand im Internet. Das war dann irgendwann nicht mehr genug. 2007 haben wir einen Dienst gemacht, wo wir morgens um 8 schon zusammentragen, was so in der Zeitung steht, was über Nacht im Internet in den USA passiert ist und … nach dem Prinzip der Bäcker steht drei Stunden vor dem Kunden auf, damit der seine Brötchen zum Frühstück hat. Und jetzt haben wir gesagt, eigentlich im Zeitalter von Twitter und Facebook und Blogs ist es nicht genug nur morgens präsent zu sein, jetzt machen 24 Stunden am Tag. Einer sorgt immer dafür, dass die neuesten News, die wir zusammentragen – im Internet ist ja alles leicht zu kriegen heutzutage – dass die immer auf unserer Plattform zugreifbar sind für Leute, die sich interessieren: Was passiert jetzt gerade in der Medienwelt?

01:22
Jörg Wagner: Es gibt den Trend bei online-Medien, Leute nach Australien zu schicken, damit die in der Nacht bei Tageslicht jenseits der biologischen Uhr aktiv sein können, wenn in Deutschland alle schlafen und trotzdem man den Eindruck hat, z. B. bei Spiegel Online – ah, da ist ja jemand wach. Nun weiß ich auch, dass in den USA jemand zufällig völlig dort gearbeitet hat für Sie und dass sie auch immer wieder neue interessante Mitarbeiter gewinnen wollen, aber jetzt so ein bisschen auch konzeptionell bündeln wollen, also dass da mehr Leistung und auch mehr Konzept dahinter steckt.

01:55
Peter Turi: Also, wir haben in der Tat ab 2007 einen Menschen gehabt, der in Los Angeles eine tollen Job gemacht hat, wenn der Strom ausgefallen ist bei ihm da in der Wohnung, da ist zum nächsten McDonald’s nach Santa Barbara gefahren. Der hat also über Jahre jede Nacht bedient und ist nie ausgefallen und zwar fantastisch, aber der hat dann einen anderen Job gekriegt und seitdem machen wir es so, dass im Wechsel die vier, fünf Redakteure, die bei uns arbeiten die Nachtschicht machen. Und Nachtschicht heißt von abends um acht bis nachts um drei, halt wach bleiben, Kaffeetrinken, starken Kaffee trinken und gucken, checken, was ist los im Internet? Was passiert in der Medienwelt?

02:31
Jörg Wagner: Was treibt Sie eigentlich, außer dass Ihr Name verbreitet wird als Marke und dass Sie kommend von Kress, einem anderen Dienst ja zeigen, wie man es auch machen kann oder besser machen kann sogar?

Peter Turi: Also, ich bin der Sohn eines Bauern. Und ein Bauer bearbeitet immer ganz gern seine eigene Scholle. Der ist nicht geeignet als Angestellter. Ich habe schon nach der Journalistenschule vor 30 Jahren schon ein eigenes kleines Journalistenbüro aufgemacht. Damals schon das Thema: Medien. Ich habe dann den kleinen kress-report gekauft mit einem Kollegen zusammen aus dem Journalistenbüro. Es ist vielleicht … man könnte sagen, ich bin sozial nicht kompatibel. Ich passe nicht in Redaktionen rein. Ich brauche immer mein eigenes Umfeld. Und das treibt mich an, dass ich die Welt nach meinen … die kleine Medienwelt nach meinen Ideen ordnen kann.

03:15
Jörg Wagner: Aber Sie ordnen nicht nur, Sie sind auch meinungsstark. Man liest öfter in Ihrem Dienst, was Sie denken oder wen Sie interviewen.

03:22
Peter Turi: Ich bin jetzt 53 Jahre alt. Und mache seit 30 Jahren Medien-Themen. Also, ich kann mir einfach anmaßen, bei der einen oder anderen Thematik, eine Meinung zu haben. Und ich weiß auch, dass der eine oder andere Leser das schätzt, dass es eine Einschätzung gibt und dass keine PR transportiert wird bei uns, sondern, dass wir versuchen zu sagen, nach dem alten Rudolf-Augstein-Motto ‚Sagen, was ist‘, also unsere Meinung einbringen. Das sehen wir als legitim, ja.

03:46
Jörg Wagner: Mit dem Leistungsschutzrecht wird ja so ein bisschen diffamiert, was Aggregatoren machen. Sie sind ja keine Maschine, sondern das wird ja journalistisch in einen Kontext gehoben, aber … aber dennoch, haben Sie Probleme gehabt, seitdem die eigentlich ja Google treffen sollende Leistungsschutzrecht-Gesetzgebung in Kraft trat?

04:03
Peter Turi: Ja, das trifft uns gar nicht, weil wir keine einzige Zeile irgendwie übernehmen, sondern wir schauen uns Nachrichten an und machen dann die Augen zu. Denken einmal nach, was würden wir jetzt einem guten Freund am Telefon erzählen über das Thema. Dann sagen wir 2 bis 3 Sitze dazu, die kurz und knapp sein müssen, aber es sind immer unsere eigenen Sätze. Und wenn wir was zitieren, dann machen wir Anführungszeichen hin. Und wir haben keine Problem damit, dass Leute von uns nicht aggregiert werden wollen, sondern wir haben höchstens Anrufe, warum habt ihr uns nicht mitgenommen. Wir haben auch etwas dazu geschrieben. Also die Leute wollen auf dieser Plattform wahrgenommen werden.

04:35
Jörg Wagner: Wenn ich das jetzt richtig mathematisch zurückverfolge ’96, 2007, 2014/15 ist so alle sieben Jahre ein Zyklus bei Ihnen oder alle zehn Jahre ein Zyklus bei Ihnen, sich zu erneuern. Wo sind Sie in zehn Jahren, was … wovon träumen Sie?

04:51
Peter Turi: Also, alle sieben Jahre gibt’s auch so eine Philosophie und schönes Lied, das wir immer gern im Chor singen: ‚Alle sieben Jahre ändert sich dein Leben‘. Das ist auch so, dass man alle paar Jahre mal neu auf sein Leben, auf seine Arbeit schaut und eine solche Phase hatten wir jetzt gerade, wo wir gesagt haben, wir brauchen keine Homepage mehr, weil es gibt keine Leute mehr, die Homepages besuchen, sondern alle Leute sind Streams drin. Sie haben ihren facebook-Stream, haben ihren twitter-Stream. Und deswegen haben wir gesagt, wir hauen unsere Homepage zusammen in einen Stream, die auf dem Handy genutzt werden kann und da ergeben sich neue Dinge. Was ich in sieben Jahren gerne hätte, wäre Print. Bücher. Ein Monatsmagazin turi2. Klar, ich komme von Print und ich brenne für Print und irgendwann gibt es turi2 gedruckt. Auf jeden Fall.

05:36
Jörg Wagner: Aber, Sie verbreiten selbst, dass Print tot ist. Wieso glauben Sie , dass auf einmal Papier wieder interessant wird?

05:41
Peter Turi: Also, ich habe nie gesagt, dass Print tot ist …

05:43
Jörg Wagner: Nee, Sie verbreiten es ja, weil es andere sagen. Sie aggregieren es ja und … wenn man genau Ihren Dienst liest, wird man keine andere Meinung feststellen, außer dass man … Springer spricht, also Döpfner spricht davon, dass … dass das Internet ein digitaler Speicher ist und Papier ähnlich usw. usf. aber … aber trotzdem glaubt doch keiner mehr an Papier wirklich.

06:03
Peter Turi: Also, ich glaube absolut an Papier. Ich tu‘ mich auch jeden Tag eine Stunde, zwei Stunden lang ausstöpseln, mache alle Geräte aus, nehme mir die schönen Zeitschriften, Zeitungen habe ich morgens fünf, Zeitschriften habe ich fast alle, die wichtig sind, also 50, 60 Zeitschriften im Monat und ich nehme mir jeden Abend ein bis zwei Stunden, wo ich alle Stöpsel rausziehe, weil Zeitschriften, Gedrucktes hat eine andere Qualität in der Tiefe. Im Internet wartet immer der nächste Klick auf mich, der nächste Link. Während ich im Internet lese, poppt eine Twitter-Meldung auf, kommt eine E-Mail rein. Wenn ich den Computer ausschalte und ein gedrucktes Magazin in die Hand nehme, dann weiß ich schon physisch, sehe ich den Anfang und Ende. Deswegen kann ich in Ruhe dieses lesen. Deswegen glaube ich, dass es eine absolute Zukunft gibt für Print. Genauso, wie es ja weiterhin Pferde gibt, obwohl keiner mehr mit dem Pferd zur Arbeit reitet, aber es gibt heute in Deutschland mehr Pferde als vor 100 Jahren, als sie für Bauer noch wichtig waren. Sie sind Luxusgüter geworden. Und ich denke, ein gut gemachtes Printmagazin hat eine absolute Zukunft. Und ich habe schon mal Print gemacht. Ich habe mal den kress-report gedruckt gemacht und ich werde irgendwann ein gedrucktes Magazin wieder machen. Mit Sicherheit.

07:14
Jörg Wagner: Turi4 dann auf Papier. Reimt sich sogar. Schönen Dank, Peter Turi. Und viel Erfolg dabei!

07:19
Peter Turi: Turi4 auf Papier – das ist es! Genau.


(Fotos: © Jörg Wagner; Screenshot: turi2)







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