Prof. Dieter Dörr: Mehr Transparenz!

Prof. Dr. Dieter Dörr | Foto: © Jörg Wagner
Prof. Dr. Dieter Dörr | Foto: © Jörg Wagner

Wer: Prof. Dr. Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medieninstituts
Was: Interview über Transparenz bei ARD/ZDF
Wo: Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund, In den Ministergärten 6, 10117 Berlin
Wann: rec.: 08.11.2016, ca. 21:00 Uhr; veröffentlicht im Medienmagazin von radioeins, rbb vom 19.11.2016 um 18:11 Uhr und in einer gekürzten Fassung im rbb-Inforadio am 20.11.2016 um 10:44 und 15:24 Uhr


(wörtliches Transkript)

00:00
Dieter Dörr: Dieter Dörr, ich bin Direktor des Mainzer Medieninstituts und habe den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Medienrecht inne an der Universität Mainz.

00:09
Jörg Wagner: Die ARD ist über 60 Jahre alt und Sie haben hier eine Forderung noch einmal, ich finde, sehr pointiert formuliert, nach mehr Transparenz in der ARD, was auch die Sportberichterstattung anbelangt, warum muss man das immer wieder neu sagen?

00:22
Dieter Dörr: Das muss man deshalb neu sagen, weil die Transparenz-Kultur in der Vergangenheit in der ARD und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht sehr ausgeprägt war.

00:31
Jörg Wagner: Gibt es dafür Ursachen historischer Art?

00:34
Dieter Dörr: Das weiß ich gar nicht. Ich glaube, man hat sich nicht hinreichend klargemacht, dass dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk ja der Gesellschaft gehört und man sich gegenüber dieser Gesellschaft, also allen Bürgerinnen und Bürgern ständig legitimieren muss. Weil man auch natürlich öffentliche Gelder nämlich Beiträge, früher Gebühren erhält, die ja alle Zuseherinnen und Zuseher, alle Hörerinnen und Hörer entrichten müssen.

01:00
Jörg Wagner: Aber steckt in der Rechtskonstruktion “öffentlich-rechtlich” nicht das “öffentlich” massiv drin auf rechtlicher Grundlage?

01:07
Dieter Dörr: Aber natürlich, mich müssen Sie nicht da auch in keiner Weise überzeugen. Aber vielen in den Anstalten ist das nicht hinreichend klar gewesen. Es liegt natürlich auch daran, dass Institutionen immer den Hang haben, sich zu verselbstständigen, auch ein Stück weit sich nicht in die Karten sehen zu lassen. Das ist gar keine Besonderheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch andere öffentliche Institutionen neigen ja nicht immer dazu, besonders transparent zu sein. Das gilt für Universitäten in gleicher Weise, wie für Gemeinden oder staatliche Einrichtungen. In Deutschland ist die Transparenzkultur sowieso nicht besonders ausgeprägt, anders als in Skandinavien.

01:50
Jörg Wagner: Aber noch einmal die Frage, weil er das Wort “rechtlich” drin steckt. Und demzufolge es ja auch eine Rechtsgrundlage für die öffentliche Darlegung des Einsatzes von Mitteln geht. Ist hier von der ARD, ist hier vom ZDF möglicherweise das Recht zu intransparent ausgelegt worden? Lässt das Recht das zu, es tatsächlich so immer so ein bisschen im Verborgenen zu lassen oder wurde hier Rechtsbruch begangen?

02:13
Dieter Dörr: Die ARD und das ZDF sind davon ausgegangen, dass die Gesellschaft ja über die Gremien vertreten ist und man sich damit begnügen kann, gegenüber den Gremien Rechenschaft abzugeben. Das greift aber zu kurz und das Bundesverfassungsgericht hat das gerade im ZDF-Urteil deutlich gemacht. Es hat nämlich betont, dass die Gremienkontrolle allein in keiner Weise ausreicht, sondern auch die Gesellschaft über die Arbeit der Gremien aber auch über die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt informiert sein muss, damit sie auch selber weiß, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den Geldern macht und wie er seinen Auftrag erfüllt.

02:57
Jörg Wagner: Wenn Sie jetzt Ihre Forderung: Mehr Transparenz bei ARD und ZDF, vielleicht einmal konkretisieren könnten, 100 % Transparenz?

03:06
Dieter Dörr: Nein, nicht 100 % Transparenz. Es gibt durchaus auch Bereiche, wo ich zumindest im Vorfeld nicht transparent sein kann und darf, etwa bei Vertragsverhandlungen. Weil sonst ja die anderen Bieter wissen, was ich gedenke auf den Tisch zu legen. Etwa bei Rechten für Sportereignisse. Aber im Nachhinein muss ich transparent sein. Ich muss den Nutzerinnen allen Zuseherinnen und Zusehern, allen Hörerinnen und Hörern klar machen, warum ich für welche Bereiche wie viel Geld ausgegeben habe. Und dafür lassen sich ja oft gute Gründe finden. Es ist ja nicht so, dass ich damit zwangsläufig mich Angriffen aussetze, sondern ganz im Gegenteil, ich kann mit guten Gründen sagen, warum gebe ich für den Bereich Filme, für den Bereich Sport, für den Bereich Kultur diese und jene Mittel aus.

04:01
Jörg Wagner: Und wenn Sie jetzt das Persönlichkeitsrecht mit in die Waagschale werfen, dass es natürlich auch zum Beispiel Experten im Sportbereich gibt, die sagen unter diesen Bedingungen trete ich nicht mehr auf, wenn alle wissen, was ich für ein Honorar dafür bekomme?

04:14
Dieter Dörr: Das ist ja ein Punkt, den Juristen immer wieder kennen. Es ist immer so, dass die juristische Arbeit in Abwägung besteht. Also ich muss das Persönlichkeitsrecht gegen das Transparenzgebot, ich muss die freie Rede gegen Persönlichkeitsrechte abwägen. Und es kommt immer auf den Einzelfall an, welcher Aspekt obsiegt. Aber ich würde mal das Persönlichkeitsrecht eines Experten, der bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt angestellt ist nicht so hoch gewichten gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz, dass es im Regelfall überwiegt. Es ist ja auch so, dass in anderen Bereichen, etwa wo man es früher anders gesehen hat: Intendantengehälter, Gehälter von Direktoren, dass man dort sagt, es darf keine Transparenz sein. Und etwa auch das Gehalt eines Professors können Sie einfach mit Blick ins Gesetz und in die Besoldungsordnung nachlesen. Das ist auch richtig so. Weil ich erwähne den Professor ganz bewusst, weil Universitäten wie die Rundfunkanstalten auch einen öffentlichen Auftrag erfüllen. Einen Auftrag, der sogar im gleichen Verfassungsartikel steht, wenn auch bei Art. 5 Abs. 3 und die Rundfunkfreiheit bei Art. 5 Abs. 1. Auch dort ist es so, dass Universitäten zur Transparenz verpflichtet sind und auch die Gerichte in manchen fällen sie schon dazu anhalten mussten, transparenter etwa mit Drittmittelverträgen umzugehen.








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