Geht rbbKultur das Geld aus? – Dr. Jan Schulte-Kellinghaus

Jan Schulte-Kellinghaus | Foto: © Jörg Wagner


Nach Ankündigung der rbb-Geschäftsleitung, dass ab 2021 der Etat für das rbbKultur (Radio) um 1 Million Euro sinken werde, sind Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschockt. Der ver.di Senderverband im rbb protestierte in einem Offenen Brief gegen die Kürzungen:

“Bei einem rbbKultur-Programmetat von ca. 5 Mio. Euro bedeutet dies eine Einsparung von 20 Prozent! … Die Kultur kaputt sparen? Langjährig erfahrene und hochprofessionelle Kulturfreie arbeitslos machen? … Mit ver.di im rbb ist diese Kürzungsorgie nicht zu machen.”


Was sind die Gründe für die Einsparungen? Welche Konsequenzen hat das für das Kulturangebot im rbb? Warum sind Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sorge?

Wer: Dr. Jan Schulte-Kellinghaus, rbb-Programmdirektor
Was: Interviews zu angekündigten Einsparungen bei rbbKultur
Wo: Berlin, Haus des Rundfunks, Masurenallee 8-14
Wann: rec.: 20.06.2019, 12:13 Uhr; veröffentlicht: 22.06.2019, 18:48 Uhr im radioeins-Medienmagazin (rbb) und in einer gekürzten Fassung im rbb-Inforadio, 23.06.2019, 10:44/17:44 Uhr

Vgl.: Tomas Fitzel, langjähriger Freier rbbKultur (Radio)-Autor und Freienvertreter



(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[0:00]
Jörg Wagner: Dr. Jan Schulte-Kellinghaus, “rbb-Grillen”, das war ursprünglich mal gedacht als eine Aktion mit den Zuschauerinnen und Zuschauern, Hörerinnen und Hörern. Nun entsteht der Eindruck, dass das “rbb-Grillen” auch innerhalb des rbb angefacht wird. Sie haben angekündigt, eine Millionen Euro dem Etat von rbbKultur (Radio) zu entziehen. Und da entsteht eine gewisse Problematik, die Sie vielleicht kurz erklären können. Warum eine so hohe Summe? Warum wollen Sie bei der Kultur im rbb sparen?

[0:40]
Dr. Jan Schulte-Kellinghaus: Ja, weil wir als Öffentliche-rechtliche insgesamt, aber speziell der rbb, nicht sicher ist, wie die Finanzierung ab 2021 sein wird. Weil der rbb über die letzten Jahre eine Beitragsrücklage angespart hatte, durch die Umstellung der Beiträge auf die Haushaltsabgabe, ist der rbb ein bisschen besser gestellt worden. Dieses Geld konnte er in eine Rücklage legen, die aber bis 2020 aufgebraucht ist. Und das sind 40 Millionen im Jahr. Und wenn es jetzt keine irgendwie geartete Beitragsanpassungen gibt, fehlt dem rbb, fehlen dem rbb jedes Jahr vierzig Millionen Euro. Ich gehe jetzt mal davon aus, wir gehen alle davon aus, dass es eine Beitragsanpassungen geben wird, weil seit 2009 sind die Beiträge ja immer stabil geblieben und trotzdem musste die Inflationsrate ausgeglichen werden, die medienspezifische Teuerungsrate und sowas. Also ich gehe schon davon aus. Aber wir wissen es nicht. Und wir müssen uns darauf einstellen, dass wir mutmaßlich mit weniger Geld und auch nicht mehr Stellen auskommen werden. Deshalb müssen wir jetzt über erste Schritte nachdenken. Und wir haben an sehr vielen Stellen in der Verwaltung und in der Produktion uns angeguckt, wo man Stellschrauben drehen kann. Aber wir müssen natürlich auch über unsere Programmangebote reden und da bin ich der Überzeugung, dass man da nicht mit dem Rasenmäher in Prozentsätzen über alle Sendungen und alle Wellen hinweg gehen kann, sondern, dass wir schon Prioritäten setzen müssen. Und wenn man sich jetzt unsere Radiowellen anguckt und vergleicht, wie die ausgestattet sind, also radioeins vergleicht zu Kulturradio, dazu 88,8 oder zu Antenne Brandenburg ist Kulturradio im Schnitt eine Million besser ausgestattet mit Programmmitteln als die anderen Wellen. Und unter den jetzigen Zwängen, dass wir unter veränderten finanziellen Bedingungen arbeiten, kann ich das nicht mehr so vertreten. Und habe gesagt, also wenn wir sparen müssen, ist das ein Punkt, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir ein Kulturradio statt mit zehn Millionen mit neun Millionen Euro hinkriegen und das ist der finanzielle Hintergrund. Und zeitgleich ist damit aber auch programmlich klar, dass wir das nicht einfach auf niedrigerem Niveau jetzt fortführen können, sondern dass wir das auch als Zäsur nehmen, um uns auch programmlich noch mal neu aufzustellen und uns neue Gedanken zu machen, wie ein modernes Kulturradio im Jahr 2020/2021 klingen muss. Was es bringen muss, auch wie viel digitale Angebote es machen muss und da ist diese Sparnotwendigkeit auch ein Anstoß dazu, das Programm nochmal neu zu denken.

[3:43]
Jörg Wagner: Sie verglichen die Radiowellen. Nun ist ja ein Programm wie 88,8 anders strukturiert vom Aufwand her als ein Kulturprogramm. Logischerweise ist eine Konzertrezension anders zu bewerten, als – ich sag mal – eine kurze Schalte in die Innenstadt nach Berlin. Ein Feature ist viel teurer in der Herstellung. Und das sind ja so Kernelemente von Kultur im Radio. Wenn Sie jetzt mal ganz genau analysieren, wird es natürlich eine Programm-Kürzung geben müssen. An was denken Sie da? Mehr Klassik spielen und weniger Ausstellungsrezensionen, weniger Feature?

[4:23]
Dr. Jan Schulte-Kellinghaus: Also. Ich habe mit den Kollegen verabredet – und das klingt zunächst komisch – aber ich hab’ mit den Kollegen verabredet, dass nicht ich selber mir einen Masterplan ausdenke und die den einfach dann ausführen, sondern dass wir einmal ehrlich mit den Kollegen über die finanzielle Grundausstattung sprechen und wir jetzt – und das beginnt heute in verschiedenen Workshops und Prozessen – mit der Redaktion und den Freien Mitarbeitern gemeinsam uns ausdenken, was bedeutet das? Und klar ist, dass das Kulturradio, wie’s jetzt ist, sich verändern, zwangsläufig verändern muss. Sie haben Dinge genannt, weshalb es in der Produktion im Augenblick auch teurer ist als andere Radios. Und wir müssen jetzt eben gemeinsam nachdenken, was das sein kann. Was das aber im Einzelnen dann bedeutet, das weiß ich jetzt noch nicht, sondern das erwarte ich von der Redaktion und den Kollegen und den Freien Mitarbeitern, da jetzt ein Konzept zu entwickeln, wie das gehen kann und das eben auch als Zäsur, auch als inhaltliche Zäsur zu begreifen.

[5:37]
Jörg Wagner: Nun habe ich das Gefühl – also die Signale kommen ja auch über ver.di – dass das Vertrauensverhältnis momentan belastet ist. Man will gegen den Kulturabbau, so heißt es sinngemäß, protestieren, fordert die Geschäftsführung auf, diese Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Fakt ist ja, Sie müssen im Programmetat sparen, das sind zwanzig Prozent, wenn man fünf Millionen Programmetat ansetzt bei Kulturradio, die Sie da einsparen müssen. Das wird nicht so einfach nur – ich sag mal – mit guten Ideen zu kompensieren sein. Also, da werden auch Freie Mitarbeiter nicht mehr beschäftigt werden. Da werden beliebte Sendestrecken wegfallen müssen. Ist das vielleicht auch ein Signal an die Politik, hier vielleicht beschleunigt dann doch noch mal im Prozess der Rundfunkbeitragsfindung zu der Erkenntnis zu kommen, dass man hier nicht noch mal zehn Jahre eine Sparrunde einlegen kann?

[6:26]
Dr. Jan Schulte-Kellinghaus: Nee, wir sind da nicht bei Symbolpolitik. Wir sind bei echten Notwendigkeiten. Das ist so. Und es ist kein politischer Move oder keine Drohung. Es ist einfach so, wenn ich nicht weiß, wie der rbb ein Minus von vierzig Millionen pro Jahr kompensiert, muss ich jetzt beginnen an allen Stellen nachzudenken, wie es gehen könnte und da ist leider eben von unseren Radioangeboten, beim Kulturradio, würde ich sagen, am ehesten die Möglichkeit, das Programm zu erhalten grundsätzlich und einen Kulturangebot zu erhalten, aber eben zu anderen Bedingungen. Ich würde aber auch nicht unterschreiben, dass das jetzt ein Abbau von Kultur im rbb ist, denn der rbb ist ja groß und vielfältig und radioeins ist ja auch ein Kulturprogramm in einem …, wenn man mit einem etwas anderen Kulturbegriff drauf guckt. Wir haben im Fernsehen Kultur. Wir haben in der aktuellen Berichterstattung Kultur. Wir haben Dokus. Wir machen Filme. “Gundermann” ist ein Kulturprodukt. Also darum: der rbb macht sehr viel Kultur und was rbbKultur im Radio macht, ist nicht das einzige, was der rbb als Kulturproduzent liefert, aber es ist natürlich ein wichtiger Teil und deshalb machen wir es uns auch nicht leicht. Sie haben anfangs gesagt, jetzt Grillen wir im rbb … also ich selber wurde auch gegrillt, weil ich natürlich zu den Kollegen gegangen bin und Ihnen das habe erläutern müssen und natürlich habe ich dann auch erlebt, wie wie betroffen die Kollegen davon sind und das ist nicht schön. Das ist klar. Aber ich hoffe, dass wir das so hinkriegen, dass wir da soziale Härtefälle vermeiden. Und mir ist natürlich auch klar, dass wir da langjährige Freie Mitarbeiter …, dass die da möglichst nicht drunter leiden sollten und wir eben … aber wir gucken müssen, wie wir das hinkriegen. Deshalb hat das natürlich auch programmliche Fragen, die wir jetzt zuerst beantworten müssen. Und wir haben verabredet, dass wir im Herbst also im September so weit sind, zu sagen: Was ist die programmliche Richtung? Und dass wir dann auch schon besser sagen können, was bedeutet das für die Kollegen?

[8:58]
Jörg Wagner: Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Jan Schulte-Kellinghaus: Danke schön.








Print Friendly, PDF & Email