Martina Zöllner: „Da werden neue Ideen entstehen.“

Martina Zöllner | Foto: © rbb/Thomas Ernst

Wer:
* Martina Zöllner, künftige Leiterin „Contentbox Kultur“
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
Was: Interview zur Umstrukturierung des rbb
Wie: muPRO-Schaltgespräch
Wann: rec.: 09.10.2020/15:00 Uhr, veröffentlicht in einer 06:29-Fassung im radioeins-Medienmagazin am 10.10.2020, 18:23 Uhr und in einer 03:06-Fassung am 11.10.2020, 10:44/17:44/22:44 Uhr im rbb Inforadio

Vgl.:
* rbb-Programmdirektor: „… kein ein Stein auf dem anderen.“, 08.10.2020
* Statement Sabine Jauer, 1. Vorsitzende des rbb-Personalrates, 09.10.2020:

(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

Jörg Wagner: [00:00:00] Auch dieser Sender wird hier nicht außen vor bleiben bei der geplanten großen Umstrukturierung im rbb. Wir werden künftig auch aus einer „Kiste“ heraus arbeiten, einer sogenannten „Contentbox“ – zusammen mit rbb Kultur, aber auch Fernsehsendungen wie „Titel, Thesen, Temperamente“, zu der der rbb etwas beiträgt im Ersten. Da steht dann drauf „Kultur“, also „Contentbox Kultur“. Und diese Contentbox wird eine Chefin haben: Martina Zöllner. Und auch sie fragen wir jetzt, was sich ändern wird dann konkret. Sie leitet bislang den Programmbereich „Dokumentation und Fiktion“. Und unsere erste Frage ist: Was wird denn in der Contentbox anders sein ganz persönlich für Sie, Martina Zöllner?

Martina Zöllner: [00:00:41] Gute Frage. Ja, also, ich bin tatsächlich noch nie für Radio zuständig gewesen. Ich komme zwar aus dem Kulturjournalismus, aber dem Fernsehjournalismus. So habe ich angefangen. Und dann habe ich einiges gemacht in meinem Leben, meinem journalistischen Leben, war für Dokus zuständig, war dann Kulturchefin im SWR. Also Kultur ist mir vertraut, seit ein paar Jahren auch Film und Fiction insgesamt, Film und Serie. Mit Radios war ich professionell direkt noch nicht befasst. Das ist für mich auf jeden Fall neu. Ansonsten ist die ganze Struktur für uns alle sehr ungewöhnlich und läutet, wenn man so will, fast im System der linearen Medien, die jetzt eben überhaupt nicht mehr alleine auf der Welt sind, ein neues Zeitalter ein.

Daniel Bouhs: [00:01:31] Das Ziel sind ja die berühmten Synergien, dass also Sender und Sendungen, die bislang nebeneinander gearbeitet haben, nun miteinander arbeiten. Was kommt da auf uns hier bei radioeins zu, fragen wir mal auch als Betroffene, und vor allem: Was wird das Publikum wohl in der Contentbox oder von der Contentbox Kultur merken?

Martina Zöllner: [00:01:51] Ja, traditionell war es so, dass jeder Ausspielweg hatte seine Redaktion. Das Fernsehen hatte seine eigene Kulturredaktion und die Radiowellen hatten ihre Kulturredaktionen. Das war die Logik. Aber inzwischen gibt es diese vielen Ausspielwege, die wir alle beliefern. Da macht so eine Struktur einfach keinen Sinn mehr. Also: Wir werden solche Teams bilden aus Fachredaktionen, die übergreifend arbeiten. Also wo früher fünfmal recherchiert wurde ein bestimmtes Thema, kann es jetzt idealerweise einmal recherchiert werden und fünfmal ausgespielt werden. Das bedeutet natürlich einfach, dass die Workflows sich erheblich ändern.

[00:02:30] Dann ist es ja so: Die Radiomacher bei radioeins oder auch rbb Kultur, die machen ja auch ohnehin längst nicht mehr nur Radio. Die machen bereits jetzt Podcasts, die zum Teil nach ganz eigenen Gesetzen funktionieren. Ihr macht gerade, radioeins macht gerade „wach & wichtig“ zum Beispiel. radioeins macht auch Video-Podcast. Die Kollegen von Radiowellen im Haus produzieren Videostreams von Konzerten zum Beispiel. Wir haben im Bereich Film umgekehrt – um davon mal zu sprechen – auch gerade die Tonstrecke eines Berliner „Tatorts“ bearbeitet und einen „Tatort“-Podcast draus gemacht als Versuch, weil andere Häuser das bereits erfolgreich machen.

[00:03:09] Die Digitalisierung treibt uns alle vor sich her, hat aber auch viele Vorteile: Wir können schneller, günstiger und eben auch qualitativ hochwertig produzieren. Da wächst alles mehr zusammen, allein schon durch die technologische Entwicklung. Aber und das ist mir das Wichtigste: Ich bin wirklich überzeugt davon, dass die Annäherung der verschiedenen Bereiche, die jetzt in diese sogenannte Contentbox kommen, produktiv ist. Wir können und wir werden ganz sicher voneinander lernen. Da werden neue Ideen entstehen. Daran glaube ich fest, sonst würde ich das nicht machen.

Jörg Wagner: [00:03:44] Daran glaube ich auch. Das kann sehr befruchtend sein. Aber das kann auch die Vielfalt einschränken. Da ist dann eine einzige Autorensicht nur einfach breiter gestreut. Ist das nicht ein Risiko?

Martina Zöllner: [00:03:55] Das muss man eben sich immer ganz genau angucken. Es kann ja Themen geben, Stoffe geben, die unbedingt durch die Köpfe von verschiedenen Journalistinnen und Journalisten gehen müssen und wo wir verschiedene Blicke drauf haben müssten. Das ist unbedingt wichtig und richtig. Das muss man von Fall zu Fall sehen. Es gibt aber doch, wenn man das mal so durchspielt, im Alltagsgeschäft auch viele Fälle, wo wir einfach doppelt arbeiten und wo es thematisch nicht so komplex ist, als dass das nötig wäre. Und da könnten wir effizienter sein. Aber ich bin ganz dafür, dass wir durch diese Konstruktion vielfältiger werden. Ich will ganz bestimmt keine Vereinfachung und auch keine langweiligen Doppelungen.

Daniel Bouhs: [00:04:37] Vielleicht auch von uns mal losgelöst gedacht ein bisschen in der Vogelperspektive: Ist das Ziel dann, wenn Sie Doppelarbeit vermeiden, dass dann die Mitarbeitenden, die sozusagen nicht zum zweiten oder dritten Mal ein Thema anfassen, das im rbb schon existiert, etwas anderes machen oder ist das Ziel dann, weil ja eben auch gespart werden muss mehrere Millionen, dann zu sagen: Na gut, dann brauchen wir vielleicht am Ende dieser ganzen Überlegungen gar nicht mehr so viele Mitarbeitenden?

Martina Zöllner: [00:05:06] Es sind sicherlich auch Spareffekte hier drin in dieser Grundidee der Contentboxen. Dass wir vielleicht gar keine Beitragserhöhung kriegen als Öffentlich-Rechtliche oder wenn nur eine geringe, das ist ja allseits bekannt. Und darin liegt natürlich auch die Notwendigkeit zu sparen. Und wie man das eben so tun kann, dass es möglichst wenig schädlich ist und sowieso möglichst wenig schädlich für die freien Mitarbeiter oder für die festen Mitarbeiter hier bei uns, das ist ja klar. Aber das spielt natürlich auch eine Rolle. Das ist so.

Jörg Wagner: [00:05:38] Wann wird es denn jetzt auch hörbar und sichtbar für die radioeins-Nutzerinnen und -Nutzer, tatsächlich erlebbar sein, dass radioeins in einer Contentbox Kultur steckt, der Sie ja vorstehen?

Martina Zöllner: [00:05:50] Offiziell geht es los am 1.4. nächsten Jahres. Aber das hat ja Vorläufe. Es gibt ja schon Kooperationen zwischen den Bereichen, die dann in diese Contentbox kommen, weil das einfach ein fließender Übergang ist. Zum Beispiel arbeiten die Kollegen von Doku und Zeitgeschehen zusammen mit Kollegen von radioeins und dem „MiMa“, dem „MittagsMagazin“, das liefert ja der rbb auch ins Erste, an einem gemeinsamen Projekt über Bürgermeister und Bürgermeisterinnen von kleineren Kommunen und die Probleme, die sie so haben. Da werden ganz unterschiedliche Varianten der Befassung bei rauskommen. Da sind übrigens natürlich auch mehrere Autorinnen und Autoren am Werk, die dann ihr eigenes dazugeben.

[00:06:35] radioeins ist zum Beispiel so ein Kosmos, ein hoch aktiver und wunderbarer Kosmos, der so nah dran ist an den Trends und sind ihre eigene Eventagentur, die Kollegen von radioeins. Das ist etwas, wovon andere sicher profitieren können, vom Auf-sich-aufmerksam-Machen. Auf der anderen Seite sind wir im fiktionalen Bereich oder auch im Doku-Bereich dramaturgisch und im Storytelling ganz versiert. Also, ich glaube, das wird ein gegenseitiges voneinander lernen und miteinander vielleicht im guten Sinne noch besser werden.

Jörg Wagner: [00:07:09] Meint Martina Zöllner. Sie ist die zukünftige Contentbox-Leiterin Kultur, wo auch radioeins neu integriert wird. Vielen Dank!

Daniel Bouhs: [00:07:17] Vielen Dank für Ihre Zeit!








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