Deutsche Welle wieder mit ungarischem Programmangebot

Peter Limbourg | Foto: © Jörg Wagner

Was: Telefoninterview über das Engagement der Deutschen Welle mit einem Programmangebot für und über Ungarn
Wer:
* Peter Limbourg, Deutsche Welle
* Jörg Wagner, Freier Medienjournalist
* Daniel Bouhs, Freier Medienjournalist
Wann: Live am 20.02.2021, 18:45 Uhr im radioeins-Medienmagazin (rbb) und in einer gekürzten Fassung im rbb Inforadio am 21.02.2021, 10:44/17:44 Uhr


(wörtliches Transkript, Hörverständnisfehler vorbehalten)

[00:00:01]
Daniel Bouhs: In Ungarn ist die Pressefreiheit weiter unter Druck. Wir haben es eben gehört. Seit 2017 mischen sich wiederum auch die USA ein. Die Botschaft in Budapest fördert unabhängige Medien, die also nicht von Orbán und seinen Leuten gefördert werden. Und inzwischen hat auch die Deutsche Welle, unser öffentlich-rechtlicher Auslandsrundfunk angekündigt, ein Angebot auf Ungarisch zu starten.

[00:00:24]
Jörg Wagner: Darüber können wir jetzt reden mit Peter Limbourg, dem Intendanten der Deutschen Welle. Die beschäftigt zwar gerade auch ganz andere Themen, aber wir haben uns diesmal zum Thema Ungarn verabredet. Guten Abend, Herr Limbourg!

[00:00:34]
Peter Limbourg: Ja. Hallo Herr Bouhs! Guten Abend, Herr Wagner!

[00:00:37]
Daniel Bouhs: Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben und Sie gefragt haben, ob die Deutsche Welle den Amerikanern das Feld überlassen möchte in Ungarn, bei den Medien, sagten Sie uns noch, ein Angebot für Ungarn sei nicht in der Mache. Nun hieß es neulich, Ungarisch werde eine neue Sendersprache. Was hat sich bei Ihrem Blick auf die ungarische Medienlandschaft geändert?

[00:00:56]
Peter Limbourg: Na ja, es ist insgesamt nicht besser geworden. Wir haben es ja gerade eben auch schon in dem Gespräch mit der Kollegin gehört. Und es ist tatsächlich so, dass die Pressefreiheit dadurch eingeschränkt wird, dass die Medienvielfalt massiv eingeschränkt ist in Ungarn und immer mehr Druck auf unabhängige, kritische Medien gemacht wird. Und da haben wir uns gedacht, dass ist eigentlich ein wichtiges Feld – gerade Ungarn, ein europäisches Land – da ist die Deutsche Welle dann doch gefordert. Und wir haben beispielsweise ein polnisches Angebot. Und dann haben wir gesagt, dann ist es jetzt, glaube ich, wirklich auch an der Zeit, die ungarische Sprache zu … als Sendersprache wieder aufleben zu lassen. Wir hatten ja Ungarisch in den 60er, 70er Jahren bis hin zu 2000 als Radioangebot. Und jetzt fangen wir wieder an, hauptsächlich mit Social Media.

[00:01:47]
Jörg Wagner: Die Deutsche Welle wird ja anders als der rbb nicht aus Rundfunkbeiträgen finanziert, sondern aus dem Bundeshaushalt, also mit Steuermitteln. Gibt es ein Interesse der Bundesregierung an einem Angebot auf Ungarisch? So vielleicht .. so in dem Stil wie früher Radio Free Europe ja von der US-amerikanischen Informationsbehörde unterstützt wurde.

[00:02:07]
Peter Limbourg: Also das war unsere eigene Entscheidung. Wir machen solche Entscheidungen auch autonom und besprechen sie natürlich mit unserem Rundfunkrat. Aber ansonsten ist das nicht die Entscheidung der Bundesregierung. Aber alles, was wir gehört haben, hat sich die Bundesregierung darüber gefreut und hat es begrüßt, dass wir Ungarisch jetzt demnächst im Angebot haben.

[00:02:28]
Daniel Bouhs: Was ist das eigentliche Ziel, würden Sie sagen? Also wenn die Deutsche Welle, was sie ja auch tut, verstärkt zum Beispiel auch auf Türkisch unterwegs ist für Menschen in der Türkei, geht es ja auch darum, das zu berichten, was unter dort dem Regierungschef Erdoğan nicht in den klassischen Medien berichtet wird. Ist das Ihr Ziel auch in Ungarn?

[00:02:47]
Peter Limbourg: Ja ich glaube, es gibt in Ungarn erstens den Bedarf. Die Kollegin hat es ja gerade von Klubrádió auch gesagt, dass es diesen Bedarf gibt, den … objektive Nachrichten, wie sie es nannte, ich sage es jetzt mal faktenbasierte Nachrichten eben in die ungarische Medienlandschaft mit hineinzubringen. Wir maßen uns nicht an, die alleinige Wahrheit zu haben, aber ich glaube, wir erhöhen einfach die Vielfalt. Und wir sind auch immer für Menschen und Hörer und Nutzer da und Zuschauer, die vielleicht etwas vermissen. Beispielsweise einen realistischen Blick auf Europa und Nachrichten und Einschätzungen über europäische Realität. Und natürlich gibt es auch Themen, die vielleicht bei den anderen Medien in Ungarn nicht ganz so hochgefahren werden wie bei uns. Und das sind natürlich Menschenrechte, das sind die Themen rund um Europa. Das sind aber eben auch Fragen von Minderheiten, die wir auch thematisieren. Wir berichten auch viel über LGBTIQ*-Szene. Wir sind, glaube ich insgesamt breit aufgestellt und freuen uns, auch wenn wir dadurch mit Ungarn wieder verstärkt in den Dialog kommen.

[00:03:56]
Daniel Bouhs: Sie sagten schon, Sie wollen vor allem auf Social-Media-Angebote setzen. Das ist sicher auch ein Angebot, das man am ehesten so wie Berichterstattung online, wenn Sie Texte veröffentlichen, aus der Zentrale machen können in Bonn oder auch an Ihrem Standort in Berlin. Aber planen Sie sozusagen langfristig dann auch eine Redaktion in Budapest aufzubauen? Planen Sie vielleicht Radio- oder auch Fernseh-Angebote? Oder wollen Sie es bei Social Media bewenden lassen?

[00:04:24]
Peter Limbourg: Also wir haben ja schon angefangen. Es ist ja schon so, dass wir sanft starten, also sanft jedenfalls, was den Start anbelangt, nicht, was die Inhalte anbelangt. Wir haben zwei Redakteure bereits in Budapest und vier in Berlin und wir machen hauptsächlich Videos und für Social Media und werden aber Ende März auch einen eigenen ungarischen YouTube-Kanal starten. Wir haben natürlich insgesamt bei der Deutschen Welle sehr viel Content, produzieren den, also sehr viel spannende Inhalte, Reportagen, Dokumentationen und das werden wir eben auch auf Ungarisch dann anbieten können. Schritt für Schritt. Und ich glaube, dass es ein breites Angebot. Und ich freue mich jedenfalls darauf. Bisher waren die ersten Anzeichen schon sehr positiv. Unsere Videos werden hunderttausendfach gesehen und stark gesharet und kommentiert. Es fängt ganz gut an, aber wie gesagt, wir sind noch in der Startphase und Ende März starten wir da mit dem YouTube-Kanal.

[00:05:26]
Jörg Wagner: Ist da auch denkbar eine Kooperation mit Klubrádió?

[00:05:29]
Peter Limbourg: Ja, selbstverständlich. Wir kooperieren ja grundsätzlich mit sehr vielen Medien weltweit. Wir haben über 5.000 Partner-Sender oder Partner-Plattformen oder Partner-Medienhäuser. Insofern ist es ganz natürlich, dass auch Programme von uns bei anderen Medien in Ungarn laufen werden, die da bereit sind, unsere Programmeangebote, unsere Videos oder teilweise eben auch Diskussionssendungen, was wir alles so planen, dann zu übernehmen. Und da wird es sicherlich … und gibt es auch jetzt schon gute Kooperationen mit Plattformen und Sendern in Ungarn.

[00:06:04]
Jörg Wagner: Sie sagten „gute Erfahrungen“. Ist es auch denkbar, dass gerade so eine Zusammenarbeit Deutsche Welle und ich sage mal Oppositionsmedium vielleicht dazu führt, dass das Medium, das Sie als Partner gewinnen können, dann zusätzlich unter Druck kommt, weil man angeblich mit ausländischen Mächten kollaboriert?

[00:06:23]
Peter Limbourg: Das kann immer passieren. Das sind Vorwürfe, die wir eben auch aus Russland oder aus der Türkei kennen. Das ist etwas … und auch leider in anderen Ländern. Aber das ist, glaube ich in Ungarn nicht so das Problematische. Und wir sehen uns ja auch nicht als Oppositionsstimme, sondern wir versuchen ein breites Bild abzugeben. Wir sind natürlich auch interessiert daran, mit Vertretern der Regierung ins Gespräch zu kommen und auch die für Interviews zu gewinnen. Je nachdem. Also wir sind immer so aufgestellt, dass wir mit allen sprechen, mit allen im Gespräch sind. Aber dadurch, dass wir natürlich möglicherweise die Vielfalt erweitern, wird das dem einen oder anderen vielleicht in der Regierung nicht so gut gefallen. Aber das werden wir ja dann sehen.

[00:07:06]
Daniel Bouhs: Ich würde auch darauf tippen, dass die ungarische Regierung das eher als Einmischung werten wird und nicht Viktor Orbán zum Beispiel in Ihre Talkshow, die ja tatsächlich auch sehr zupackend ist „Conflict Zone“, in die Konfliktzone der Deutschen Welle ziehen würden. Aber vielleicht auch nochmal die Richtung. Also momentan reden wir darüber, was Sie auf Ungarisch machen für die Menschen auch dort. Planen Sie denn auch umgekehrt in Ihren deutschsprachigen und englischsprachigen Angeboten stärker darüber zu berichten, was in Ungarn alles vor sich geht?

[00:07:35]
Peter Limbourg: Ich glaube, das wird automatisch passieren, indem wir dort Kollegen haben und Kolleginnen in Budapest, wird das natürlich eine größere Rolle noch spielen, glaube ich, das ist … geht dann immer automatisch einher und das ist, glaube ich, sehr gut.

[00:07:50]
Jörg Wagner: Ja, dann sind wir mal gespannt, wie das Programm tatsächlich auch in Ungarn angenommen wird. Neben Klubrádió und neben Telex, die zwei bekanntesten mittlerweile Oppositionsmedien, inwieweit die Deutsche Welle sich dort einbringen kann, objektive Nachrichten mit hineinzutragen. Man ist fast schon geneigt zu sagen „hinter den Eisernen Vorhang“. Aber das ist ja tatsächlich noch sehr weit entfernt zu den Zeiten, als …

[00:08:13]
Peter Limbourg: Das ist lange vorbei, Herr Wagner!

[00:08:13]
Jörg Wagner: Ja, ja, nee, aber man hat schon den Eindruck, dass Ungarn sich immer mehr auch in die Selbstisolation begibt. Aber erst einmal Ihnen viel … ein glückliches Händchen, kann man sagen, für den auch sicherlich diplomatischen Weg, da jetzt nicht Öl ins Feuer zu gießen, aber dennoch zu informieren. Das ist ja eine Gratwanderung. Wir sprachen mit Peter Limbourg, dem Intendanten der Deutschen Welle. Vielen Dank!

[00:08:33]
Peter Limbourg: Vielen Dank! Noch schönen Abend!

[00:08:34]
Daniel Bouhs: Ihnen auch.

[00:08:38] radioeins.








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