Buermeyer: BND-Gesetz rechtsstaatlich unhaltbar

Ulf Buermeyer | Foto: © Jörg Wagner
Ulf Buermeyer | Foto: © Jörg Wagner


Reporter ohne Grenzen (ROG) hat gemeinsam mit fünf zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz eingereicht. Darin wird bei der nachrichtendienstlichen Aufklärung unterschieden zwischen deutschen Journalisten, EU-Ausländern und Ausländern. Das Gesetz erlaube es dem BND, Journalisten im Ausland praktisch schrankenlos und ohne Anfangsverdacht zu überwachen, sowie die Informationen mit anderen Geheimdiensten zu teilen. Durch die immer stärkere Zusammenarbeit der Journalisten weltweit (#PanamaPapers, #ParadisePapers usw.) sei es naiv anzunehmen, dass man bei der Überwachung deutsche Journalisten ausblenden könne. Das Gesetz bewirke eine Zweiklassen-Pressefreiheit und sei ein weiterer Schritt zu einer massenhaften Überwachung der Gesellschaft.

Was: Interview zur Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz
Wer: Dr. Ulf Buermeyer, Richter, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF)
Wo: Berlin, ARD-Hauptstadtstudio, Wilhelmstraße 67a
Wann: rec.: 30.01.2018, 10:56 Uhr; veröffentlich in gekürzten Fassungen 03.02.2018, 18:38 Uhr im radioeins-Medienmagazin (rbb) und im rbb-Inforadio, 04.02.2018, 10:44/15:24 Uhr

Vgl.:
* DJU zur Verfassungsbeschwerde
* DJV zur Verfassungsbeschwerde
* netzwerk recherche zur Verfassungsbeschwerde
* n-ost zur Verfassungsbeschwerde
* Reporter ohne Grenzen zur Verassungsbeschwerde



[00:00] Ulf Buermeyer: Ja, mein Name ist Ulf Buermeyer. Ich bin Jurist und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Ich denke, der Staat kann mit guten Gründen gefährliche Personen oder mutmaßliche Straftäter überwachen. Mit einer richterlichen Genehmigung. Das ist rechtsstaatlich völlig in Ordnung. Der Punkt ist allerdings, dass man ja Deutsche gar nicht notwendigerweise als Deutsche erkennt. Denken Sie an eine E-Mail-Adresse „gmail.com“. Ja, da weiß man natürlich nicht, ob der Inhaber dieser E-Mail-Adresse Amerikaner, Deutscher oder meinetwegen auch Chinese ist. Ja, das heißt also, es ist technisch nicht so einfach möglich, zu erkennen, mit wem man es da eigentlich zu tun hat. Und deswegen ist ein weiteres Argument in unserer Verfassungsbeschwerde, dass diese Differenzierung nach Nationalitäten in Zeiten des Internet einfach nicht mehr sinnvoll ist. Die ist technisch nicht mehr sinnvoll durchzuführen und außerdem werden ja auch Daten zwischen Geheimdiensten relativ frei ausgetauscht und jedermann ist selbstverständlich aus der Perspektive irgendeines Geheimdienstes Ausländer. Das heißt also, dann kann der BND die Amerikaner ausforschen und die Amerikaner forschen die Deutschen aus. Dann tauscht man die Daten und unterm Strich ist dann jeder Freiwild. Deswegen denken wir, dass diese Internet-Überwachung ohne konkreten Verdacht grundsätzlich ein Fehler ist, der rechtsstaatlich unhaltbar ist. Und wir erhoffen uns vom Bundesverfassungsgericht, dass es der anlasslosen überwachung des Internet, also ohne konkreten Verdacht gegen einzelne Personen eine Absage erteilen wird.

[01:18] Jörg Wagner: Dann haben wir aber noch das Problem, dass der britische Geheimdienst, der US-amerikanische Geheimdienst sich danach überhaupt nicht richten braucht, was wir hier für ein BND-Gesetz haben. Ist das dann … nicht dann wirklich dieser berühmte Kampf gegen diese Windmühlen? Also, wir haben nichts gewonnen außer viel Investitionen und Arbeit. Und sollte man nicht sagen, es ist halt so wie es ist und wir müssen uns als Journalisten oder als Menschen darauf einstellen eben zu einem Gespräch mit einem Informanten nicht das Smartphone mitnehmen zum Beispiel, um nicht geortet zu werden?

[01:47] Ulf Buermeyer: So einfach ist es ja leider nicht, um der Internetüberwachung zu entgehen. Und das Argument mit den Windmühlenflügeln ist natürlich richtig. Natürlich gibt es ganz viele Geheimdienste, die versuchen, das Internet so weit gehend wie möglich zu überwachen. Aber ich denke das darf eine Bürgerrechtsorganisationen, wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte nicht entmutigen, sondern ganz im Gegenteil. Wir müssen versuchen Leuchttürme zu schaffen, Leuchttürme, in denen die Freiheitsrechte effektiv geschützt werden. Denn, denken wir so an die Geschichte von Grundrecht, denken wir an die Geschichte der Pressefreiheit, die war ursprünglich nirgendwo auf der Welt geschützt und dann haben einzelne Staaten begonnen, Grundrechte effektiv durchzusetzen. Denken Sie an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Frankreich im Kontext der Französischen Revolution. Und so haben sich die Menschenrechte langsam, aber sicher über die Welt verbreitet. Sie gelten leider bis heute nicht überall. Aber ich denke, man darf sich nicht davon entmutigen lassen, wenn die gegenwärtige Situation für die Pressefreiheit entmutigend sein mag. Sondern im Gegenteil. Wir müssen dafür kämpfen, dass wir jedenfalls in Deutschland wieder zu hohen Standards kommen und dann natürlich hoffen, dass sie auch zu einem Exportschlager werden.

[02:47] Jörg Wagner: Was mich aber bei solcher … ja Konfrontation zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen interessiert, die Seite der Sicherheitsbehörden ist ja nicht per se schlecht. Also, da gibt es ja nicht Leute, die sagen: Wir müssen alles wissen und uns interessieren die Menschenrechte nicht. Was hat man Ihnen denn zum Beispiel übermittelt, warum es wichtig ist, gerade diese Dreistufung vorzunehmen: Deutsche, EU-Ausländer und Ausländer? Gibt es da eine Logik, die einigermaßen nachvollziehbar, plausibel ist?

[03:13] Ulf Buermeyer: Also, ich würde auf gar keinen Fall sagen, dass die Sicherheitsbehörden irgendwie böse sind. Ganz im Gegenteil. Ich habe ja selber lange Zeit in der Strafjustiz gearbeitet. Also, ich habe großes Verständnis dafür, dass Sicherheitsbehörden auch Bedürfnisse haben. Auf der anderen Seite, denke ich, darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass sie natürlich aus ihrer ganz spezifischen Perspektive einfach vielleicht die Schwerpunkte ein bisschen anders setzen. Das heißt, als Bundesnachrichtendienst bekommt man möglicherweise ein Problem, wenn man irgendeine Gefahr nicht erkannt hat. Und das ist der relevante Punkt und dass man bei der Suche nach potenziellen Gefährdern dann möglicherweise im ganz großen Stil in Grundrechte eingreift, das ist ein Problem, das einfach nicht so hoch oben auf der Agenda steht. Aus Sicht des BND. Ich finde, dass quasi aus der Rollenlogik heraus verständlich, aber das kann in einer freiheitlichen Gesellschaft einfach nicht das ausschlaggebende Argument sein, dass der BND glaubt, irgendwas zu brauchen. Ganz im Gegenteil. Wir müssen uns die Frage stellen, wollen wir diesen sehr hohen Preis tatsächlich zahlen? Und dabei, denke ich, sollte auch eine Rolle spielen, dass es ja überhaupt keine Belege dafür gibt, dass diese Internet-Massenüberwachung durch den BND irgendetwas gebracht hat, ja? Denken Sie an Pressemitteilungen zu irgendwelchen Gefährdern, die aufgedeckt werden. Fast immer sind es angeblich Hinweise ausländischer Nachrichtendienste, d. h. also diese Internet-Schnüffelei scheint bislang jedenfalls noch nicht einmal besonders effektiv zu sein. Effektiv kontrolliert wird sie auf jeden Fall nicht. Und deswegen, denke ich, ist das, was das BND-Gesetz erlaubt, rechtsstaatlich unvertretbar.

[04:32] Jörg Wagner: Kämpfen Sie bei dieser Verfassungsbeschwerde nur um den Berufsstand des Journalisten oder ist diese Verfassungsbeschwerde weiter gefasst?

[04:38] Ulf Buermeyer: Die Verfassungsbeschwerde ist weiter gefasst. Wir haben jetzt Journalistinnen und Journalisten als Beschwerdeführer ausgewählt, um ein Schlaglicht zu werfen auf die große Relevanz von Massenüberwachung. Ja um einfach deutlich zu machen, warum ist das eigentlich ein Problem? Und warum gibt es einfach Menschen, die aus guten Gründen was zu verbergen haben, eben wie Journalisten zum Beispiel ihre Kontakte zu Quellen. Aber das Ziel, das wir damit verbinden betrifft uns alle. Denn die Internetüberwachung, die der BND durchführen darf, ist eben gerade nicht gegen einzelne Personen gerichtet, auch nicht spezifisch gegen Journalisten, sondern sie richtet sich gegen jedermann. Das heißt also, wir alle geraten da in den großen Daten-Staubsauger und das halten wir für unverhältnismäßig.

[05:17] Jörg Wagner: Vielleicht können Sie noch was ganz kurz zu diesem juristischen Verfahren der Verfassungsbeschwerde sagen? Wie teuer ist so was? Warum müssen da Beschwerdeführer natürliche Personen sein? Wie haben Sie die dann gefunden?

[05:28] Ulf Buermeyer: Ja, also die Verfassungsbeschwerde ist ein … ist eine rechtliche Möglichkeit, beim Bundesverfassungsgericht vorzugehen gegen Hoheitsakte, die in Freiheitsrechte eingreifen. Normalerweise sind das Gerichtsentscheidungen. Aber in diesem Fall haben wir uns unmittelbar gegen ein Gesetz gewandt, nämlich das BND-Gesetz und seine Regelungen, die eben die Internet-Massenüberwachung erlauben. Wenn man ein solches Gesetz angreifen will mit der Verfassungsbeschwerde, dann muss man insbesondere darlegen, dem Verfassungsgericht plausibel erklären, warum man von diesem Gesetz betroffen ist. Also, es darf nicht jedermann ein Gesetz angreifen, sondern nur derjenige, der von dem Gesetz besonders betroffen ist. Und deswegen haben wir Journalisten und Journalisten ausgewählt, die eben mit guten Gründen sagen können, dass ihre Internet-Kommunikation vermutlich von diesem Gesetz betroffen ist, weil sie dann sagen können, dieses BND-Gesetz greift in unsere Freiheitsrechte ein.

[06:19] Jörg Wagner: Und wie teuer ist das so, eine Beschwerde zu führen?

[06:21] Ulf Buermeyer: Die Hauptkosten liegen bei der Organisation des Ganzen. Also, wir haben etwa anderthalb Jahre an der Vorbereitung dieser Verfassungsbeschwerde gearbeitet und die GFF finanziert sich über Spenden. Das heißt also, wir haben letztlich mit den Geldern unserer Mitglieder versucht, diese Verfassungsbeschwerde möglichst gut vorzubereiten. Das heißt also, man hat die allgemeinen Bürokosten, Organisationskosten, die man jetzt nicht für diesen Fall spezifisch beziffern kann. Wir haben dann aber natürlich auch einen Hochschullehrer beauftragt, der diese Verfassungsbeschwerde für uns geschrieben hat und da bewegt man sich natürlich im fünfstelligen Bereich. Einfach, weil das fast 100 Seiten sind. Das ist ein sehr komplexer Schriftsatz. Das heißt also, das ist sehr, sehr teuer und aus diesen Gründen haben wir ja auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte gegründet, auch ein Stück weit als in „Kriegskasse der Zivilgesellschaft“ in Deutschland, damit Verfassungsbeschwerden in Zukunft möglichst professionell vorbereitet werden können.

[07:10] Jörg Wagner: Und ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie auch weiterhin an Spenden interessiert sind, weil die Arbeit damit jetzt nicht abgeschlossen ist.

[07:16] Ulf Buermeyer: Nein, wir haben eine ganze Reihe von Projekten, die wir derzeit vorbereiten. Das Einfachste ist, wenn man bei uns auf der Webseite schaut unter freiheitsrechte.org – freiheitsrechte.org ist unsere Homepage – und da findet sich auch ein Link auf Spenden oder was wir am allerliebsten haben, ist, wenn Menschen sagen, wir treten der GFF bei als Fördermitglieder und sich dann dauerhaft engagieren bei uns.

(wörtliches Transkript)








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